Habeck: Kampfansage an die Klimaschutz-Bewegung
Energie und Klima – kompakt, Teil 1: Von ministeriellen Rechentricks, verheerenden Klimakatastrophen und grünen Geschenken für Black Rock
Wir haben gestern bereits berichtet, dass sich die Bundesregierung mit dem Energiekonzern RWE, der im Rheinland großflächig Braunkohle und nebenbei auch Kies und den besonders fruchtbaren Lössboden abbaut, eine Eckpunktevereinbarung ausgehandelt hat.
Glaubt man dem Bundeswirtschaftsministerium, dann wurde damit der Kohleausstieg um acht Jahre auf 2030 vorgezogen. Tatsächlich sieht aber erstens das Kohleausstiegsgesetz das Ende der Kohlenutzung für 2036 vor, plus einer etwaigen Verlängerung bis 2038. Und zweitens betrifft die mit RWE getroffene Vereinbarung lediglich drei Braunkohle-Kraftwerksblöcke mit zusammen rund drei Gigawatt Leistung (Niederaußem K sowie Neurath F und G). Nach bisherigem Stand wären das die einzigen RWE-Braunkohlekraftwerke gewesen, die über 2030 hinaus hätten betrieben werden sollen.
Von den anderen acht Braunkohlekraftwerken, die in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg von der tschechischen EPH (Leag und Mibrag) – zum Teil gemeinsam mit Uniper – auch nach 2030 noch laufen dürfen, ist hingegen gar nicht die Rede gewesen, wie eine Aufstellung des Wirtschaftsministeriums zeigt. Rund 5,6 Gigawatt Leistung haben diese Anlagen zusammen.
Außerdem verspricht das Bundeswirtschaftsministerium, dass mit dieser Entscheidung 280 Millionen Tonnen des Treibhausgases CO2 weniger emittiert würden, doch das ist offensichtlich ein Taschenspielertrick. So viel würden die drei Kraftwerke nur emittieren, wenn sie faktisch 365 Tage im Jahr rund um die Uhr mit Volllast liefen.
Doch das tun sie jetzt bereits nicht mehr und das würden sie in Zukunft noch weniger, wenn denn die Ausbaupläne für Wind- und Sonnenenergie ernst gemeint sind. Der saubere Strom aus diesen Anlagen hat aus gutem Grund Vorrang und das sollte auch so bleiben. Schon jetzt wird an manchem Wintertag so viel Windstrom ins Netz eingespeist, dass die Kohlekraftwerke ihre Produktion drosseln müssen. Ähnliches gilt für die an Sonnenschein reichen Monate im Frühjahr und Sommer.
Lützerath soll geräumt werden
Das Versprechen des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck und seiner nordrhein-westfälischen Partei- und Amtskollegin Mona Neubaur ist also eher eine Luftnummer, aber der politische Preis, der dem Publikum damit schmackhaft gemacht werden soll, ist dafür umso deftiger: RWE soll nicht nur einige Kraftwerke in den nächsten Jahren länger laufen lassen können, sondern der Konzern bekommt auch grünes Licht für den Abriss des Weilers Lützerath am rheinländischen Tagebau Garzweiler 2. Dort hat sich in den letzten Jahren ein Protestdorf etabliert und den Ort zu einem Brennpunkt der Klimaschutzbewegung gemacht.
Mit anderen Worten: Nach Fracking-Gas aus den USA und LNG-Terminals, nach dem diskussionslosen Durchwinken des größten Aufrüstungsprogramms in der deutschen Nachkriegsgeschichte und Anheizen der internationalen Spannungen, nun die ultimative Kampfansage an die Klimaschutzbewegung. Wie schon vor zwei Jahren am Dannenröder Wald in Hessen – Telepolis hatte mehrfach berichtet – werden grüne Minister einen voraussehbar gewalttätigen Polizeieinsatz gegen Klimaschützer zu verantworten haben.
Katastrophale Verwüstungen
Derweil kann man auf Kuba und im US-Bundesstaat Florida mal wieder besichtigen, was die Klimakrise bedeutet. Über der dortigen Region treibt seit Beginn letzter Woche Hurrikan "Ian" sein Unwesen, ein Sturm, von dem betroffene Kommunalpolitiker meinen, dass er nur alle 500 Jahre vorkommt.
Bis Dienstag wurden in Florida 102 Todesopfer gezählt, vier weitere im US-Bundesstaat North Carolina, meldet der US-amerikanische Sender CNN. Mehrere Tage nachdem der Sturm am Mittwoch vergangener Woche auf die Westküste Floridas getroffen und die Halbinsel überquert hatte, waren noch immer Tausende ohne Strom.
Die Washington Post schreibt, dass allein die versicherten Schäden von Privatpersonen in Florida auf 60 Milliarden US-Dollar geschätzt werden. Hinzu käme noch die zerstörte Infrastruktur und die Verwüstungen in den benachbarten Bundesstaaten, die allerdings geringer ausgefallen sind.
"Ian" gilt als der fünft stärkste Hurrikan, der je in den USA beobachtet wurde. Seine besondere Zerstörungskraft, rührt unter anderem auch daher, dass er auf ein sehr dicht besiedeltes Gebiet traf und viele Holzhäuser den starken Winden nicht standhielten. Zugleich erzeugte er aber auch an verschiedenen ungeschützten Küstenabschnitten Sturmfluten.
War es der Klimawandel?
Inwiefern "Ian" mit dem Klimawandel in Verbindung steht, wird in den nächsten Wochen voraussichtlich die Attributions-Forschung ermitteln. Diese besteht vereinfacht ausgedrückt darin, Klimamodelle ohne die in der Atmosphäre in den letzten 150 Jahren angereicherten Treibhausgase durchzurechnen und zu ermitteln, wie wahrscheinlich ein bestimmtes Extremereignis ist. Auch historische Wetteraufzeichnungen werden in diesem Zusammenhang analysiert.
Die schweren Überschwemmungen in Pakistan, die dort diesen Sommer erhebliche Teile der Ernte zerstört, rund 1500 Menschen getötet und Hunderttausende obdachlos gemacht haben, sind inzwischen von den Klimawissenschaftlern auf einen Zusammenhang mit den Klimaveränderungen untersucht worden.
Das Ergebnis: Insbesondere die extremen Niederschläge, wie sie in diesem Sommer in Pakistan beobachtet wurden, stehen im Zusammenhang mit der Erwärmung und werden weiter zunehmen, wenn diese nicht gestoppt wird. Die besondere Häufung der extremen Niederschläge, die im Sommer ebenfalls beobachtet wurde, ist schwieriger zuzuordnen, da der Monsun in Pakistan extrem variabel ist.
Jedenfalls hat sich das Land noch lange nicht von den Folgen der Katastrophe erholt, die für das hoch verschuldete Pakistan eine enorme Belastung darstellen. 750.000 Rinder, Schafe, Ziegen und ähnliches wurden getötet, 1460 Krankenhäuser und Gesundheitszentren, 6700 Kilometer Straßen und 269 Brücken zerstört, fast 20.000 Schulen beschädigt.
Gemessen an der Wirtschaftskraft sind dagegen die Schäden, die "Ian" vergangene Woche in den USA anrichtete, geringer, aber der Verlust von Freunden, Angehörigen und Nachbarn ist immer traumatisch, und in allen Ländern sind es besonders die Ärmsten, die am meisten zu leiden haben. Sei es, dass sie an ungeschützten Orten leben müssen, dass sie keine Reserven haben oder mit den Folgen der Katastrophen allein gelassen werden.
Geschenke für Black Rock
Doch von derlei wollen die grünen Ministerinnen und Minister offensichtlich nichts mehr wissen. Im Schatten des Ukrainekriegs und weil man auf einmal Hals über Kopf aus dem russischen Erdgas aussteigen will, wird eine Rolle rückwärts in der Klimapolitik hingelegt.
Natürlich ist ein Ausstieg aus dem Erdgas auch für das Klima sinnvoll, wenn man mehr täte, als nur den Lieferanten auszuwechseln. Man könnte ja auch darüber nachdenken, bestimmte Verwendungen wie etwa die Plastikproduktion (siehe Gaskrise: Warum die Einkaufstour ohne Moral nicht alternativlos ist) einzuschränken.
Oder man könnte, was die Stromversorgung angeht, hierzulande schauen, wo sich kurzfristig Strom einsparen ließe – ein Kandidat hierfür könnte die Aluminiumproduktion sein, ein anderer die Kühlung von verglasten Bürotürmen. Wenn die Versorgungssicherheit tatsächlich in Gefahr ist, sollte auch mit den französischen Nachbarn Einsparungs- und Rationierungsoptionen besprochen werden, denn schließlich sind dessen unzuverlässige Atomkraftwerke letztlich der Grund, weshalb hierzulande AKW länger laufen und Kohlekraftwerke aus der Reserve geholt werden.
Doch nichts von all dem geschieht. Stattdessen wird für RWE der rote Teppich ausgerollt. Derzeit laufen die Geschäfte für den Konzern besonders prächtig. Für 2022 wird mit einem Vorsteuergewinn von fünf bis 5,5 Milliarden Euro gerechnet. Der Grund: Gaspreis und französische Pannen-AKW treiben den Strompreis an der Börse in die Höhe, wovon die günstig arbeitenden Braunkohlekraftwerke im besonderen Maße profitieren.
RWE ist übrigens im Besitz einer Vielzahl von Privatpersonen und institutionellen Anlegern. Größter Eigner ist nach Angaben des Konzerns der US-amerikanische Vermögensverwalter Black Rock, der sieben Prozent der Anteile hält. Nur 23 Prozent der Aktien werden noch von inländischen Institutionen gehalten, darunter einer Reihe von nordrhein-westfälischen Kommunen. Die Zeiten, in denen diese die Mehrheit an dem Unternehmen und seinen Vorläufern hielten, sind allerdings lange vorbei. Die Verflechtung des Konzerns mit der nordrhein-westfälischen Landespolitik ist aber nach wie vor eng, wie Lobbypedia akribisch recherchiert hat.
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