Halbzeitpause für Schwarze Mikro-Löcher am CERN

Seite 2: Emotional geführte Debatte

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Obwohl Otto Rössler das Europäische Labor für Teilchenphysik in Genf bereits im Juli 2008 mit einer Visite beehrte und dem ATLAS-Experiment im Januar 2010 erneut die Aufwartung machte, ebbte damals der von seinen Anhängern, Fans und Jüngern initiierte Sturm der Entrüstung nicht ab.

Kosmische Schwarze Löcher haben mit MBHs herzlich wenig gemein. Bild: ESO/M. Kornmesser

Ihre gegen den Mainstream der "Science Community" gerichtete Kritik mündete in einem emotional hart geführten Kampf, der vor allem auf elektronischer Ebene über Blogs, Foren und Artikeln ausgefochten wurde und mit einer harten Diktion einher ging. Gegenseitige Beschimpfungen, die in Persönliche abdrifteten, waren damals an der Tagesordnung. Viele schmunzelten über Rösslers Thesen, stilisierten ihn zum Fantasten, stempelten ihn als Spinner ab, während das Gros der Wissenschaftler und Wissenschaftsjournalisten seine Theorie mit Kopfschütteln und großer Skepsis quittierte, zumal dieser den LHC-Start an anderer Stelle als das "größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte" bezeichnete.

Keine fliegenden unbekannten Objekte, vielmehr ein Bild im Röntgenbereich vom Zentrum unserer Milchstraße (Sagittarius A*), in dem ein supermassives Schwarzes Loch haust. Im Gegensatz zu einem MBH ist es stabil und höchstwahrscheinlich real. Bild: NASA/CXC/UCLA/M.Muno et al.

Einige radikale Weltuntergangspropheten hingegen echauffierten sich über die in ihren Augen an den Tag gelegte Gleichgültigkeit der Wissenschaftler dermaßen, dass sie sogar nicht davor Halt machten, dem US-Nobelpreisträger Frank Wilczek anonym mit dem Tod zu drohen und andere CERN-Mitarbeitern verbal zu attackieren und auf das Übelste zu beleidigen.

Kreative Pause im CERN

Doch all dies scheint vorerst Vergangenheit zu sein. Es ist auffallend ruhig geworden um die vermeintlich Schwarzen Mini-Löcher am CERN. Die sonst so beflissenen Kassandrarufer üben sich zurzeit in dezenter Zurückhaltung. Geschuldet ist dieser Umstand der augenblicklichen Situation im und am CERN. Schließlich läuft nach drei Jahren pausenlosem Betrieb in Genf seit Februar 2013 kein einziger Beschleuniger mehr. Die Physiker haben alle Experimente heruntergefahren, um alle Stromverbindungen, die sich in der Vergangenheit als Schwachstelle entpuppten, zu modifizieren und nachzubessern. Dass es an der Zeit war, zu handeln, bestätigt auch der CERN-Teilchenphysiker Michael Hauschild:

Der LHC steht unter anderem auch deswegen still, weil wir kurz nach dem Start des LHC 2008 einen Unfall zu verzeichnen hatten. Damals folgten umgehende Reparaturmaßnahmen. Dabei stellte sich heraus, dass mehr und längerdauernde Reparaturen nötig waren, die so schnell nicht durchgeführt werden konnten. Deswegen wurde entschieden, den LHC zunächst nur mit halber Energie zu betreiben und diese Reparaturen später durchzuführen.

Während ein Teil der Forscher derweil den immensen angehäuften Datenberg abträgt, laufen die Vorbereitungen für den abermaligen Neustart der Anlage auf Hochtouren. Das primäre Ziel der Modernisierungsarbeiten am LHC besteht darin, die Energie der Teilchenkollisionen signifikant zu erhöhen. Läuft alles nach Plan, setzen die Teilchenphysiker ihre Experimente in einem Jahr fort. "Wir haben jetzt Halbzeit; im März oder April des nächsten Jahres setzen wir die Versuchsreihen fort."

Atlas-Experiment am CERN. Bild: CERN

Diskussion um MBHs wird wieder aufleben

Michael Hauschild ist eine feste Größe am CERN, koordinierte er doch eine Zeit lang die Überwachung der Qualität der Kollisionsdaten, die der ATLAS-Detektor aufzeichnet. Heute übernimmt er am CERN vielfältige Aufgaben und fungiert unter anderen auch als "Secretary des Advisory Committee of CERN Users" (ACCU) und als Mitglied in der "German Executive LHC Outreach Group" (GELOG). Da er überdies auch für CERN Öffentlichkeitsarbeit macht und direkte Kontakte zu den Medien pflegt, musste er sich auch zwangsläufig mit den Theorien Otto Rösslers auseinandersetzen. Seit den ersten Testläufen am LHC hat er viele Anfragen über die verklärten Schwarzen Mikro-Löcher beantworten müssen. Heute ist dies gleichwohl nicht mehr der Fall.

Ja, was die Weltuntergangstheorien angeht, ist es ruhig geworden. Zurzeit werde ich kaum auf mikroskopisch kleine Schwarze Löcher angesprochen. Das Thema wirkt etwas überholt, weil nach drei Jahren LHC-Betrieb nichts passiert ist.

Fakt sei nun einmal, dass die Weltuntergangsszenarien à la Rössler schlichtweg nicht eingetroffen seien, betont Hauschild. Aber auch die Entdeckung des Higgs-Teilchens hat die Diskussion um die Mini-Schwarzen-Löcher spürbar abgeschwächt. Dennoch sei dies nicht mehr als eine Momentaufnahme. Die Diskussion hierüber wird 2015 wieder aufblühen.

Wir rechnen damit, dass dieses Thema dann wieder aktuell wird, wenn der LHC nächstes Jahr mit höherer Energie erneut an den Start geht. Ich schließe nicht aus, dass Herr Rössler und seine Anhänger noch einmal aktiv werden, wenn der LHC seine Arbeit wieder aufnimmt.