Halbherzige Entlastungspakete, nötig: gezielte Umverteilung
Seite 2: Strategiewechsel im Koalitionsvertrag ist ein Rückschritt
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- Strategiewechsel im Koalitionsvertrag ist ein Rückschritt
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Das Papier des Energieinstituts befasst sich im Einzelnen mit den zentralen bislang aufgerufenen politischen Oberzielen, den versprochenen Zielvorgaben und der Auswertung, ob und wie die Ziele erreicht oder verfehlt wurden.
In den Schlussfolgerungen kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass der im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung angedeutete Strategiewechsel einen Rückschritt darstelle.
Statt der sektorscharfen jährlichen Pfadvorgabe in Verbindung mit der Zuweisung von ministerieller Verantwortung für die jeweilige CO2-Minderung bis 2030 soll nunmehr nur eine sektorübergreifende, mittelfristige Evaluation stattfinden.
WEI-Positionspapier
Das werde wohl angesichts ungeklärter Zuständigkeiten und der Tendenz, mittelfristig auf Besserung zu hoffen, also abzuwarten, zu Verzögerungen führen. Zudem erweise sich die Hoffnung, in der Energieversorgung aufgrund des Wegfalls benötigter Kohle-, Erdgas und Uranlieferungen unabhängiger vom Ausland zu werden, als zunehmend unbegründet.
"Deutschland wird stattdessen über den Speicherbedarf in zunehmendem Maße von Wasserstoff-, Kobalt- und Lithiumimporten abhängig werden", was möglicherweise durch die Aufsplittung in verschiedene Bezugsquellen etwas aufgefangen werden könne.
Allerdings – und dies wäre sozusagen jener Teil, der den sozialen Sprengstoff, der alldem innewohnt, beschreibt – stellt die Lastenverteilung die jetzige und die kommende Regierung vor Aufgaben, die mit den bislang formulierten Lösungsansätzen gar nicht gelöst werden können.
Die bisherige Energiewende-Belastung privater Haushalte erscheint sowohl für die mittleren und erst recht für die oberen Einommensschichten als verkraftbar. (…) Problematisch ist die Energiewendebelastung schon jetzt für die Bezieher niedriger Einkommen. Rund 300.000 Strom- und 40.000 Gassperren sind gesellschaftspolitisch nicht akzeptabel.
WEI-Positionspapier
Es bedürfe einer spürbaren Umverteilung zu Gunsten der Einkommensschwachen. Das werde ohne staatliche Eingriffe nicht gelingen und auch der Mindestlohn von zwölf Euro verändere daran substanziell nichts.
Kommt es hier angesichts der beabsichtigten Beschleunigung der Energiewende nicht zu nachhaltigen Primär-Einkommenserhöhungen bei den unteren Einkommensschichten, so wird die Energiewende schlicht scheitern. Und sie funktioniert gar nicht, wenn der Staat nicht mindestens durch Transferzahlungen an die Einkommensschwachen deren preisliche Belastungen aus der Energiewende kompensiert. Gelingt dies nicht, wird die Energiewende über kurz oder lang zu einem sozialpolitischen Sprengsatz.
WEI-Positionspapier
Dieser Sprengsatz ist gelegt, lässt sich angesichts der aktuellen Verteuerungen und existenziellen Belastungen für Menschen mit wenig Einkommen und keinen Reserven sagen.
"Die finanziellen Mittel dafür kann sich der Staat aus einer erhöhten Staatsverschuldung und/oder einer höheren Besteuerung der hohen Einkommen und insbesondere der Besteuerung der noch höher und konzentrierten Vermögensbestände verschaffen." Christian Lindner?
Selbst das DIW (Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung) hat errechnet, dass eine einmalige Vermögensabgabe in Höhe von rund 340 Milliarden Euro möglich wäre, von der gerade mal 0,7 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland betroffen wären.
"Idealerweise sollte sich die Politik bei der Schuldenfinanzierung der Energiewende vom selbst auferlegten Korsett der selbst in der Mainstream-Ökonomen-Zunft immer umstritteneren Schuldenbremse befreien", heißt es in den Schlussfolgerungen. Christian Lindner?
Noch einmal Rainer Land: "Die Vorstellung, man könne die Entwicklung des Energiesystems durch die Märkte steuern und nur die Rahmenbedingungen wie Steuern, Umlagen, Förderprogramme oder gesetzliche Standards lenken, bedarf einer grundlegenden Revision."
Seine Empfehlungen lauten: Energieimporte durch ein zentrales, öffentliches Unternehmen, eine ausgeglichene Import-Export-Bilanz, Ausbau von Kapazitäten grüner Energie, stabile und gesetzliche Preise, keine spekulativen Gewinne mehr, zentrales Energiemanagament. Christian Lindner?
Die Studie wurde verfasst von Heinz-Josef Bontrup, Michal Brodmann, Christian Fieberg, Markus Löffler, Ralf-Michael Marquardt, Andreas Schneider und Andreas Wichtmann. Sie steht hier zum Download bereit.
Kathrin Gerlof ist freie Autorin und Journalistin und Chefredakteurin der monatlich erscheinenden Wirtschaftszeitung OXI Wirtschaft anders denken.