Great Game im Mittelmeer

Seite 2: Eldorado im Mittelmeer

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Eni hat indes noch andere Gasfelder in der Region: Seit 2013 ist das Unternehmen in Zypern auf den Gasfeldern 2, 3, 6, 8, 9 und 11 engagiert. Fünf werden bereits betrieben. Anfang Februar teilte das Unternehmen mit, neue Gasfunde in Block 6 gemacht zu haben. Eni hält 50 Prozent an Block 6, die anderen 50 Prozent gehören dem französischen Unternehmen Total.

Und auch vor der Küste des Libanon ist Eni aktiv. Ebenfalls Anfang Februar schloss das Unternehmen einen Vertrag mit dem libanesischen Staat. Zusammen mit Total (40 Prozent) und dem russischen Unternehmen Novatek (20 Prozent) erschließt Eni die Rohstoffvorkommen in Block 4 und 9, die vor der Küste des Libanon liegen.

In Ägypten wiederum ist Eni schon seit 1954. Seinen größten Coup machte das Unternehmen dort im August 2015, als es in ägyptischen Hoheitsgewässern das Gasfeld Zohr entdeckte. Es ist das wohl größte Gasfeld im Mittelmeer.

Aktuell hält Eni dort noch 60 Prozent, nachdem es 30 Prozent an das russische Unternehmen Rosneft verkauft hatte. Die restlichen zehn Prozent hält die britische BP.

Energie-Exporteur Israel

Wie sehr die Entdeckung von Erdgas im östlichen Mittelmeer die geostrategische Landschaft umgekrempelt hat, zeigt das Beispiel Israel, das quasi über Nacht von einem Energieimporteur zu einem möglichen Erdgasexporteur geworden ist. Die Vorkommen vor der Küste müssen allerdings erst noch erschlossen werden.

Einen ersten Schritt hat Israel gerade gemacht: Das amerikanische Unternehmen Noble Energy, jeweils größter Anteilseigner an den israelischen Erdgasfeldern Leviathan und Tamar, hat kürzlich einen Vertrag darüber abgeschlossen, Ägypten mit Erdgas zu beliefern.

Geliefert werden sollen zehn Jahre lang 1,15 Billionen Kubikfuß Erdgas je Gasfeld. Ägypten hat zwar, siehe oben, selbst Erdgas, verbraucht aber auch viel. Wie das Erdgas an den Nil kommt, ist allerdings noch unklar. Entsprechende Abkommen und Regelungen zur Erdgasförderung und bezüglich des Baus von Pipelines müssten erst noch getroffen werden, hieß es.

Noble Energy hält an Leviathan und Tamar 39,66 Prozent bzw. 32,5 Prozent. Hier funktioniert die Zusammenarbeit also, Israel nutzt seine neuen Rohstoffvorkommen, um neue Bande zu knüpfen.

Isolierte Türkei

Im Falle von Zypern steht so eine Zusammenarbeit indes noch aus. Der Streit beeinträchtigt auch das Verhältnis der Türkei zur EU sowie zu Ägypten. Zypern werde die Vertiefung der Zollunion mit der Türkei in der EU blockieren, kündigte der scheidende Außenminister Ioannis Kasoulides an.

Auch Liberalisierungen bei den Visa-Bestimmungen oder die Eröffnung neuer Kapitel in den EU-Beitrittsverhandlungen werde Zypern blockieren, wenn die Türkei ihre "völlig unakzeptable" Politik fortsetze.

Zypern brachte den aktuellen Konflikt auch beim Treffen der 27 Staats- und Regierungschefs am 23. Februar in Brüssel auf die Tagesordnung. Im Namen aller Mitglieder drücke er seine Solidarität mit Zypern aus, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk nach dem Treffen. Zypern habe das "souveräne Recht", seine Rohstoffvorkommen auszubeuten, sagte er weiter. Vor dem Treffen hatte Außenminister Ioannis Kasoulides angekündigt:

Unsere weiteren Schritte hängen von der Reaktion des Rates ab. Wie Sie verstehen, können wir nicht untätig bleiben. Wir behalten uns eine Erklärung nach dem Ratstreffen in Brüssel vor.

Ioannis Kasoulides

Aber nicht nur die EU, auch Ägypten sieht sich von der Krise im östlichen Mittelmeer betroffen. Kairo argumentiert, dass die Türkei das Abkommen verletzt, dass Ägypten und Zypern im Dezember 2013 über den Verlauf der Seegrenzen abgeschlossen haben. Der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu hatte am 4. Februar in einem Interview mit der griechischen Zeitung Kathimerini das Abkommen für "null und nichtig" erklärt, weil es die türkischen Rechte auf seinen Festlandssockel verletze.

Diese Äußerungen alarmierten Kairo. Außenamtssprecher Ahmed Abu Zeid warnte davor, die Souveränität Ägyptens infrage zu stellen. Hintergrund der Missstimmung ist auch, dass der türkische Präsident Erdogan den damaligen ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi von den Muslimbrüdern unterstützt hatte.

Dieser wurde jedoch 2014 von Abdel Fattah al-Sisi gestürzt, der heute Staatsoberhaupt am Nil ist. Die Türkei protestierte damals gegen Mursis Absetzung. Seither verschlechterten sich die Beziehungen, Ägypten suchte den Schulterschluss mit Zypern und Griechenland, der in 2016 auf einem Gipfel in Kairo besiegelt wurde.

Die Türkei steht also gegen alle anderen Mittelmeeranrainer. Einzig Eni-Chef Claudio Descalzi bemühte sich, die Brisanz der Lage herunterzuspielen. Sein Unternehmen werde warten, bis es eine diplomatische Einigung gebe.

Wir sind an die Möglichkeit von Streitigkeiten gewohnt. Wir haben auch nicht Libyen oder andere Länder verlassen, wo die Lage sehr verworren war.

Claudio Descalzi