Greenpeace besetzt Star-Wars-Radarstation
Aktivisten halten seit mehr als 24 Stunden auf dem Gelände von Menwith Hill aus
Greenpeace-Aktivisten besetzen seit gestern, Dienstag, die Abhörstation Menwith Hill in North Yorkshire, England. Die Station, die derzeit hauptsächlich für das Abhören von Satelliten-, Fax und E-Mail-Kommunikation verwendet wird, spielt eine entscheidende Rolle für das Vorhaben der USA, ein Raketenabwehrsystem zu errichten. Greenpeace möchte mit der Aktion vor allem Druck auf die britische Regierung ausüben, deren Zustimmung für die Nutzung von Menwith Hill benötigt wird.
Am Dienstag in den frühen Morgenstunden besetzten ca. 100 Aktivisten aus Großbritannien, Dänemark und den USA das Gelände, auf dem fast ausschließlich US-Personal Dienst versieht. Laut Angaben von Greenpeace UKwar es erstaunlich einfach, in das Hochsicherheitsgelände einzudringen. 30 Aktivisten kamen durch den Haupteingang, wo nur zwei Wachleute Dienst versahen, 20 von ihnen ketteten sich später an einen Wasserturm. Anderen gelang es, die Zäune rund um das Gelände zu überwinden, ein gut ausgerüsteter Aktivist kletterte auf einen Radarturm und verbrachte dort die Nacht. Speziell ausgerüstete Militärpolizei aus Schottland begann gestern mit der Evakuierung der Besetzer, doch nachdem diese zunächst von Erfolg gekrönt schien, drangen heute in den frühen Morgenstunden erneut ca. ein Dutzend Greenpeace-Leute ein. Drei von ihnen besetzten weitere Radartürme.
"Wir möchten eine deutliche Botschaft an George Bush senden, dass sein Star-Wars-Programm hier nicht willkommen ist", sagte William Peden, Leiter der internationalen Abrüstungskampagne von Greenpeace. "Der Stützpunkt in Menwith Hill wird als die "Augen und Ohren" des Programms bezeichnet", fuhr er fort, "wir möchten, dass jeder unsere Ablehnung hört und sieht". Greenpeace führt eine internationale Kampagne gegen das unter dem Namen "Son of Star Wars" bekannte Raketenabwehrsystem. Greenpeace befürchtet, dass durch das Programm ein neuer Rüstungswettlauf mit Nuklearstaaten wie Russland und China ausgelöst wird. Die britischen Aktivisten befürchten darüber hinaus, dass ihr Land zu einem Ziel für potentielle Angreifer wird, weil diese zuerst versuchen würden, die Nachrichtenübermittlungsstation auszuschalten.
Greenpeace-Aktivistin Helen Wallace sagte, "wir halten unsere Besetzung des Horchpostens Menwith Hill aufrecht, weil George W Bush die Botschaft verstehen muss, dass er nicht einfach andere Länder herumkommandieren und Abrüstungsverträge in der Luft zerreißen kann". Star Wars würde gegen den ABM-Vertrag verstoßen. Neben Präsident Putin haben auch die meisten westlichen Länder ernsthafte Bedenken gegen das Programm vorgebracht, das von den USA aber unbeirrt verfolgt wird. Die Haltung der britischen Regierung ist weniger eindeutig. Premierminister Tony Blair wollte sich vor den britischen Unterhauswahlen auf keine klare Position festnageln lassen, seine Pressesprecher haben jedoch grundsätzliche Unterstützung signalisiert. Die bei Redaktionsschluss fortdauernden Proteste sind daraufhin ausgerichtet, die Feierlichkeiten zum amerikanischen Unabhängigkeitstag am heutigen 4.Juli zu vermiesen.
Die Briten verfolgen seit dem Zweiten Weltkrieg eine Politik der "special relations" mit den USA, vor allem im militärischen und nachrichtendienstlichen Bereich. Das Grundstück, auf dem Menwith Hill errichtet wurde, gehört eigentlich der Krone und wurde durch das Verteidigungsministerium an die National Security Agency vermietet. An die 1000 NSA-Mitarbeiter versehen dort Dienst, ohne dass die Briten genau wüssten, was die US-Dienste im Detail anstellen. Der Horchposten gilt auch als eine der zentralen Stationen im globalen Abhörsystem Echelon. Auch der lokale Widerstand gegen Menwith Hill ist in den letzten Monaten stark gewachsen. Lokale Behörden beklagten vor einigen Wochen, dass sie keine Möglichkeit haben, auf die Bautätigkeit zum Zweck der Erweiterung von Menwith Hill Einfluss zu nehmen. Neben Menwith Hill würde eine weitere Abhörstation in Yorkshire, Flyingdales, für Star Wars eine Rolle spielen, ebenso wie eine Station in Thule, Grönland, das dänischer Administration untersteht.