Iran säubert das Netz

Bereits vor den Wahlen hatten kritische iranische Webseiten mit Zensur zu kämpfen. Jetzt wird dieser Trend fortgesetzt.

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Schon vor Beginn der Wahlen im Iran waren sowohl die iranischen Blogger als auch Betreiber von den Reformern zugeneigten Webseiten der im Land herrschenden Zensur ausgesetzt. Nichtsdestotrotz sahen zum Beispiel auch die im Januar streikenden Parlamentsangehörigen im "Bloggen" eine Möglichkeit, eine permanent größer werdende Kluft zu überbrücken (vgl. 150 Jahre Abstand zur Mehrheit der Bevölkerung), selbst wenn es sich nur in der Sprache Farsi verfügbare Informationen handelte. Eine Praxis, die, genau wie auch der Streit bzw. der darauf folgende Streik an sich, beim iranischen Präsidenten auf harsche Kritik fiel (vgl. Der Streich der Wächter).

Die Blogger gewannen im Iran nicht nur an Aufmerksamkeit, vielmehr gelangen ihnen auch politische Erfolge wie die Freilassung des Sina Motallebi. Nun protestieren die Reporter ohne Grenzen in ihrer Rubrik "Das Internet unter Beobachtung" gegen die anstehenden Netzregulierungsmaßnahmen, welche die Regierung als "Schutz vor amoralischen Inhalten" bezeichnet. Bezeichnend ist hierbei jedoch, dass es mittlerweile einfacher ist, vom Iran aus auf pornografische Inhalte zuzugreifen als auf kritische politische Meinungen.

Der konservative Richter Said Mortazavi, so die Reporter ohne Grenzen, habe am 23. Februar bereits angekündigt, dass er in Kürze die "pro-reformistische" Webseite Emrooz.ws vom Netz nehmen wird, welche bereits (wie auch emrooz.org und iran-emrooz.de) geblockt wird. Emrooz wird offiziell als Webseite angesehen, welche die Sicherheit des Landes gefährdet. Emrooz' Schicksal teilen wird voraussichtlich Royuad), eine Seite, die erst kürzlich für einige Tage wegen "technischer Streiks" offline ging und seit dem 18. Februar auf der schwarzen Liste des Iran zu finden ist.

Die in den USA gehostete Webseite "Stop censoring us" dokumentiert seit dem 06.12.2003 die Entwicklung in Bezug auf Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet, was den Iran betrifft. Ein Blick auf die Seite zeigt, dass der Iran zum Beispiel zeitweilig auch den Google-Cache einiger Webseiten blockierte sowie schon im Dezember 2003 Software erwarb, welche die Kontrolle des Internet effektiver gestalten soll. Zeitgleich mit dieser Eröffnung des Kommunikationsministers Ahmad Motamedi wurde auch offiziell die Existenz einer schwarzen Liste zugegeben. Die dort aufgelisteten Webseiten sind von allen iranischen Internet Service Provicern zu blocken - mittlerweile finden sich auf dieser Liste auch die Reporter ohne Grenzen selbst.

Einige sehen die Zensur im Iran poetisch als Versuch, "einen Vogel daran zu hindern, vom Hausdach weg zu fliegen, indem man die Leiter an der Hauswand entfernt". Eine Einstellung, die im Hinblick auf die Tatsache, dass sich Mirrors der Emrooz-Seiten bereits unter anderem im Freenet) sowie im Entropy-Netz befinden, nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Dennoch stimmt es bedenklich, dass sich laut Reporter ohne Grenzen zur Zeit iranische Delegationen in Frankreich und Deutschland aufhalten, um sich über Möglichkeiten der effektiveren Internetkontrolle zu informieren.

Da auch die EU-Außenminister in der Wahl im Iran einen "Rückschlag für den Demokratieprozess in Land" sehen und insbesondere die undemokratische Vorgehensweise der Regierung kritisierten, die letztendlich zu einem alles andere als überraschenden Ergebnis führte (vgl. Keine Wahl, sondern eine Verabredung), stellt sich die Frage, inwiefern sich diese Kritik mit der zuvor genannten "Hilfestellung zur Internetzensur" verträgt. Insbesondere wenn diese, wie im Iran, als technischer Maulkorb für politische Kritiker dient.

Nach dem ernüchternden Ergebnis der Anfragen, die die Reporter ohne Grenzen den Firmen stellten, welche China mit Software zur effektiven Kontrolle des Internets beliefern ( vgl. Geschäfte im "weltweit größten Gefängnis" für Internetnutzer) ist es eher fraglich, ob diese Doppelzüngigkeit im Falle der iranischen Internetkontrolle überhaupt wahrgenommen wird. Was eigentlich schon wieder verständlich ist, wenn man bedenkt, dass auch zum Beispiel von englischer, deutscher oder französischer (vgl. Einladung zum Filtern) Seite aus die Zensur in einigen Fällen durchaus als positiv angesehen wird - die Wünsche und Techniken der Regierungen ähneln sich, lediglich die Begründungen sind verschieden.