Grünen-Wahlkampagne: Kinder, Bienen, gute Laune
Die einstige Friedens- und Ökopartei will alle Generationen ansprechen - also auch ihre alten Stammwähler, die nicht über jede Entwicklung bei den Grünen glücklich sind
Möglichst alle Generationen wollen die Grünen im Bundestagswahlkampf ansprechen - und auch sie verzichten dabei nicht auf Fotos kleiner Kinder, während sie für ein Wahlrecht ab 16 Jahren eintreten. Der Jugendbewegung Fridays for Future geht das Wahlprogramm der Grünen zwar in Sachen Klimaschutz und Klimagerechtigkeit nicht weit genug, aber andere Alterskohorten sind ohnehin stärker; und bei der breiten Masse hofft die einstige Friedens- und Ökopartei, mit Slogans wie "Wirtschaft und Klima ohne Krise" punkten zu können. Statt den Ernst der Lage in den Vordergrund zu stellen, wollen die Grünen gute Laune und Optimismus verbreiten.
Auch ein kleines Kind in Imkerkleidung ziert eines der Wahlplakate, die Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Montag in Berlin vorstellte - der Sprach dazu: "Wir retten Bienen retten uns". Natürlich werden auch sichere Arbeitsplätze und der Kampf gegen Kinderarmut versprochen. "Bereit, weil Ihr es seid" ist das Motto der Wahlkampagne, mit der die Grünen erstmals auch gezielt Menschen ansprechen wollen, die älter als 60 Jahre sind. Allerdings sind das die Erstwählerinnen und Erstwähler ihrer Gründerzeit. Vielleicht spielt auch deshalb Außenpolitik in der Kampagne praktisch keine Rolle, denn viele dieser Erstwählerinnen und Erstwähler kamen aus der Friedensbewegung und hadern zumindest mit der Entwicklung der Grünen hin zur Pro-Nato-Partei.
Aber der Wahlwerbespruch "Unser Land kann viel, wenn man es lässt" ist immerhin vielseitig interpretierbar. "Es ist eine Richtungswahl bei dieser Bundestagswahl, und wir fordern die Union heraus", betonte Kellner am Montag. Dass der Spitzenkandidat der Union, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, keinen "Schul- und Kitagipfel" wolle, um über Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus in Bildungseinrichtungen zu sprechen, sei ein schwerer Fehler. "Rumgetrödel" könne man sich da nicht leisten, sagte Kellner.
Kein Interesse an Personalisierung
Das Wort "Kanzlerin" taucht auf keinem der Wahlplakate auf, was auf der Pressekonferenz zu Nachfragen führte, ob nun wegen der zahlreichen Fehler und Patzer der Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock die Personalie nicht mehr so in den Vordergrund gestellt werden solle. Kellner verwies auf die inhaltliche Auseinandersetzung. Abgebildet ist Baerbock auf dem "Wirtschaft und Klima ohne Krise"-Plakat. Auf dem Parteitag im Juni hatte sie in einer Grundsatzrede der deutschen Industrie einen "Pakt" vorgeschlagen: Die verbindliche Verabredung, dass der Staat den Unternehmen die Kosten erstatte, die sie aufbringen müssten, um klimaneutral zu wirtschaften.
Allerdings spricht momentan nicht viel dafür, dass die Grünen nach der Bundestagswahl am 26. September die nächste Regierungskoalition als Seniorpartner anführen. Nach der Bekanntgabe der Kanzlerkandidatur von Annalena Baerbock hatten sie zunächst sehr hohe Zustimmungswerte in Umfragen erzielt und kurzzeitig sogar die Unionsparteien überholt. Inzwischen stehen Baerbock und ihre Partei zunehmend unter Druck, unter anderem wegen Schönfärbereien in ihrem Lebenslauf, zu spät gemeldeten Nebeneinkünften und Plagiatsvorwürfen wegen mehrerer Passagen ihres Buches "Jetzt. Wie wir unser Land erneuern".
Manche Medien empfahlen den Grünen sogar, Baerbock im Rennen ums Kanzleramt gegen ihren Ko-Chef Robert Habeck auszutauschen. Er selbst bestritt aber vor wenigen Tagen in einem Interview, dass es darüber in seiner Partei eine Debatte gebe. Auf Wahlplakaten ist Habeck nun mit dem Slogan "Züge, Schulen, Internet - ein Land, das einfach funktioniert" zu sehen.