Graue Wölfe in Deutschland

Seite 2: Die Organisationen der Grauen Wölfe in Deutschland

Es gibt drei Dachverbände der Grauen Wölfe in Deutschland. Der älteste und größte ist mit ca. 7.000 Mitgliedern die "Türk Föderation" (ADÜTDF). Sie wurde 1978 in Frankfurt als verlängerter Arm der türkischen faschistischen Partei MHP gegründet. Unter ihr versammeln sich die meist als Kulturvereine getarnten Idealisten-Vereine und die von ihnen betriebenen Moscheen wie die Graue Wölfe-Moschee in Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg.

Weitere Dachverbände sind: der Verband der türkischen Kulturvereine in Europa (ATB), der etwa 20 Moscheevereine organisiert und der türkisch-islamistischen Partei der Großen Einheit (BBP) nahesteht und die Union der türkisch-islamischen Kulturvereine in Europa (Atib).

Die ATIB hat bundesweit ca. 11.000 Mitglieder und ist auch mit einem Atib-Vorstandsmitglied im Vorstand des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) vertreten. Die Zeitung Neues Deutschland kommentierte dazu:

"Im ZMD sind nur rund 20.000 der etwa 4,5 Millionen in Deutschland lebenden Muslime organisiert. Das sind 0,4 Prozent. Von diesen 20.000 Mitgliedern stellt Atib mit etwa 11.000 die Mehrheit."

Der ZMD sitzt auch in der Deutschen Islamkonferenz.

Dies zeigt, wie eng heute die Verbindungen der türkischen Faschisten mit Organisationen des politischen Islams sind. Im Dachverband Atib sind ca. 120 Moscheen organisiert, die sich gegenüber den deutschen Institutionen eher moderat geben und daher in zahlreichen Migrationsbeiräten und runden Tischen vertreten sind. Türkische Nationalisten, denen die "Türk Föderation" (ADÜTDF) zu radikal sind, finden hier ihr Betätigungsfeld, ohne das Milieu der Grauen Wölfe zu verlassen.

Atib und ATB stehen für das stärker islamische und bzw. islamistische Spektrum der Grauen Wölfe. Diese Gemengelage ist für Lokalpolitiker ohne fundierte Kenntnisse schwer zu durchschauen, da die jeweiligen Organisationen oft Mitglieder in den deutschen Wohlfahrtsverbänden sind und staatliche Förderungen erhalten. Diese Organisationen gelten dann als politisch korrekt.

Was im Hintergrund tatsächlich geschieht, wurde deutlich als der türkische Moscheen-Dachverband Ditib wegen der Bespitzelung seiner Moschee-Besucher in die Schlagzeilen kam. Ditib untersteht direkt der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Von dort werden aus Ankara die Freitagsgebete übermittelt und die Ditib-Imame werden von dieser Religionsbehörde nach Deutschland entsandt. Solche Imame hatten Informationen über Türkei-Kritiker an die türkische Regierung weitergegeben.

Die Linkspartei

Auch die Linkspartei hat seit Jahren gute Kontakte zum Zentralrat der Muslime (ZMD). Im März 2018 gab es ein Treffen des Geschäftsführenden Vorstands der Linkspartei mit dem ZMD, an dem auch die Generalsekretärin des ZMD, Nurhan Soykan teilnahm. Sie wurde von Außenminister Heiko Maas als Beraterin im Außenministerium gehandelt, nach Protesten verschiedener Migrantenverbände unter Hinweis auf Atib als Verband aus dem Spektrum der Grauen Wölfe jedoch zurückgezogen.

Ende Juni 2020 trat erneut ein Vertreter des ZMD auf einer Veranstaltung der Fraktion der Linken auf. Das verwundert schon, wenn in deren Parteiprogramm steht, "Antifaschismus als Grundhaltung bedeute das "Zurückdrängen aller extrem rechten, rechtspopulistischen und rassistischen Ideologien, Parteien und Bewegungen" sowie die "Bekämpfung aller althergebrachten und neuen Formen des Antisemitismus".

Die Grauen Wölfe verfügen in Deutschland auch über eine Jugendorganisation namens "Idealisten-Jugend" (türk.: Ülküclü Genclik). Der Verfassungsschutz sieht in ihnen eine große Gefahr:

"Ihre Feindbilder sind dazu geeignet, bei Jugendlichen zu einer Radikalisierung und Gewaltaffinität beizutragen. Jugendliche, die diese Inhalte in die örtlichen Jugendszenen oder auch in die Schulen hineintragen, sind emotionalisiert und bringen erhebliches Konfliktpotenzial in ihre Umgebung."

Hinzu kommen die mittlerweile verbotenen Rockergruppen "Turan e.V." und "Osmanen Germania", die ebenfalls den Grauen Wölfen nahestehen, bzw. gibt es auch personelle Überschneidungen. Mit dem Verbot der Rockergruppen sind ihre Mitglieder nicht verschwunden. Sie organisieren sich neu in Boxclubs, Tattoo -Studios etc.

Morde, Drohungen und gewalttätige Übergriffe

Nachdem der Deutsche Bundestag im Juni 2016 einen gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD und Grünen "zur Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916" angenommen hatte, wurden Bundespolitiker wie Cem Özdemir (Grüne) und Sevim Dagdelen (Linke) massiv bedroht und sogar Kopfgelder auf sie ausgesetzt wurde.

Der türkische Präsident Erdogan goss Öl ins Feuer, indem er Labortests für das Blut türkischstämmiger Bundestagsabgeordneter Abgeordneten forderte, die der Bundestagsresolution zum Völkermord an den Armeniern zugestimmt hatten.

Im Mai 2020 wurde in Dortmund der kleinwüchsige Kurde Ibrahim D. bei einem Streit von einem mutmaßlichem Grauen Wolf brutal zu Tode geprügelt.

Auch Armenier sind Angriffsziele der Grauen Wölfe. Im Juli 2020 wurde ein Brandanschlag auf die armenische Botschaft in Berlin verübt. Am 5. November wurden in Hannover Mitglieder der armenischen Marktkirche derart bedroht, dass der Gottesdienst mit einem Friedensgebet nur unter Polizeischutz stattfinden konnte.

Geistliche informierten Aeroype Isakhanvan, den Bischof der Armenischen Kirche in Deutschland über Drohbriefe an armenische Bürger mit folgendem Wortlaut: "Wir stehen zu unseren Brüdern aus Aserbaidschan und wir werden nicht zulassen, dass ungläubige Hunde Armeniens in Deutschland in Frieden leben", und weiter: "Wir kennen euch, wir wissen, wo eure Kinder sind, Tag und Nacht."

Türkischer Rechtsradikalismus wird unterschätzt

Kemal Bozay, Sozialwissenschaftler, beschäftigt sich mit dem Ultranationalismus der türkeistämmigen Bevölkerung in Deutschland. Er warnt davor, die Grauen Wölfe als Randthema zu bagatellisieren:

Es geht hier um demokratische Bildungsarbeit im Bereich des Rechtsextremismus, der ja auch in deutschen Schulklassen für Konflikte sorgt.(…) Wenn ein türkischstämmiger Schüler die Klasse verlässt, weil kritisch über die Grauen Wölfe gesprochen wird, dann hat die ganze Klasse ein Problem und wir müssen uns damit beschäftigen.

Kemal Bozay

Deutschtürkische Jugendliche würden empfänglicher für extremes Gedankengut werden, wenn sie Diskriminierung und Rassismus in Deutschland erleben, ähnlich wie dies bei der Radikalisierung durch Salafisten geschieht, warnt Bozay. Der Deutschlandfunk berichtet über einen 14-jährigen, der im Fußballverein für die Grauen Wölfe rekrutiert wurde und schließlich Brandanschläge auf kurdische Vereine verübte.

In jüngster Zeit erhielten linke Politikerinnen, Journalisten, sowie ein Vertreter der Aramäer in Deutschland Drohbriefe folgenden Inhalts: "Gute Nacht, der Tod wird dich finden - Jitem." Die Drohung ist mit einem Bild versehen, auf dem ein Mann ein Schnellfeuergewehr hält. Zusätzlich schickt der Account Videos, auf dem ein Leichnam an ein Auto gebunden ist und über den Asphalt geschleift wird. Währenddessen ruft eine Stimme "Ich ficke deine Mutter, du Sohn einer Hure". Der Absender: "Jitemci.turkeyy".

Der Accountname spielt auf den berüchtigten türkischen Militärgeheimdienst JITEM an, der in den 1990er Jahren Tausende Menschen "verschwinden" ließ.

Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Fraktion im Bundestag, mahnte, dass weder Erdogans Nationalismus noch islamistische Gewalt in Deutschland etwas verloren habe. Er sprach sich wie viele Politiker quer durch alle Parteien neben dem Verbot radikaler islamistischer Moscheevereine auch für ein Verbot der Grauen Wölfe aus. Sie seien die "größte rechtsextreme Bewegung in Deutschland" und "Erdogans verlängerter Arm nach Europa", sagte Müller. "Sie hetzen gegen Kurden, gegen Armenier, gegen alle, die für sie nicht 'wahre Türken' sind."

Der Islambeauftragte des Erzbistums Hamburg, Pater Richard Nennstiel mahnte, nicht naiv und blauäugig im Dialog mit islamischen Verbänden in Deutschland zu sein. Im Zentralrat der Muslime sei die Crème de la Crème des politischen Islam versammelt. Dabei hat er vor allem die Dachorganisationen Ditib und Milli Görüs im Auge, denen er Doppelbödigkeit im Umgang mit Menschenrechten und Grundsätzen der Demokratie vorwarf. Die Warnungen von allen Seiten vor Bitib und Milli Görüs scheinen bei den Parteien, selbst bei den Grünen, nur langsam anzukommen.

Die Grünen stellten in Bielefeld Selvet Kocabey als Kandidaten zur Wahl auf, obwohl bekannt war, dass er dem Vorstand einer Moscheegemeinde angehörte, die zur Milli-Görüs-Bewegung gehört. Der Verfassungsschutz stuft Milli-Görüs als islamistisch, nationalistisch und partiell antisemitisch ein. Nachdem es bundesweit Kritik von den Medien und einiger Grünen-Politiker gab, legte Kocabey zwar sein Vorstandsamt nieder, seine Kandidatur bei den Bielefelder Grünen hielt er aufrecht.

Trotz aller Enthüllungen und Warnungen ist nicht davon auszugehen, dass Innenminister Horst Seehofer (CSU) ein Verbot der Grauen Wölfe forciert. Das Argument, man könne keine Bewegung, sondern nur Vereine verbieten, ist richtig. Aber man kann die Dachverbände oder einzelne "Idealistenvereine" verbieten. Beweise über rechtsradikale Umtriebe der "Idealistenvereine" gäbe es genug.

Der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Migrantenverbände (Bagiv), ein Dachverband von Migrantenorganisationen, kritisierte die Zusammenarbeit des Innenministers mit dem Zentralrat der Muslime wegen deren Verbindungen zu den Grauen Wölfen: "Herr Seehofer sollte erklären, warum er einerseits sagt, dass Rechtsextremismus das größte Problem ist, aber hier scheinbar bei türkischen Rechtsextremisten einen Unterschied macht", sagte Bagiv-Präsident Ali Ertan Toprak, selbst CDU-Mitglied.

"Niemals könnte es sich ein Bundesinnenminister leisten, deutsche Rechtsradikale so zu hofieren. Aber komischerweise stört sich niemand daran, dass Seehofer National-Islamisten hofiert", sagte Toprak. "Diese kulturrelativistische Doppelmoral ist unerträglich."