Gut versteckte Ärsche

Wie der Anonymizer die iranische Zensur des Internets hintergeht und sie puritanisch-amerikanisch wiederbelebt

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"Doubledo" nannte Deutschlands ehemals bester Boxer, der Prinz von Homburg, Norbert Grupe, einen Schlag, der zum k.o. führt; etwas Ähnliches ist nun einem amerikanischen Service gelungen. Mit einem Double-Do-Verfahren wollte man den iranischen Bloggern dabei helfen, die strenge Internetzensur im Iran Iran säubert das Netz auszutricksen, einerseits. Andrerseits wollte man sie davon abhalten, Pornos zu schauen. Im Übereifer hat man dabei auch politische Webseiten blockiert; jetzt steht man ein wenig beträufelt da.

Unglaubliche 100.000 iranische Blogger , so der iranische Blog-Pionier Hossein Derakhshan, sind im Netz aktiv, meist in persischer Sprache. Da die Zensur im Iran bei diesen Aktivitäten ähnlich viel politische Subversion argwöhnt, wie sie sich die westliche Presse herbeiwünscht, hat die amerikanische Regierung einen Service bereitgestellt, mit dessen Hilfe Computer mit einer iranischen IP-Adresse Seiten besuchen können, deren Zugang von iranischen Filtern geblockt wird.

Anonymizer heißt der Service, der den iranischen IP-Adressen eine Tarnadresse - "Ghost IP-Address" - liefert. Bereitgestellt wird dieser spezielle Anonymizer von dem International Broadcasting Bureau, einer Institution der US-Regierung, der u.a. auch Voice of America, Radio Free Europe und Radio Sawa angehören.

Wie eine Studie der Open Net Initiative jedoch herausfand, hat man etwas zuviel des Guten getan. Da man nicht wollte, dass amerikanische Steuergeldern den iranischen Protegés (zehn Tausende sollen sich jeden Tag bei dem IBB-Anonymizer-Service einloggen) dazu verhelfen, pornographische Seiten abzurufen, hat man seinerseits "massive Zensurmaßnahmen" ergriffen - mit Schlüsselwörtern, die - wie sich herausstellte - "double-use"-fähig sind und eben auch den Zugriff auf politische Seiten blockieren.

Die Schlüsselworte würden sich ganz einfach nur auf die Domain-Namen konzentrieren, so Jonathan Zittrain von der Harvard Law School, der Koautor der Studie.

Weswegen ein im Grunde eindeutiger Schlüssel-Begriff wie "ass" dazu führt, dass die Domains grass-roots.com und usembassy für die iranischen User gesperrt sind, obwohl letztere doch als "zentrale Seite für Links des amerikanischen Außenministeriums" (Open Net Initiative), dessen Politik ins aufklärende Licht setzen könnte.

Das "kollaterale" Blockieren von nicht-pornografischen Seiten sperrt auch Domains von westliche Nachrichtenseiten - wie etwa news.bbc. Welches Schlüsselwort hier für das "Over-blocking" verantwortlich war, verrät der Bericht nicht. Dafür demonstriert eine Liste der ambivalenten "no pasaran"-Begriffe, dass auch der Name des amerikanischen Präsidenten von den Zensoren anscheinend schlüpfrig konnotiert wird.

Keine politische Aufklärung also für die anonymisierten iranischen Besucher für das, was sich im Busch tut, weder aus offizieller Sicht, noch aus der anderen Perspektive.