Griechenland: Orthodoxe Ostern mit Covid-19

Karfreitagsprozession 2017 in Athen - ebenfalls verboten in Corona-Zeiten. BIld: W. Aswestopoulos

Keine Lockerung der Maßnahmen in Sicht

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Die Covid-19 Pandemie läuft in Griechenland bislang relativ glimpflich ab. Als Hauptgrund dafür wird die schnelle Reaktion der Regierung bei der Ergreifung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen genannt. Die Verantwortlichen, allen voran Professor Sotirios Tsiodras, der als Wissenschaftler die Kommission des Gesundheitsministeriums zu Covid-19 leitet, warnen vor jeglicher verfrühter Lockerung der Quarantänemaßnahmen.

Ostern einmal anders

Besonders viel Angst hat die Regierung vor dem orthodoxen Osterfest, welches am Wochenende gefeiert wird. Gewöhnlich sind die Ostertage, das höchste religiöse Fest, eine Gelegenheit für viele Griechen, im Kreis ihrer Familie und Freunde zu feiern. Traditionell führt dies normalerweise über die Ostertage zu regem inländischen Reiseverkehr, per Auto, per Bus, per Zug, per Schiff und per Flugzeug.

Auf die Schiffe zu den Inseln kommen Einwohner Griechenlands derzeit nur, wenn sie mit Hilfe ihrer Steuererklärung nachweisen können, dass sie auf der Zielinsel ihren Lebensunterhalt verdienen. Allerdings gibt es dann keinen Weg zurück aufs Festland. Die gleiche Regel wurde auch auf Überlandfahrten erweitert. Die Änderung des steuerlichen Wohnsitzes ist während der Corona-Krise nicht mehr möglich.

Professor Tsiodras beschwört die Bürger, dass sie für ein paar Tage Osterfeiern nicht das bisher in Wochen der Entbehrungen erreichte Ziel gefährden sollten. Trotzdem gibt es immer wieder Bürger, die mit den aberwitzigsten Ideen versuchen, trotzdem Ostern im Heimatdorf zu feiern. So gibt es eine Familie im Großraum Athens, welche die Großmutter vor einigen Tagen zurück ins Dorf geschickt hat. Die Großmutter ist im Dorf steuerlich angemeldet, lebte aber seit Monaten bei ihren Kindern und Enkeln in der Hauptstadt. Mit der Ausnahmeregel, einem "alten oder gebrechlichen Verwandten Beistand zu leisten" möchte die Familie nun die Reise ins Dorf riskieren.

Wer an einem der zahlreichen Kontrollpunkte der Polizei erwischt wird, riskiert pro Person 300 Euro Strafe, sowie Führerscheinentzug und Demontage der Nummernschilder für zwei Monate für den Autobesitzer. Weil es trotz der drastischen Strafen immer noch welche gibt, die den Trip riskieren, ist nun für die Ostertage entweder ein komplettes Ausgehverbot, ohne Ausnahmen, sowie ein landesweites Fahrverbot im Gespräch. Grillen, auch auf dem eigenen Grundstück, ist verboten. Besuche bei Nachbarn oder Verwandten sind ebenfalls nicht gestattet. Die Polizei wird zum Osterfest mit all ihren technischen Mitteln, offenbar auch mit dem Einsatz von Drohnen, die Bevölkerung überwachen.

Zudem sind die Friedhöfe im Land für den Publikumsverkehr geschlossen, so dass auch der traditionelle Besuch der Gräber an Karfreitag ausgeschlossen ist. Premierminister Kyriakos Mitsotakis widmete in seiner fünften Ansprache während der Corona-Krise einen Großteil seiner Rede dem für alle Griechen ungewöhnlichem Osterfest.

Die Regierung sieht sich zudem, entgegen der Ideologie der Nea Dimokratia, gezwungen, gegen die Kirche vorzugehen. Dies fällt ihr besonders schwer, zumal ein Großteil der Wähler traditionsbewusste, tiefgläubige Orthodoxe sind. Am vergangenen Wochenende, dem orthodoxen Palmsonntag, sorgten insgesamt einige bekannte Vorfälle mit Priestern und Kirchen für Aufregung. Auf der Insel Korfu fand sich eine Gruppe von Gläubigen, darunter die amtierende Bürgermeisterin, in einer Kirche ein, um dort der Reliquie des heiligen Spyridon die Ehre zu erweisen. Alle, auch die Bürgermeisterin, müssen nun vor Gericht erscheinen, weil sie gegen das Versammlungsverbot verstoßen haben.

Im Athener Viertel Koukaki spendete ein Priester Gläubigen das heilige Abendmahl. Auch hier schritt die Staatsanwaltschaft ein. Die Gläubigen haben gegen die Ausgangsbeschränkungen verstoßen, weil eine Ausnahmeerlaubnis für den Besuch von Kirchen nicht vorgesehen ist. Ob aber der Priester, der sich zwei Tage vor einer Verhaftung versteckte und somit ein Verfahren vor einem Schnellgericht verhinderte, tatsächlich eine Straftat beging, muss noch geklärt werden. Erzbischof Ieronymos meldete sich zu Wort und gab zu bedenken, dass das Abendmahl, das in der orthodoxen Kirche mit einem Löffel auf einem für alle gemeinsamen Kelch gereicht wird, nicht verboten ist. Das Abendmahl sei etwas anderes als eine gewöhnliche Versammlung von Menschen, erklärte Ieronymos.

Wer in den Quarantäneerlassen der Regierung nach einem expliziten Verbot des Abendmahls sucht, wird nicht fündig, wie der Bischof von Piräus, Seraphim, treffend bemerkte. Der erzkonservative, aber hochgebildete Seraphim ist unter anderen auch studierter Jurist. Der Bischof von Nafpaktos, Ierotheos, bat dagegen den Staat um Nachsicht, wenn der eine oder andere Gläubige doch den Weg in die Kirche finden würde.

Wie jedes Jahr soll auch in Corona-Zeiten, das in der Grabkirche in Jerusalem entzündete Osterlicht per Sonderflug und mit den Ehren eines Staatspräsidenten nach Griechenland gebracht werden. Nur kann es nicht, wie in den Jahren zuvor, verteilt werden.

Die regierungskritische Presse sucht gezielt nach Politikern der Nea Dimokratia, welche den Pflichten eines gläubigen Christen trotz Corona nachgehen. So wurde auch in Thessaloniki ein Kommunalpolitiker beim Kirchgang erwischt. Die Denunziation von politischen Gegnern ist allerdings in allen politischen Lagern verbreitet.

Die Polizei ist Bürgerrechtlern gegenüber in der Regel nicht besonders freundlich eingestellt. So bekamen drei Ärzte eine Anzeige wegen "verbotenen Gangs in die Öffentlichkeit", als sie auf einer Polizeiwache in Peristeri bei Athen erschienen, um die dort im Kerkerraum inhaftierten Gefangenen medizinisch zu betreuen.

Auf der Wache befanden sich Asylbewerber auf engstem Raum in einem Zimmer ohne sanitäre Einrichtungen eingesperrt. Es gab Presseberichte über einen Hungerstreik aus Protest gegen die gerade in Corona-Zeiten noch gefährlicheren Haftbedingungen. Die Ärzte waren durch die Presseberichte alarmiert, konnten aber keine telefonische Benachrichtigung durch die Insassen, denen das Mobiltelefon abgenommen wurde, nachweisen. Dies wiederum führte zur Bestrafung der Ärzte, obwohl Mediziner für ihre Arztbesuche formal freies Bewegungsrecht genießen.

Die Gefährdung sozialer Randgruppen durch CoVid-19

Die Haftbedingungen sind nicht nur auf Polizeiwachen, sondern auch in den Haftanstalten im gesamten Land erschreckend schlecht. In seiner Verzweiflung wandte sich der Lehrer Petros Damianos mit einem offenen Brief an Professor Tsiodras. Damianos lehrt seit 26 Jahren in Haftanstalten, aktuell im Jugendgefängnis von Avlona. Dort befinden sich 277 minderjährige Straftäter, die sich 110 Betten teilen müssen. "Social distancing" und hygienische Schutzmaßnahmen sind unter solchen Bedingungen unmöglich. Damianos berichtet, dass ihm ähnliche Zustände aus allen griechischen Haftanstalten bekannt sind. Er betont, dass der Staat Verantwortung für die Gesundheit der Häftlinge habe.

Hinsichtlich der Flüchtlinge und Immigranten auf den Inseln gibt die Regierung langsam dem internationalen öffentlichen Druck nach. Die in den überfüllten Lagern befindlichen gesundheitlich besonders gefährdeten Personen sollen aufs Festland überführt oder in Hotels untergebracht werden. Gefahr droht jedoch wegen eines Framings der Presse. So berichtete die Kathimerini, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gezielt mit Corona infizierte Flüchtlinge und Migranten auf die griechischen Inseln schicken würde. Die Kathimerini berief sich in ihren Anschuldigungen auf Kreise der Regierung, die aber nicht namentlich benannt wurden. Seitens der Regierung gab es ein Dementi aus dem Immigrationsministerium. Dennoch wird das Gerücht auch in Fernsehnachrichten von Privatsendern weiter verbreitet.

Die Presse wählt teilweise plakative, eindeutig negativ konnotierte Vokabeln, um in der Corona-Krise mit ihren Schlagzeilen zu punkten. Die Bewohner einer Roma-Siedlung bei Larissa wurden in der vergangenen Woche als "hygienische Bombe" bezeichnet, nachdem ihre Siedlung wegen zahlreicher Covid-19-Infektionen unter Quarantäne gestellt wurde.

Daher war die Aufregung in einem Roma-Viertel bei Xanthi verständlich. Dort wurde bei einem Säugling eine Infektion festgestellt. Die danach durchgeführten 326 Tests fielen zum Glück negativ aus. Das führte bei den Roma in Xanthi zu einer ausgelassenen Stimmung und zum gemeinsamen Jubel. Dabei wurde der Abstand von 1,5 Metern zwischen den Jubelnden nicht eingehalten, wie die Zeitung "To Proto Thema" bemängelte. Erneut sahen sich die Roma als "öffentliche Gefahr" gebrandmarkt.

Zu den Leidtragenden der Krise zählen schließlich auch die onkologischen Patienten. Sie müssen im wegen Corona überlasteten Gesundheitssystem auf ihre Therapie warten. Dass "zwei, drei Monate Pause" der Chemotherapie für einige Patienten lebensgefährlich sein können, wird in den staatlichen Medien und der regierungsnahen Presse nicht erwähnt.

Wirtschaftlich drohen nahezu allen Griechen schwere Zeiten. Die befürchtete Rezession und der damit verbundene Anstieg der Arbeitslosigkeit können nach Ansicht pessimistischer Experten, wie auch vom Internationalen Währungsfonds, einschneidender sein als die Staatspleite von 2010. Dabei können Langzeitarbeitslose auf keinerlei Sozialhilfe hoffen. Wirtschaftsminister Adonis Georgiadis bestritt gar öffentlich die Existenz von Langzeitarbeitslosen. Im Interview beim Sender Kontra TV gefragt, warum es keine Hilfen für Langzeitarbeitslose gäbe, antwortete Georgiadis:

"Der Staat geht schrittweise von Dezember, November und September auf die Monate zurück, in denen er 155.000 Menschen erreicht [deren Arbeitslosenunterstützung in diesen Monaten auslief], weil wir glauben, dass jemand, der länger als diese Zeit arbeitslos überlebt, nicht existieren kann, wie Sie verstehen können." Der Journalist warf ein: "Ist so jemand ein gefakter Arbeitsloser?"

"Ich sage nicht, dass er ein gefakter ist. Aber wenn jemand für eine lange Zeit, 30, 40, 50 Monate arbeitslos ist und keine staatlichen Leistungen erhält, aber für eine lange Zeit arbeitslos gemeldet ist, überlebt er irgendwie auf andere Weise."

Auf Nachbohren des Journalisten antwortete Georgiadis: "Es sei denn, Sie hören zum ersten Mal von mir, dass es in Griechenland Schwarzarbeit gibt, und Sie niemals zuvor davon gehört haben."