Glock: Der Hype um die Pistole aus Österreich
Seite 2: In der Waffe wohnt ein Dämon
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Der Film zeigt viele einsame, verlorene Männer, die sich an ihren Pistolen geradezu festhalten. Wie ließ sich mit ihnen ins Gespräch kommen, ohne dass der Film zu einer Freakshow wird?
Fritz Ofner: Für mich war es ganz wichtig, mich immer auf die Lebenswelt der Protagonisten einzulassen und meine eigenen moralischen Wertungen zurückzulassen. Ich habe immer versucht, mit den Leuten viel Zeit zu verbringen und mich in ihrer Lebenswelt zu bewegen. Da die meisten Dreharbeiten außerhalb von Österreich stattgefunden haben, war unser Türöffner, dass wir gesagt haben, wir kommen aus dem Land, in dem die Waffe gefertigt wird. In diesem Land gibt es aber kein Wissen über diese Waffe, kannst Du uns etwas über die Bedeutung dieser Waffe sagen?
Mit dieser sehr naiven Grundhaltung sind wir in die Situation reingegangen. Diese Naivität, oder nennen wir es besser Offenheit, hat uns die Türen geöffnet und die Leute haben uns die Möglichkeit gegeben, durch ihre Augen die Waffe zu sehen. Dann wird sehr schnell klar, mit welchen Bedeutungen diese aufgeladen wird.
Welche Bedeutungen sind dies?
Fritz Ofner: Eine Waffe hat sehr viel mit Angst zu tun. Man will eine Angst kompensieren durch die Macht, die einem diese Waffe gibt. Im Falle der Waffentrainerin im Film wird die Glock sogar zu einem Argument für den Feminismus, weil damit quasi der Kraftunterschied zwischen Mann und Frau aufgehoben wird. Auch für den ehemaligen Gangster in Chicago bedeutet die Waffe eine Nivellierung gesellschaftlicher Unterschiede.
So lernt man viel über die Formen struktureller Gewalt, wenn man diese Bedeutungen untersucht, mit denen die Waffe aufgeladen wird. Sie ist ein sehr gutes Mittel, um diese Milieus zu untersuchen und um soziale Ungleichheiten zu untersuchen, weil die Waffe als Argument gilt, soziale Ungleichheiten aufzuheben. Es gibt diesen Spruch über die Colt-Pistole "God created man, but Colt made them equal." Ähnlich wird die Glock mit Bedeutung aufgeladen. Auch der IS-Terrorist lädt die Waffe mit einer Bedeutung auf, denn für ihn ist sie ein Werkzeug des Dschihad.
Eingedenk all dieser gut nachvollziehbaren Argumentation, die davor warnt, vorschnell moralische Urteile einzuflechten, hätte man nicht doch dieser Waffentrainerin widersprechen können, die das feministische Argument macht mit der angeblichen Gleichberechtigung durch die Glock? Etwa: Die Wahrscheinlichkeit von der eigenen Waffe verletzt oder gar getötet zu werden, ist hunderte Male höher als jene, jemals einem Einbrecher zu begegnen. Und fast alle Einbrecher fliehen, wenn sie jemandem im Haus begegnen. Oder: Die allermeisten Vergewaltigungen finden in der Familie statt und Gewaltopfer kennen in den meisten Fällen die Täter. Der Film verzichtet auf Hinweise diese Art, sondern lässt die illusorische Weltsicht jener Waffennärrin unwidersprochen. Warum?
Fritz Ofner: Die Leute in den USA sind von der NRA (National Riffle Association) geschult. Wenn man mit ihnen in eine diskurshafte Konfrontation geht, dann werden immer wieder dieselben Argumente abgerufen. Das hat mich nicht interessiert, in diese Art des Diskurses mit den Protagonisten einzusteigen, weil es viel zu vorhersehbar war, was sie sagen werden.
Ich habe aber versucht, diese Zusammenhänge über die Montage herzustellen. Gerade die Waffentrainerin ist gegengeschnitten mit Crime Scenes, der Aufdeckung der Spirale der Gewalt, und einmal ist sie mit weinenden Frauen in Chicago zusammengeschnitten, die den Tod der Opfer einer Schießerei betrauern. Ich habe versucht, die Argumentationen meiner Protagonisten auf Augenhöhe abzuholen und dann meine Deutung des ganzen auf der Ebene der Montage herzustellen.
In einem der besten Momente des Films wird der alte, von Marshall McLuhan schon thematisierte Spruch: "Nicht die Waffe ist schlecht, sondern derjenige, der sie benutzt" sehr gut widerlegt. Einer der Protagonisten meint, er habe begriffen, dass in der Waffe ein Dämon lebt. Das Tragen einer Glock habe ihn regelrecht "high" macht. Die Waffe löst scheinbar Allmachtsfantasien von Personen aus, die sich in einer faschistischen Welt des Kampfes aller gegen alle wähnen. Und nur ganz wenige finden durch eigenes Leid da heraus. Wie dieser eine Mann im Film, der dann plötzlich eine Stimme hört, die ihn bekehrt.
Fritz Ofner: Das mit dem Dämon war etwas Besonderes. Ich bin bei meiner Recherche jemandem in Chicago begegnet, der meinte, in dieser Waffe lebe ein Dämon. Mit der Frage nach dem Dämon habe ich dann einen der Protagonisten des Films konfrontiert. Das ist ja ein wenig eine "Herr-der-Ringe"-Diskussion. Hat der Ring eine dunkle Macht in sich, die einen Einfluss auf den Besitzer ausübt? Auf dieses Argument konnte der Protagonist dann sogleich einsteigen und fand eine Referenz auf sein eigenes Leben.
Er ist ja auch einer der ganz wenigen Aussteiger.
Fritz Ofner: Ja, er ist der einzige, der wirklich sagt, er war nach dieser Waffe süchtig. Und andererseits dass er diese Sucht zurücklassen konnte. Er betreibt seit Jahren ein Boxprogramm auf den Straßen Chicagos und versucht, Jugendliche aus den Gangs zu holen und ihnen Boxunterricht zu geben. Sein Motto ist: "Put down the guns and pick up the gloves." Legt die Waffe nieder und zieht die Boxhandschuhe an. Da leistet er ganz wichtige Grasroots-Arbeit, um die Jugendlichen aus den Gangs zu holen.
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