Großbritannien soll für den Brexit zahlen

Seite 2: "Die Briten sollen sich warm anziehen"

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Auf Reformlinke wie den Ökonomen Rudolf Hickel) kann sich die Bundesregierung bei ihren harten Kurs gegenüber Großbritannien auf jeden Fall verlassen. Der sieht in einem Interview der harten Linie der Deutsch-EU gegenüber Großbritannien als Erziehungsfaktor.

Das war ja auch eine klare Aussage, da ist viel mit Populismus operiert worden, die Menschen wussten gar nicht so richtig, was sie da entscheiden, und jetzt in den Austrittsverhandlungen werden eigentlich erst mal die ökonomischen, sozialen Konsequenzen und die fiskalischen Konsequenzen des Austritts in Großbritannien jetzt richtig erst mal auch bekannt. Und ich setze einfach darauf, dass es so was gibt wie eine Gegenbewegung, dass man merkt - bei den jungen Leuten haben ja eh schon gegen den Brexit gestimmt - dass man da merkt, man hat eine Entscheidung getroffen, die ist katastrophal.

Rudolf Hickel

Damit jeder begreift, was Hickel damit meint, erklärt es noch mal:

Und deshalb würde ich immer sagen, die Verhandlungen müssen so geführt werden, dass es offen bleibt, dass der gesamte Prozess offen bleibt - jetzt nicht in Artikel 50, sondern Artikel 49, wie tritt man wieder ein in die EU - den immer offen zu lassen, um die Diskussion hierhin zu führen.

Rudolf Hickel

Der ewige Sozialdemokrat Hickel, der auch für einige Zeit mal als der Linkspartei nahestehend galt, erklärt hier unumwunden, die Menschen in Großbritannien, die die aus seiner Sicht falsche Entscheidung gefällt hätten, wären unwissend gewesen. Wenn ihnen nun die Konsequenzen durch besonders rigide Austrittsverhandlungen vor Augen geführt werden, könnten sie doch noch reumütig darum bitten, wieder in den erlauchten EU-Club aufgenommen zu werden. Da hat selbst der Moderator noch einmal nachgefragt:

"Müller: Herr Hickel, ich muss da mal nachhören: Sie sagen Opportunismus der britischen Premierministerin. Halten Sie das für opportunistisch, wenn demokratische Entscheidungen konsequent umgesetzt werden?

Hickel: Ja, ich halte es insoweit für opportunistisch, weil sich jetzt ja die Frage nicht mehr stellt. Generell, das würde ich dann akzeptieren als Entscheidung, aber schweren Herzens natürlich, aber jetzt, wie die Verhandlungen geführt werden, jetzt, was die Forderungen, die jetzt gestellt werden von Theresa May, um das Ganze auch sozusagen für die Briten wieder einigermaßen attraktiv zu machen, das ist für mich Machtpolitik und Opportunismus, und das geht natürlich nicht."

Eher eine Mafia als eine demokratische Organisation

Der Regierungslinke Hickel gibt hier ein gutes Beispiel des Demokratieverständnisses der Eurokraten. Er spricht von "ökonomischen, sozialen Konsequenzen und die fiskalischen Konsequenzen des Austritts", wenn er das von der Deutsch-EU formulierte Diktat meint, mit dem mögliche Nachahmer eines Austritts abgeschreckt werden sollen. Damit suggeriert Hickel, es handele sich um ökonomische, politische und fiskalische Naturgesetze und nicht um durch politische Machtverhältnisse diktierte Vorgaben.

Genauso haben Schäuble und Co. vor zwei Jahren gegen die griechische Regierung argumentiert, als sie das Austeritätsdiktat trotz Wahlen und eines Referendums exekutierten. Damals gehörte Hickel zu den prononcierten Kritikern der deutsch-europäischen Politik. Im Fall von Großbritannien gehört er zu den Epigonen des Machtblocks. Er macht das ganz klar deutlich:

Erst mal ist es so, sie geht zurzeit sehr konfrontativ vor, und das muss sie auch, weil natürlich immer sozusagen die Drittwirkungen bedacht werden müssen. Was mit Großbritannien passiert, hat am Ende natürlich auch eventuell Folgen für Länder, die beispielsweise Ähnliches vorhaben.

Rudolf Hickel

Nur könnten sich Hickel und die anderen Eurokraten mit ihrem Kalkül verrechnen. Denn eine Organisation, die zunächst gar keine Ausstiegsmechanismen hat und dann eine Austrittsverhandlung zur Schocktherapie macht, könnte in den Ruf geraten, sie handele im Grunde nicht wie eine demokratische Organisation, in der sich Staaten gleichberechtigt und auf Zeit zusammenfinden und jederzeit wieder trennen können. Strafen bei Austritt erinnern hingegen eher an die Mafia als an eine demokratische Organisation.