Griechenland: Regierung vs Pressefreiheit

Seite 2: Reaktionen

Wie nicht anders zu erwarten, löste die Vorstellung der umstrittenen neuen Regeln Proteste seitens der Oppositionsparteien aus. Die Partei von Yanis Varoufakis, MeRa25, sieht im Plan einen "weiteren Schritt zur Orbanisierung".

Die kommunistische Partei titelte ihre Stellungnahme mit "Ziel ist es, die gegen die Bevölkerung gerichtete Politik 'mit Feuer und Eisen' durchzusetzen - Die Unterdrückung wird nicht gelingen!".

Die sozialdemokratische KinAl, früher Pasok, der Chrysochoidis lange Jahre als Abgeordneter und Minister gedient hatte, sieht im Plan einen billigen PR-Trick, der von den eigentlichen Problemen ablenken soll.

Für die größte Oppositionspartei des Landes, Syriza, ist der Plan eine "Rückkehr nach 1961". Die Partei verweist damit auf eine Periode der jüngeren griechischen Geschichte, in der die damaligen Polizeibehörden des Landes systematisch Sozialdemokraten und Linke verfolgten, körperlich angriffen und in der es auch zu Todesfällen kam. Damals regierte die Vorgängerpartei der Nea Dimokratia, ERE. Die ERE, Ethniki Rizospastiki Enosi (Nationale Radikale Vereinigung) war die Partei des Gründers der Nea Dimokratia, Konstantinos Karamanlis.

Die journalistischen Verbände des Landes protestierten innerhalb einer Stunde nach Bekanntgabe der neuen Maßnahmen. Die größte Journalistengewerkschaft Esiea rief in einem gemeinsam mit dem Verband der Pressefotografen verfassten und später auch von der Vereinigung der Auslandskorrespondenten unterschriebenen Brief den Minister zum Dialog auf.

Foto: Wassilis Aswestopoulos

In diesem Schriftstück äußern die Verbände:

"Widerspruch und Besorgnis über den neuen Nationalen Plan für die Verwaltung öffentlicher Versammlungen im Freien, den Sie in Bezug auf die Rolle und Anwesenheit von Journalisten bei öffentlichen Versammlungen vorgestellt haben. Mit der "Abgrenzung" von Journalisten, wie sie sich im obigen Plan widerspiegelt, erhält die Informationsfreiheit der Bürger, eine der Säulen der Demokratie, einen schweren Schlag. Um alle wichtigen Fragen des Plans zu klären, möchten wir uns so bald wie möglich mit Ihnen treffen."

In der Folge musste sich Chrysochoidis im Fernsehen den kritischen Fragen von Journalisten stellen. Chrysochoidis betonte immer wieder, dass seine Maßnahmen dem Schutz von Journalisten und Bürgern dienen sollten.

Während der Nachrichtensendung des Senders Mega TV konfrontierte ihn die Nachrichten-Anchorwoman Rania Tzima mit Videoaufnahmen einer Demonstration. Gezeigt wurde, wie Polizisten einem wehrlos am Boden liegenden Demonstranten mit Stiefeln gegen den Kopf traten. Chrysochoidis wich aus und verwies darauf, dass einzelne Bildersequenzen kein vollständiges Bild des Geschehens zeigen könnten.

Tzima beharrte auf eine Antwort auf ihre Frage, wie der Minister die offensichtliche übermäßige und unnötige Gewaltanwendung der uniformierten Bürgerschützer kommentieren würde. Chrysochoidis konterte, "wieso fragen sie so intensiv? Sind sie der Bürgerobmann?".

Zu später Stunde kam vom Ministerium eine Presserklärung zum Thema:

Nach den Ankündigungen von Berufsverbänden von Journalisten und Fotojournalisten bezüglich der heutigen Präsentation des Nationalen Plans für die Verwaltung öffentlicher Außenversammlungen wird Folgendes klargestellt:

1) Journalisten - Fotojournalisten können nach Belieben berichten und bei einer Versammlung dorthin gehen, wo sie möchten.

2) Außerdem wird vor der Versammlung ein Schutzort festgelegt, damit sie wissen, dass sie freiwillig Zuflucht suchen können, wenn sie im Falle von Zwischenfällen geschützt werden möchten.

3) Der Korrespondenzoffizier für Journalisten/Fotojournalisten ist so definiert, dass diese sich jederzeit an ihn wenden und um Hilfe bitten können, wenn sie sich in Gefahr fühlen oder wenn eine Bedrohung oder Verletzung vorliegt.

Es ist klar, dass die oben angekündigten Maßnahmen, die heute angekündigt wurden, nur Schutzmaßnahmen mit rein optionalem Charakter für Journalisten/Fotojournalisten sind.

Jede andere Interpretation ist, wenn nicht gar beabsichtigt, zumindest missbräuchlich.

Stellungnahme der griechischen Regierung

Bei der Presseerklärung des Ministeriums handelt es sich jedoch nur um eine Stellungnahme. Eine entsprechende Änderung der Durchführungsverordnung, in welcher die fraglichen Maßnahmen erwähnt werden, wurde nicht angekündigt.

Griechenland hat 320 Personen medizinisches Personal pro 100.000 Einwohner in privaten oder öffentlichen Einrichtungen. Demgegenüber stehen 500 Polizisten pro 100.000 Einwohner. Seit Jahresbeginn wurden zwei weitere Polizeieinheiten angekündigt. 1.000 neu einzustellende Uniformierte sollen die seit März 2020 wegen der Pandemie faktisch geschlossenen Hochschulen des Landes überwachen. Ziel ist es, die politische Betätigung von Studenten einzuschränken.

Eine noch unbekannte Anzahl von Polizisten soll eingestellt werden, um die öffentlichen Verkehrsmittel des Landes zu überwachen. Chrysochoidis kündigte am Donnerstag eine weitere neue Einheit unbekannter Stärke an. Diese soll für die Festnahmen bei öffentlichen Versammlungen zuständig sein.

Interessantes Detail am Rande ist, dass der heute regierende Premierminister Kyriakos Mitsotakis 2013 als Minister für Verwaltungsreform 1349 Beschäftigte aus dem Staatsdienst entließ. Deren Aufgabe war es, als nichtbewaffnete Wächter die Universitäten zu schützen.

Es handelte sich um eher schlecht bezahlte Angestellte, die keinerlei polizeiliche Befugnis hatten. Mitsotakis, der sich seinerzeit dem Sparplan unterworfen hatte, erschien ihre Tätigkeit unnötig.