Hält sich Juncker?
Der EU-Kommissionspräsident will den Mitgliedsländern als Reaktion auf den Brexit alle Währungen außer dem Euro verbieten
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) als Reaktion auf das Brexit-Referendum "die Währungsunion vollenden" und dafür sorgen, dass es in der Europäischen Union "nur noch eine Währung [gibt]: den Euro". In Ländern wie Dänemark, Ungarn, Polen, Tschechien und Schweden, die an ihren eigenen Währungen festhalten, dürfte das Austrittsbestrebungen eher befeuern als dämpfen.
Juncker, der am Dienstag im EU-Parlament auf manche Beobachter erneut einen desolaten Eindruck machte (und über den in Sozialen Medien bereits als "Boris Jelzin der EU" gescherzt wird), will damit möglicherweise die Gunst der Stunde nutzen und einen "Schock" dazu einsetzen, um politische Ziele zu verwirklichen, die in der Bevölkerung keine Mehrheit haben - eine Strategie, die Naomi Klein 2007 in ihrem Bestseller mit zahlreichen Privatisierungsbeispielen beschrieb.
Ob dem Kommissionspräsidenten (der gestern außerdem noch verkündete, die nationalen Parlamente beim CETA-Abkommen nicht mit entscheiden zu lassen) dieses Vorhaben gelingt, hängt davon ab, ob er EU-Kommissionspräsident bleibt. Polen, Ungarn und Tschechien haben sich bereits offen gegen seinen Verbleib im Amt ausgesprochen. In Deutschland kritisierte Norbert Röttgen, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, die Äußerungen des Kommissionspräsidenten im ARD-Morgenmagazin als "sehr emotional geprägt und auch nicht hilfreich". Röttgens Parteivorsitzende Merkel hält allerdings weiter am Luxemburger fest, obwohl es unverbrauchte christdemokratische Nachfolgekandidaten wie beispielsweise den österreichischen Außenminister Sebastian Kurz gäbe.
Dafür hat man inzwischen auch in deutschen Mainstreammedien nur noch bedingt Verständnis: Nicht nur in der FAZ, auch in der Welt und bei n-tv wird sein Rücktritt als unvermeidbar angesehen, wenn man den Anschein einer Koppelung von Wählerentscheidungen mit der Politik auf EU-Ebene nicht ganz aufgeben und Brüssel als "verantwortungsfreien Raum" einer politischen Elite, der es nur um den "Erhalt von Macht und Posten" geht, bestätigen will. "Genau diese bürger- und demokratieferne Haltung", so Wolfram Weimer, "hat so viele Millionen Europäer von der EU entfremdet".
Ob solche Kommentare Auswirkungen haben, ist insofern fraglich, als bereits zu Junckers Amtsantritt zahlreiche Fakten bekannt waren, die gegen den Luxemburger sprachen, der die Art und Weise, wie er und seine Kollegen in der EU Politik machen, 1999 wie folgt geschildert hatte:
Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.
Später gestand er öffentlich: "Wenn es ernst wird, muss man lügen." Dass er diese Maxime nicht nur so dahersagt, sondern auch beherzigt, zeigte er zum Beispiel im Mai 2011, als er seinen Sprecher ein Geheimtreffen mit Finanzministern selbst dann noch dementieren ließ, als es der Presse längst bekannt war. Wie viel in diesem Licht seine Aussagen vor dem Luxemburger Stay-Behind-Prozess wert waren, muss jeder selbst entscheiden. Nachdem ein Ausschuss in seinem Abschlussbericht die politische Verantwortung für den Skandal bei Juncker sah, kam es in jedem Fall zu Neuwahlen, bei denen seine Chrëschtlech Sozial Vollekspartei (CSV) deutlich verlor. Im Jahr danach wurde er EU-Kommissionspräsident.
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