Härteres Vorgehen in China: Kryptowährungen unter Druck

Bild: Pixabay

Ethereum fiel auf Monatstief, Bitcoin weit abgeschlagen unter 200-Tage-Durchschnitt

Vor rund einem Monat schrieb ich meinen Grundlagenartikel über Kryptowährungen (War's das mit den Kryptowährungen?). Da hatte sich der Wert des beliebten Bitcoin seit seinem Allzeithoch vom 14. April 2021 in etwa halbiert. Kryptokritiker sahen sich bestätigt. Kryptojünger warfen mir vor, ich hätte das Thema nicht verstanden.

Als Gründe für den damaligen Kursverfall wurden einerseits Gerüchte über stärkere Regulierung durch große Volkswirtschaften wie China und Indien genannt. Andererseits hatte Tesla-Milliardär Elon Musk, selbsternannter "Techno King", mit Twitterberichten verschiedene Kryptowährungen mal hoch-, mal heruntergejazzt. So kam ihm auf einmal der Gedanke, Bitcoin sei wegen seines hohen Stromverbrauchs doch nicht so umweltfreundlich. Vor rund einer Woche meinte er dann, Tesla würde die digitale Münze wieder als Zahlungsmittel akzeptieren, wenn 50% des Stroms aus sauberen Quellen kommen.

Nun erhöhte die Zentralbank der Volksrepublik China tatsächlich den Druck. In dem wirtschaftlich stark wachsenden Land mit Milliardenbevölkerung werden einerseits in riesigen Serverfarmen viele neue Bitcoin "geschürft", da die Stromkosten hier niedrig sind. Andererseits will die zentralistische Regierung die Kontrolle über Finanzströme behalten und hat sie darum in den letzten Jahren die Kryptowährung immer weiter reguliert. Am vergangenen Montag kündigte die Volksbank dann weitere Maßnahmen an.

Chinesischen Banken wurde nun untersagt, Transaktionen von Kryptowährungen zu unterstützen. Zudem müssen sie Konten von Kryptobörsen und -Händlern stärker kontrollieren. Links für die Zahlungsabwicklung müssten in absehbarer Zeit deaktiviert werden. Zur Begründung wurden Geldwäsche und andere illegale Transaktionen genannt, etwa im länderüberschreitenden Zahlungsverkehr. Auch der Druck zur Schließung der Serverfarmen der "Schürfer" nimmt zu.

Kursentwicklung

Die Wertsteigerung, die sich der Bitcoin seit dem Crash vom 19. Mai (im Tief auf rund 24.000 Euro) mühsam zurückerarbeitet hatte, ist nun fast wieder dahin. Zurzeit notiert die Kryptowährung zwischen 24.000 Euro und 29.000 Euro pro Einheit. Der Wertverfall seit drei Monaten beträgt rund 40 Prozent. Damit liegt der Kurs nun auch deutlich unter dem 200-Tage-Durchschnitt.

Beschreibung: Bitcoin im Tageschart seit Anfang Februar 2021. Das Allzeithoch vom April scheint in weiter Ferne. Das vorübergehende Plateau Anfang Mai ist nun auch verloren. Der Wert blieb seit Ende Mai unter dem 200-Tage-Durchschnitt (orange). Inzwischen hat auch der 50-Tage-Durchschnitt (blau) den 200-Tage-Durchschnitt nach unten durchbrochen. Weiße Kerzen stehen für steigende, rote für fallende Kurse. Die Dochte stellen die Variabilität innerhalb eines Tages dar. Chart mit freundlicher Genehmigung von Tradingview

Solche Chartsignale wie Durchschnittslinien geben Tradern und Spekulanten wichtige Hinweise. Anders als bei Aktien oder Anleihen, bei denen sich Investoren an Firmen- und Wirtschaftsdaten orientieren können, haben Kryptowährungen keinen inneren Wert. Bis auf Weiteres sind die Aussichten daher eher negativ. Und auch Ethereum, nach Marktkapitalisierung die Nummer Zwei hinter Bitcoin, verlor deutlich an Wert: Es markierte am 22. Juni einen neuen Tiefstwert seit 23. Mai und hält sich mit rund 1.600 Euro gerade noch so über dem 200-Tage-Durchschnitt.

Wertentwicklung

Wer die Wertentwicklung schon seit Jahren verfolgt, dem kommt das Muster wahrscheinlich bekannt vor: Bei steigenden Kursen springen immer mehr auf den Kryptozug, dann herrscht "FOMO" (Fear of Missing Out). Bei fallenden Kursen melden sich immer mehr Pessimisten zu Wort. Mit Nassim Taleb äußerte sich nun aber auch ein bekannter Buchautor und früherer Befürworter von Bitcoin & Co sehr kritisch: Die digitale Münze sei weder kurz- noch langfristig als Wertspeicher geeignet; der zu erwartende Wert liege bei null.

Die Hauptargumente der Befürworter sind die dank starker Kryptographie manipulationssichere Blockchain, die dem Bitcoin unterliegt, die Dezentralität des Netzwerks und die algorithmisch begrenzte Anzahl der digitalen Münzen. Das hört sich in Zeiten staatlicher Überwachung und schier grenzenloser Geldvermehrung durch die Banken nach einer anonymen und inflationssicheren Alternative an.

Manche halten Bitcoin und andere Kryptowährungen daher für eine digitale Alternative zu Edelmetallen wie Gold, die traditionell als Wertspeicher gelten. Die Zeichen der Blockchain lassen sich aber in Sekunden bis Minuten um die ganze Welt schicken und das Konto ist sicher, so lange man das Passwort geheim hält. Und, auch wichtig: nicht vergisst!

Kommentar

Es gibt genügend Gründe, das bestehende Währungssystem zu kritisieren. Man sollte das Kind aber auch nicht mit dem Bade ausschütten. Banken mögen überwiegend die Interessen der Wohlhabenden vertreten; die Nationalbanken mögen den Staaten zurzeit das Schuldenmachen zu einfach machen. Das bestehende System garantiert aber - zumindest bisher - sichere Zahlungen mit einer Geschwindigkeit und Effizienz, von der Bitcoiner bis auf Weiteres nur träumen können. Und auch die Dotcom-, Schulden- und jetzt Corona-Krise der letzten Dekaden hat es überstanden.

Ob Kryptowährungen aber die demokratischere Alternative darstellen, für die viele sie halten, sollte man kritisch hinterfragen: Beim Schürfen neuer Einheiten und Bestätigen von Transaktionen haben die Besitzer großer Serverfarmen die Oberhand (sogenanntes Proof of Work). Die umweltschonendere Alternative basiert meistens auf dem Einsatz der Beteiligten (Proof of Stake). Den größten Einfluss haben also entweder die mit der größten Rechenleistung oder die mit dem größten Konto - was häufig dieselben Gruppen sein dürften.

Wenn es zu Fluchtbewegungen kommt wie beim Corona-Crash im März 2020, dann werden erst einmal die Reichen bedient, da diese die höchsten Transaktionskosten bieten. Der kleine Investor muss dann hilflos zusehen, wie der Wert vor seinen Augen dramatisch fällt. Dass nicht nur Zentralbanken und Regierungen, sondern auch "Techno Kings" wie Musk mit fahrlässigen Twitternachrichten die Kurse nach oben oder unten treiben können, spricht auch nicht gerade für ein stabiles System.

Oder um es einmal anders zu sagen: Wer das heutige Establishment für eine Räuberbande hält, wie kann der sich so sicher sein, dass die Netzwerke hinter den Blockchains keine neue, vielleicht sogar noch größere Räuberbande sind? Demokratische Rechtsstaaten haben sich ja nicht zufällig entwickelt, sondern um Macht und Kontrolle zwischen Bürgern und Staat auszubalancieren. Dass diese Balance nicht immer ideal ist, verdeutlicht ein Blick auf die Weltgeschichte. Proof of Work und Proof of Stake klingen für mich aber verdächtig nach dem Recht des Stärkeren.

Da in etwa im Zehnminutentakt neue Bitcoin "geschürft" (berechnet) werden, muss immer mehr Geld in das System fließen, um den Kurs stabil zu halten. Zurzeit messen die Käufer der Einheit einen Preis von rund €25.500 bei. Das kann morgen wieder mehr sein - oder noch weniger.

Vielleicht springen bald wieder mehr Milliardäre, institutionelle Investoren und Kleinanleger auf den Krypto-Zug auf und kommt es zu neuer FOMO. Vielleicht folgen mehr Länder der stärkeren Regulierung Chinas und stürzt der Kurs ins Bodenlose. Gründe dafür hätten sie genug. So oder so sollte man besser nur Geld verwetten, auf das man im Zweifelsfalle auch verzichten kann.

Dieser Artikel erscheint ebenfalls im Blog "Menschen-Bilder" des Autors. Mehr zu Stephan Schleim, PhD, M.A.: hier.