Grüne sind an Redeverbot für Ex-Kanzler Schröder gescheitert

Das EU-Parlament hat den Änderungsantrag nicht in die Entschließung aufgenommen, in der die Abgeordneten Russland verurteilen, das Krim-Referendum als illegal betrachten und schärfere Sanktionen fordern

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Heute verabschiedeten die Abgeordneten des Europaparlaments eine Entschließung, in der sie im Gefolge der EU-Regierungen die "Invasion" Russlands verurteilen und die russische Regierung auffordern, die Truppen aus der Krim abzuziehen. Die "Aggression" Russland verletze internationales Recht und verstoße gegen das Budapester Memorandum von 1994, in dem die USA, Großbritannien und Russland Sicherheitsgarantien für die Souveränität und territoriale Integrität gegeben haben. Zudem würde das Verhalten "eine Bedrohung für die Sicherheit der EU" darstellen.

Das am Sonntag stattfindende Referendum über die Unabhängigkeit wird ebenso als illegal abgelehnt wie die selbsternannte Krimregierung, die das Referendum beschlossen hat. Die EU und die Mitgliedsstaaten müssten mit einer Stimme sprechen. Die Abgeordneten stellen sich auch hinter alle beschlossenen Maßnahmen und fordern, also etwa das Aussetzen der bilateralen Gespräche über Visumsangelegenheiten und fordern im Falle einer Annexion der Krim schnell Sanktionen, u.a. Maßnahmen gegen russische Unternehmen, vor allem im Energiesektor. Unterstützt wird auch die von der Kommission beschlossene Finanzhilfe von 11 Milliarden Euro, die zügige Umsetzung des Assoziierungsabkommens und die Senkung der Zölle auf ukrainische Exporte. Die Visa-Vergabe für Ukrainer soll beschleunigt werden. Und man will auch die Zusammenarbeit mit der russischen Staatsduma und dem Föderationsrat beenden, während die Zusammenarbeit mit Georgien und Moldavien schnell vertieft werden soll.

Die Grünen im EU-Parlament hatten noch einen genialen Einfall. Die Fraktionsvorsitzenden Rebecca Harms und Daniel Cohn-Bendit hatten noch einen Ergänzungsantrag eingebracht, mit dem Ex-Kanzler Schröder ein Redeverbot verhängt , er zumindest aber seitens des Parlaments öffentlich gerügt werden sollte. So wollten sie die Einfügung der Passage fordern, die der Spiegel zitiert:

Das Europaparlament bedauert die Äußerungen des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder über die Krise in der Ukraine, betont, dass er keine öffentlichen Aussagen zu Themen machen sollte, die Russland betreffen, da er sich aufgrund seiner Beziehungen zu dem Unternehmen Gazprom, das eines der bedeutendsten außenpolitischen Instrumente Russlands darstellt, in einem eindeutigen Interessenkonflikt befindet.

Dem Spiegel gegenüber begründete Harms ihren seltsamen Vorstoß damit, dass die Kritik Schröders am Vorgehen der EU eine Kampagne für Putin sei, man also dem Slogan folgt, dass man entweder für oder gegen uns ist:

Der Änderungsantrag ist eine Reaktion auf Äußerungen von Gerhard Schröder, die ich als Teil einer Kampagne für mehr Akzeptanz für Putin halte. Schröder hat seine Rolle als ehemaliger Bundeskanzler mit den politischen Interessen der russischen Wirtschaft vermischt.

Schröder, bekanntlich ein Freund Putins und eng verbunden mit Gazprom, hatte es gewagt, das Vorgehen der EU zu kritisieren. Zwar sei "das, was auf der Krim geschieht, ein Verstoß gegen das Völkerrecht", hatte er während einer ZEIT-Matinee gesagt, er habe aber selbst als Kanzler der rot-grünen (!) Koalitionsregierung gegen das Völkerrecht im Jugoslawien-Krieg verstoßen. Da hat er Recht, was die Grünen, die damals zwar zerrissen, aber in der Mehrheit hinter der Nato-Intervention standen, natürlich nicht gerne hören wollen und jeden Vergleich mit der Ukraine ablehnen. Und noch einmal richtig sagt er, dass nun die Krimregierung und Russland die Unabhängigkeit des Kosovo zur "Blaupause" nehmen. Man solle also nicht mit "erhobenem Zeigefinger" auf Russland zeigen, meinte Schröder, der sich aber dennoch hinter die Politik Merkels stellte. Es sei ein Fehler gewesen, die Ukraine zu dem Assoziierungsabkommen gedrängt zu haben, man habe damit das gespaltene Land vor ein Entweder-Oder" gestellt.

Das alles sollte man eigentlich sagen können, selbst wenn man Ex-Bundeskanzler und mit Putin befreundet ist. Die Grünen wollten aber offenbar nachträglich Schröder eins auswischen, weil sie sich derzeit nahezu kritiklos hinter die Maidan-Bewegung und die Interimsregierung stellen. Auffällig ist denn auch in der Entschließung des EU-Parlaments, dass sich dieses undifferenziert hinter die Regierung in Kiew und an diese keinerlei Forderungen stellt, beispielsweise Rechtsextreme nicht in der Regierung zu belassen oder die korrupte Klasse und die Oligarchen, zu denen auch Timoschenko gehört, aus der Regierung herauszuhalten, um anders als nach der Orangen Revolution einen demokratischen Rechtstaat zu fördern.

Man hätte auch meinen können, dass die Milliardenunterstützung mit der Auflage verbunden werden könnte, die Oligarchen, die das Land ausgebeutet haben, mit einer Vermögensabgabe oder hohen Steuern zu beteiligen. Gerade erst wurde Dmitry Firtash, einer der reichsten Männer der Ukraine, in Wien verhaftet. Das FBI ermittelte seit 2006 gegen ihn wegen Bestechung und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Firtash, der u.a. im Gasgeschäft tätig ist, soll enge Verbindungen zu Janukowitsch gehabt haben, ist aber dann ins Lager von Klitschko übergewechselt, als es klar wurde, dass dessen Tage gezählt waren.

Hannes Swoboda kritisiert die Grünen vor der Verabschiedung der Resolution. Bild: Video/EU-Parlament

Immerhin haben die Grünen, die sich mit ihrem Antrag nicht als sonderlich liberal zeigten und Zensur ausüben wollten, ihren Zusatzantrag nicht durchgebracht. Schätzen sie vielleicht doch die russischen Verhältnisse unter dem "lupenreinen Demokraten". Schröders Beziehungen zu Putin und zu Gazprom rühren jedenfalls auch aus der Zeit, in der die Grünen an der Regierung beteiligt waren und etwa den Pipeline-Plänen durchaus ein Bein hätten stellen können.

Vor der Abstimmung hat Hannes Swoboda von der SPÖ sein Erstaunen über den Antrag der Grünen kund getan. Er stehe in keiner Weise hinter Schröders Äußerungen, was Russland und Putin betrifft, sagte er. Er könne aber nicht verstehen, "wenn Kollegen, die sehr vehement die Meinungsfreiheit verteidigen, durch einen Beschluss des Parlaments herbeiführen wollen, dass jemand nicht den Mund aufmacht und nicht sprechen soll. ... Es ist unakzeptabel, glaube ich, dass ein Parlament jemanden auffordert, nicht den Mund aufzumachen."