Griechenland: Es steht viel auf dem Spiel
Seite 2: Theorie der Goldfische und Kindergeld "nur für Griechen"?
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Beide Kontrahenten, Tsipras und Mitsotakis, versprechen in der Endphase des Wahlkampfs ihrer Zielgruppe alles Mögliche und Unmögliche.
Steuererleichterungen, höhere Löhne und hunderttausende Arbeitsplätze werden ebenso versprochen, wie Kindergartenplätze für alle, eine kostenlose medizinische Versorgung auf höchstem Niveau für die Versicherten und natürlich die Sicherheit der Renten, die in den letzten Jahren so oft gekappt wurden, dass eine Zählung kaum mehr möglich ist.
Dabei decken sich viele Versprechen des nominell linken Tsipras mit denen von Mitsotakis. Letzterer gibt sich als gemäßigter Liberaler mit sozialem Gewissen. Fast entsteht der Eindruck, dass Mitsotakis Tsipras von der linken politischen Flanke angreifen will. Er verspricht ein bedingungsloses Grundeinkommen für die Armen.
Sein Vorschlag zur Förderung von Familien zeigt jedoch eindeutig den politischen rechten Charakter des wahrscheinlich künftigen Premiers. Mitsotakis verspricht ein Kindergeld von 2000 Euro pro Kind. Dieses soll es aber nur für die Kinder geben, deren Eltern die griechische Staatsbürgerschaft haben. In Griechenland lebende und steuerzahlende EU-Bürger bleiben ausgeschlossen, obwohl es eindeutige Grundsatzurteile des Europäischen Gerichtshofs gibt, die genau solche Diskriminierungen verbieten.
Schließlich möchte Mitsotakis die Bedingungen des Sparprogramms Griechenlands neu verhandeln. Er, der 2015 zusammen mit den Vertretern von KinAl und To Potami zur Unterschrift unter das dritte Rettungsprogramm drängte, hat nun entdeckt, dass der von den Kreditgebern vorgeschriebene Sparkurs keine wirtschaftliche Erholung des Landes erlaubt.
Zum üblichen Procedere griechischer Wahlen gehört auch, dass sich die Parteien, die in den vergangenen Jahren regiert haben, gegenseitig ihre Skandale und Affären aufzählen. Hier haben die Nea Dimokratia und KinAl (PASOK) zwar die längeren Sündenregister, die Skandale von Tsipras sind aber frischer.
Die Griechen umschreiben dieses Phänomen gern mit der Theorie der Goldfische. Diese würden sich nach einer Runde im Aquarium nicht an die vergangene Runde erinnern und würden daher noch einmal eine Runde drehen. Nach dem gleichen Muster würden die Griechen ihre Regierungen wählen.
Koalitionsaussagen
Im Dipol der wechselnden Regierungsparteien hat Syriza nicht nur viel politisches Personal, sondern auch die Rolle der einst stolzen sozialdemokratischen Pasok übernommen. Tsipras versuchte daher in der vergangenen Woche gleich mehrfach, die alten Stammwähler der Pasok anzusprechen. Sie sollten sich vor Augen halten, was der legendäre Parteigründer Andreas Papandreou heute wählen würde.
Tsipras zielt darauf ab, dass die zur Kleinpartei gewordene KinAl im Zweifel höchstwahrscheinlich eine Koalition mit Mitsotakis eingehen wird. Die KinAl-Vorsitzende Fofi Gennimata bestreitet dies. Sie stellt Mitsotakis für den Fall des Falles nur eine Duldung in Aussicht.
Yanis Varoufakis sieht sich in der Lage, mit jedem zu koalieren, mit dem er Einigkeit über seine Ziele erreichen kann. Die Kommunistische Partei will weder mit Mitsotakis noch mit Tsipras koalieren, da sie beide als Vertreter der gleichen Politik ansieht.
Mitsotakis hingegen schließt eine Koalition mit den Rechtspopulisten der Griechischen Lösung rigoros aus. Er hat sich als weiteres Wahlziel auf die Fahnen geschrieben, sowohl die Goldene Morgenröte als auch die Griechische Lösung "aus dem Parlament zu werfen".
Eine große Koalition erscheint momentan unmöglich.