Großer Test für die spanische Regierung in Andalusien
Zu gewinnen hat die gespaltene Linke in Südspanien nichts. Die Frage ist, wie tief die Parteien abstürzen, die die spanische Regierung stellen und welches Erdbeben die Ergebnisse auslösen
Es tobt ein heißer Wahlkampf in Andalusien vor den für ganz Spanien wichtigen Regionalwahlen am Sonntag. Es fällt eine Vorentscheidung über die zukünftige spanische Regierung. Gewöhnlich regiert von Madrid aus bald ganz Spanien, wer die Regionalwahlen in der bevölkerungsreichsten Region gewinnt. Die Ergebnisse könnten also in vorgezogene spanische Parlamentswahlen noch in diesem Jahr münden, statt des regulären Wahltermines im nächsten Frühjahr.
Heiß ist nicht allein der Wahlkampf, sondern auch das Wetter. Die erste große Hitzewelle mit Temperaturen bis zu 40 Grad hat die südspanische Region schon ungewöhnlich früh im festen Griff. Auf politischer Ebene wird vor allem unter den linken Parteien und ehemaligen Bündnispartnern mit harten Bandagen gekämpft.
Dass die rechte Volkspartei (PP) die Wahlen in der ehemaligen sozialdemokratischen Hochburg gewinnen wird, daran zweifelt eigentlich niemand mehr im Land. Eine Überschrift in der linken Internet-Zeitung eldiario.es machte das kürzlich unmissverständlich deutlich. "Die PP wird die Wahlen in Andalusien haushoch gewinnen", berichtet die Zeitung mit Bezug auf eine Umfrage.
Da einzelne Umfragen in Spanien, die sehr interessengeleitet durchgeführt werden, meist gar nichts sagen, ist es sinnvoller, einen Durchschnitt aus verschiedenen Umfragen zu ermitteln. Demnach hat die sehr konservative PP ihren Vorsprung vor den in Spanien regierenden Sozialdemokraten (PSOE) im Endspurt des sogar noch ausgebaut.
So käme der bisherige andalusische Regierungschef Moreno Bonilla auf etwa 37 Prozent der Stimmen. Als Wahlverlierer hatte sich Bonilla bei den vorgezogenen Neuwahlen 2018, als er noch auf knapp 21 Prozent kam, auch mit Unterstützung vom ganz rechten Rand zum Regierungschef wählen lassen. Stark waren vor dreieinhalb Jahren noch die ultranationalistische Ciudadanos (Cs) mit gut 18 Prozent.
Tabubrüche
Mit der Cs, der angeblich liberalen Schwesterpartei der FDP, musste Bonilla eine Koalition eingehen. Diese wurde gestützt von der ultrarechten Vox-Partei, einer Rechtsabspaltung der PP.
Das war der erste Tabubruch: Dass sich die PP (CDU-Schwesterpartei) von den ultra-katholischen Anhängern der Franco-Diktatur stützen ließ. Er geschah vor dreieinhalb Jahren in Andalusien und der Trend setzt sich seither verstärkt fort. Denn die neoliberale Cs hat abgewirtschaftet.
Sie muss nun sogar bangen, an der andalusischen Hürde von drei Prozent zu scheitern. Sie ist auch bei den Regionalwahlen in Madrid schon vor einem Jahr an der Hürde von fünf Prozent gescheitert, bei der auch die spanischen Regierungsparteien abgestraft. In Kastilien-León wiederholte sich das Debakel für die "Liberalen". Sie erreichten mit 4,5 Prozent im Februar gerade noch einen Sitz. Ihre Wähler wählen lieber das ultrakonservative Original PP oder die ultrarechte Vox.
Gemäß dem Umfragedurchschnitt braucht die PP auch in Andalusien die Ultrarechten zur Regierungsbildung. Die Vox-Spitzenkandidatin Macarena Olona, die sich erst kurz vor den Wahlen nach Andalusien umgemeldet hat, machte Bonilla unmissverständlich deutlich, dass ohne eine Vox-Regierungbeteiligung Bonilla nicht Regierungschef wird.
Wiederholen soll sich das Modell Kastilien-León. Dort hat die PP, in einem neuen Tabubruch, die Ultras in Kastilien-León schon in die Regierung geholt: Sie stellen Minister und den Parlamentspräsidenten.
Das linke Lager: Angst vor dem Absturz
Im linken Lager hofft man, den Absturz zu begrenzen. Der unbekannte PSOE-Kandidat Juan Espadas hofft, nicht sogar unter 25 Prozent abzusacken. Von stolzen 48 Prozent und einer absoluten Sitzmehrheit wie noch bei den Wahlen 2008 können die Sozialdemokraten nur noch träumen, die mit massiver Korruption in Andalusien aufgefallen waren.
Die Parteien links der PSOE, die vor vier Jahren gemeinsam mit Adelante Andalucía (Vorwärts Andalusien/AA) angetreten waren, treten nun aufgesplittert an, was das Wahlrecht hart bestraft. Podemos, die Vereinte Linke (IU) und andere Formationen treten unter der Marke Pro Andalucía (Für Andalusien) an, sie sollen aber mit knapp neun Prozent weit unter dem AA-Ergebnis von gut 16 Prozent bleiben.
AA tritt eigenständig erneut mit der früheren AA-Spitzenkandidatin Teresa Rodríguez an. Doch IU und Podemos hatten alles getan, um die Anführerin der Antikapitalisten an den Rand zu drängen, sie und ihre Mitstreiterinnen wurden sogar aus der Fraktion geworfen. Mit einem Einspruch beim Wahlrat versuchten die Ex-Genossen sie sogar von den Wahldebatten auszuschließen.
Das nicht entschuldbare Vorgehen blieb zudem erfolglos. Es zeigte aber, dass die gespaltene Linke eher Richtungskämpfe führt, anstatt sich gemeinsam gegen die aufsteigende faschistoide Vox mit der postfaschistischen PP zu stemmen.
Die Antikapitalisten wurden aber trotz allem behindert. Der Wahlrat verweigerte AA die Wahlkampfhilfe, da AA angeblich nicht der Nachfolger von AA bei den letzten Wahlen sei. Das ist absurd. In einem improvisierten Wahlkampf war AA auf Phantasie angewiesen, da sie nicht einmal Wahlplakate an Laternen aufhängen durfte.
Trotz der Behinderungen und der Ausgrenzungsversuche holt die Partei auf und soll nach Umfragen deutlich über fünf Prozent kommen. Die feministischen Antikapitalisten, die fordern, dass Andalusien endlich eine eigene Stimme erhält, könnte für Überraschungen sorgen.
Generalprobe für die Sozialdemokraten
Die Wahlen sind eine weitere Generalprobe für die Sozialdemokraten. Sollte die PSOE nach Madrid und Kastilien-Leon auch in der Ex-Hochburg weiter abstürzen, wird es noch enger für den Regierungschef Pedro Sánchez. Der hat ohnehin Mühe, seine bunte Unterstützertruppe beisammen zu halten.
Immer öfter ist er darauf angewiesen, Gesetze mit Stimmen aus der PP durchzubringen. Die wird aber mit einem Kantersieg in Andalusien die Dynamik nutzen, nicht mehr als Mehrheitsbeschaffer dienen, und schnelle Neuwahlen erzwingen wollen. Die Verabschiedung des Haushalts wird zur Nagelprobe.
Erzielt die Podemos-IU-Kandidatur kein Achtungsergebnis und stürzt wie in Madrid und Kastilien-León weiter ab, wird sie definitiv umschwenken müssen. In mehr als drei Jahren konnte die landesweite Marke Unidas Podemos (UP) nur wenig von den Versprechen gegenüber der PSOE durchsetzen.
Auch die neue "Breite Front", welche die UP-Chefin Yolanda Díaz nun aufbauen will, wäre schon vor dem Start angezählt. Denn Díaz hat sich zur Unterstützung von Por Andalucía und zur Ausgrenzung von AA entschieden.
Dass die gegen die Bündnispartnerin und Motor des Projekts Mónica Oltra ausgerechnet im Rahmen von Ermittlungen wegen mutmaßlicher sexueller Übergriffe ihres Ehemanns gegen eine Minderjährige ermittelt wird, ist ein neuer großer Stolperstein für das "feministische" Projekt. Die Vizepräsidentin der Regierung Valencias soll versucht haben, die Vorgänge zu vertuschen und unter den Tisch zu kehren.