Gouverneur Saakaschwili droht nach Wahlen mit Massenprotesten
Der erfahrene "Rosenrevolutionär" ruft zu Protesten gegen "gefälschte" Bürgermeisterwahlen in Odessa auf
Zwei Züge von Kiew nach Odessa am Freitag, den 30. Oktober, sind komplett ausverkauft. Das hat das kritische Internetportal aus Odessa, Timer, herausgefunden. Das Internet-Portal will erfahren haben, dass Gouverneur Michail Saakaschwili und der am Sonntag bei den Bürgermeisterwahlen mit 24,5 Prozent der Stimmen unterlegene Kandidat Aleksandr Borowik, "Polit-Touristen" aus anderen Städten zu Protesten gegen angebliche Wahlfälschungen nach Odessa holen will.
Bei vielen Bürgern in Odessa wird diese Nachricht Assoziationen wecken, an den 2. Mai 2014. Damals waren 1.500 Maidan-Anhänger aus Kiew und Charkow - darunter viele Militante - mit Sonderzügen und Bussen nach Odessa gebracht worden. Am Abend brannte dann das Gewerkschaftshaus, in das sich 300 Menschen vor angreifenden Maidan-Militanten geflüchtet hatten (Die Tragödie von Odessa).
"Die Mafia" habe angeblich die Wahlen gefälscht
Das offizielle Ergebnis der Bürgermeisterwahl von Odessa wird von Gouverneur Michail Saakaschwili, dem Gouverneur des Gebietes Odessa, zu dem 26 Rayons gehören, nicht anerkannt. Saakaschwili unterstützte bei der Wahl nicht den Amtsinhaber Gennadi Truchanow, der 51,56 Prozent der Stimmen bekam, sondern den Kandidaten Aleksandr Borowik, der am Sonntag nur zweitstärkster Kandidat wurde. Die Wahlbeteiligung in Odessa lag bei nur 38 Prozent.
Einige Wahlprotokolle seien "mit der Hand" zugunsten des Amtsinhaber Gennadi Turchanow gefälscht worden, behauptete Saakaschwili auf einer Pressekonferenz am Dienstag. Indirekt beschuldigte der Gouverneur den neugewählten Bürgermeister der Zusammenarbeit mit "der Mafia". Die Wahlfälscher wären vom Paten "Angel" unterstützt worden, der "vor acht Tagen" extra mit seinem Privatflugzeug aus London nach Odessa gekommen sei, behauptete Saakaschwili, ohne Beweise vorzulegen.
Die "Technologie der Fälschungen" in Odessa sei die gleiche wie bei der Wahl 2004, als Viktor Janukowitsch zum ukrainischen Präsidenten gewählt wurde, erklärte Saakaschwili. Auf die Wahl von Janukowitsch folgte bekanntlich die orangene Revolution, die Janukowitsch stürzte.
Gouverneur mit revolutionären Absichten
Am Mittwoch trat Saakaschwili in Odessa auf einer Versammlung zur Gründung eines Komitees gegen Wahlfälschungen auf. Dabei heizte der Gouverneur kräftig mit heißen Reden gegen den Korruptions-Sumpf in der Stadt ein. Das klang mehr revolutionär als staatsmännisch.
Was Straßenproteste betrifft, kennt Saakaschwili sich aus. Mit der von ihm 2003 initiierten "Rosenrevolution", bei welcher der Präsident von Georgien, Eduard Schewardnadse, gestürzt wurde, leitete der Georgier, der 1994 eine Ausbildung an der Columbia-Universität in den USA absolvierte, den Reigen der "bunten Revolutionen" ein.
47,8 Prozent für Russland-freundliche Parteien im Stadtrat
Auch für Odessa plant Saakaschwili große Umwälzungen. Er redet viel vom Kampf gegen Korruption. Doch sein Hauptziel ist wohl eher, die Russland-freundlichen Kräfte in der Stadt zu entmachten. Diese sind nach wie vor stark.
Im neuen Stadtparlament von Odessa sind fünf Parteien vertreten. Die beiden Russland-freundlichen Parteien - "Glaube an die Taten" und "Oppositionsblock" - haben bei den Stadtratswahlen zusammen 47,8 Prozent der Stimmen bekommen. Die Partei von Bürgermeister Truchanow "Glaube an die Taten" bekam 33,3 Prozent und der Oppositionsblock 14,5 Prozent, die Partei von Präsident Petro Poroschenko dagegen nur 17,5 Prozent. Die Ukrainische Meeres-Partei bekam 6,9 und die rechtsnationale Samopomitsch 5,5 Prozent.
Michail Saakaschwili ist ein Mann der großen Auftritte. Zur Bürgermeisterwahl am Sonntag fuhr er - ganz europäisch - im Sportanzug mit dem Fahrrad vor. Wirkliche Verbesserungen für große Teile der Bevölkerung hat der Gouverneur, der seit 30. Mai im Amt ist, bisher nicht vorzuweisen.
Aufsehen erregte Saakschwili damit, dass er viele Beamten entließ und blutjunge Berufsanfänger auf Schlüsselposten setzte. Zur Leiterin des Zolls im Hafen von Odessa wurde von Präsident Poroschenko die 26jährige Julia Maruschewskaja ernannt. Maruschewskaja wurde berühmt im Februar 2014 durch den Pro-Maidan-Video-Clip "I am an Ukrainian", der 8,5 Millionen Clicks erreichte.
Anstatt konkreter Verbesserungen gibt es mit Saakaschwili vor allem Show. Kaum war er im Amt marschierte er an den Strand von Odessa und ließ einen Zaun einreißen mit dem sich ein Villenbesitzer seinen Strand abgesperrt hatte. Dann berief er die russische Oppositionspolitikern Mascha Gajdar, die Tochter des russischen Ex-Premiers und "Schocktherapeuten" Jegor Gajdar, zur Stellvertreterin. Mit US-Botschafter Geoffrey Pyatt und Republikaner McCain hielt er in einem Garten Pressekonferenzen ab. Auf antiken Stühlen räkelte man sich leger. Der neue Stil sollte Nähe zum Westen demonstrieren.
Gute Ergebnisse für Oppositionskandidaten in der Ukraine
Bei den Kommunalwahlen, die am Sonntag in der ganzen Ukraine mit zahlreichen Unregelmäßigkeiten stattfanden (Ergebnisse), schnitten die oppositionellen Kräfte nach den vorläufigen Ergebnissen gut ab. In den südöstlichen Regionen des Landes bekam der Russland-freundliche Oppositionsblock zwischen 15 und 46 Prozent der Stimmen.
Bei den Bürgermeisterwahlen in Dnepropretowsk belegte der Kandidat des Oppositionsblockes Aleksandr Wilkul mit 37,15 Prozent den ersten Platz und geht damit in die Stichwahl gegen den Kandidaten der rechtsnationalen Partei Ukrop, Boris Filatow, der 35 Prozent der Stimmen erhielt. In der ostukrainischen Stadt Charkow siegte der Amtsinhaber Gennadi Kernes, ein ehemaliges Mitglied der Partei der Regionen, mit 65,88 Prozent der Stimmen schon in der ersten Wahlrunde.