Großdemonstration und Generalstreik

Update: Ölkatastrophe entwickelt sich zur Regierungskrise in Spanien

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Drei Wochen nach dem der Öltanker Prestige vor der Küste Galiciens in Seenot geraten ist, beginnt die spanische Regierung zu handeln. Die Umweltkatastrophe bedroht nun auch Portugal und Frankreich und wird zur Existenzkrise der Regierung. Nach der Großdemonstration steht ein Generalstreik am 13. Dezember an.

Dass die größte Krise der spanischen Regierung ausgerechnet aus Galicien kommen würde, einer Hochburg der regierenden Volkspartei (PP), hatte Ministerpräsident Jose Maria Aznar wohl nicht erwartet. Doch die Wut, die sich seit dem Beginn der Umweltkatastrophe vor drei Wochen angestaut hat, wird für ihn zunehmend zur Zeitbombe. Am 13. November war der Öltanker Prestige, beladen mit 77.000 Tonnen, vor der Küste Galicien in Seenot geraten. Die Regierung hatte den Tanker aufs Meer geschleppt, statt ihn an Land zu holen und auszupumpen. Später ist er auf offenem Meer auseinander gebrochen und gesunken.

Vizepräsident Mariano Rajoy musste gestern einräumen, dass der Tanker noch immer Öl verliert. Damit wurde das endgültige scheitern Spanien Krisenbewältigung klar, die damit die Hoffnung beerdigt, dass große Teile des Öl in den Tanks bleiben würden.

Auslaufendes Öl des Tankers Prestige vor der Küste Galiziens. Das Bild wurde am 17.11. vom Satelliten Asar der Europäischen Weltraumbehörde ESA aufgenommen

Nachdem am Wochenende mehr als 200.000 Menschen auf einer Demonstration in Santiago den Rücktritt der Regierung verlangt hatten, bereiten sich Gewerkschaften nun auf einen Generalstreik am 13. Dezember vor. Mit dem Ausstand wollen sie gegen die Untätigkeit und Verharmlosung einer der größten Umweltkatastrophen in Spanien durch die Regional- und Zentralregierung protestieren. Zu dessen Vorbereitung hat sich gestern der Gewerkschaftsverband Galiciens mit der Plattform "Niemals Mehr" (Nunca Mais:www.nuncamais.org/) in Verbindung gesetzt, die die Demonstration organisiert hatte. Die Gewerkschaften wollen mit der Bevölkerung gegen die "Fahrlässigkeit, Unverantwortlichkeit und Unfähigkeit" der Behörden streiken.

Grund genug dafür gibt es: Fast drei Wochen wurde in Madrid so getan, als gäbe es keine Ölpest, obwohl schon belgisches Militär, deutsches THW und Spezialschiffe im Einsatz waren. Spaniens Militär- und Zivilschutzeinheiten glänzten dabei mit Abwesenheit. In diesem Zeitraum hatte sich kein Regierungsmitglied aus Madrid in Galicien sehen lassen.

So blieben der Bevölkerung dort bis heute selbst einfachste Hilfsmittel versagt, um der Ölpest zu begegnen, die fast tausend Kilometer der Küste erfasst hat. 16.000 Fischer und Tausende Helfer schöpfen zum Teil mit den eigenen Händen, ohne Schutzanzüge und Atemschutz, den giftigen Ölschlamm aus dem Wasser oder kratzen ihn von den Stränden.

Die sinkende Prestige. Foto: www.ecologistasenaccion.org

Es spricht für sich, dass Spanien, mit der längsten Küste Europas, über kein Schiff zur Ölbekämpfung verfügt. Dabei sind derlei Katastrophen nichts neues. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass Madrid gerade jetzt beginnt, die Fischer Galiciens für die Ölpest zu entschädigen, die vor zehn Jahren die Mar Egeo verursacht hat. Hatte sich damals die Marine an der Eindämmung der Schäden beteiligt, wurde sie bisher nicht eingesetzt. Es sind Spezialschiffe aus ganz Europa, auch das deutsche Neuwerk, welche die schwarze Flut bekämpfen.

Schwarzes Meer in Galizien. Foto: Greenpeace

Die spanischen Behörden haben bisher versucht das Ausmaß der Katastrophe weitgehend zu verheimlichen oder klein zu reden. Zudem haben sie nicht über die Gesundheitsgefährdung aufgeklärt. Dabei ist man sich darüber bewusst, welche Gefahren in der improvisierten Krisenbewältigung durch die Bevölkerung stecken, die mit den Fischernetzen und -booten verzweifelt versuchen, die schwarze Flut von den Küsten fernzuhalten. Die Regionalregierung Galiciens, die vom ehemaligen Minister der Franco-Diktatur Manuel Fraga Iribarne (PP) regiert wird, hat intern Hospitäler in Alarmbereitschaft versetzt, weil hochgiftige Bestandteile eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen, die mit dem Ölschlamm in Berührung kommen (siehe dazu die Informationen von Greenpeace)..

Greenpeace-Aktivisten beim Säubern eines Strandes

Den Angriffen der Opposition, die in Galicien die Vertrauensfrage im Parlament stellt und national die Regierung angreift, tritt Aznar mit der gewohnten Arroganz entgegen: Man habe alles Nötige getan, erklärte der Ministerpräsident. Auf die dauernde Forderung nach dem Einsatz der Streitkräfte, die auch der sozialistische Oppositionsführer, Jose Luis Zapatero, zuletzt gefordert hatte, erklärte der lapidar: "Die sind schon intensiv in der Region tätig". Den Kritikern warf der Ministerpräsident "Konfrontation und Wahlkampf" vor. Sein Stellvertreter Mariano Rajoy bedauerte fehlenden "Patriotismus" und bezeichnete Rücktrittsforderungen als "unverantwortlich". Nur zaghaft nimmt Fraga von dieser Linie Abstand. Der PP-Präsident Galiciens bat gestern um Entschuldigung, falls es irgendwelche Fehler gegeben habe.

Die Regierung hat jedenfalls eine merkwürdige Auffassung von intensiver Tätigkeit, denn erst nach den Worten Aznars wurden 500 Militärs zur Säuberung der Strände in Marsch gesetzt. Bisher waren gerade einmal 100 Soldaten im Einsatz, was aber nicht an deren Bereitschaft zur Teilnahme lag. Ein führender Offizier erklärte gegenüber der Zeitung El Pais, das Militär habe sich zum Einsatz bereit erklärt, sei aber von der Regierung abgewiesen worden. Dass Madrid nun zu Handeln begonnen hat, liegt einerseits an wachsenden Druck der Bevölkerung und andererseits an der Internationalisierung der Ölpest. Frankreich überlegt, seine Spezialschiffe abzuziehen, weil die Ölpest nun auch die französische Küste bedroht. Auch Portugal, das akut von der Ölflut bedroht ist, steht dem Treiben des Nachbarn zunehmend kritisch gegenüber.