Hamburg: Verdächtige Stille im Rathaus
Seite 2: Rechtsstaat vorübergehend "suspendiert"
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Wer regiert denn nun diese Stadt? Als erstes fiele einem da also Hartmut Dudde ein. Als nächstes käme dann … lange Zeit erst einmal nichts, bzw. niemand. Der Senat scheint kollektiv in Tiefschlaf gefallen zu sein, aus dem Innensenator Grote (SPD) am Montag kurz aufwachte, um einen Tweed bezüglich eines erneuten Gerichtsurteils abzusetzen: "VG Hamburg bestätigt Linie der Versammlungsbehörde: Kein Übernachtungscamp. Eilantrag der Camper heute Nacht abgelehnt." Damit wurde der Polizei-Einsatz rückwirkend richterlich abgesegnet. Offensichtlich hat Grote sich anschließend noch einmal umgedreht - seither ist von ihm nichts mehr zu hören.
Allerdings über ihn, denn die Bürgerschafts-Fraktion der Partei DIE LINKE fordert in einer Pressemitteilung seinen Rücktritt:
Die Polizei hat gestern ein gerichtlich genehmigtes Protestcamp in Entenwerder unter Einsatz von Pfefferspray gestürmt. Der Aufbau des Camps war zuvor durch das Verwaltungsgericht Hamburg genehmigt worden. Auch hatte das Verwaltungsgericht der Polizei in seinem Beschluss explizit aufgegeben, das Aufstellen von Schlafzelten zu dulden. Genau das Gegenteil geschah: Mehrere Hundertschaften behinderten den Aufbau des Camps massiv und griffen es später bei Dunkelheit an, wobei mehrere Schlafzelte beschlagnahmt wurden.
Auch wenn es mittlerweile eine neue Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg gibt: Bis heute Morgen war rechtlicher Stand der Dinge, dass das Camp samt Schlafzelten in Entenwerder aufgebaut werden kann. Die Polizei unter der politischen Verantwortung von Innensenator Andy Grote hat sich über die zu diesem Zeitpunkt bestehende und inhaltlich klare gerichtliche Entscheidungslage hinweggesetzt und somit einen Grundpfeiler des Rechtsstaats, die Gewaltenteilung, für ungefähr 32 Stunden faktisch suspendiert.
Linksfraktion Hamburg
Die Fraktionsvorsitzenden Sabine Boeddinghaus und Cansu Özdemir sowie die innenpolitische Sprecherin Christiane Schneider stellten klar, dass die Verantwortung dafür letztendlich der Innensenator trage: "Andy Grote pfeift auf das Recht. Er ist dafür verantwortlich, dass die Polizei sich über die Gerichte erhoben hat. Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass die Polizei gerichtliche Urteile respektiert, das ist absolute Grundlage eines Rechtsstaats. Der polizeistaatliche Ausnahmezustand des gestrigen Abends lässt für die kommenden Tage Schlimmes befürchten. Andy Grote muss zurücktreten."
Schneider ergänzte: "Das Camp stand zum Zeitpunkt des von Dudde befohlenen Einsatzes unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit. Versammlungsfreiheit ist kein Recht von Grotes Gnaden, es ist ein Menschenrecht. Mit Innensenator Grote ist kein Rechtsstaat zu haben. Er muss gehen."
Für ihre Forderung hätte DIE LINKE keinen günstigeren Moment abpassen können. Denn auch in den Hamburger Medien wurde der Polizei-Einsatz in Entenwerder harsch kritisiert.
Die nächsten Auseinandersetzungen kündigen sich an
Die Grünen, die mit Till Steffens den Justizsenator stellen, äußern Unverständnis. Ein Lebenszeichen - immerhin. Denn es drängte sich schon die Frage auf, ob "der kleine Koalitionspartner" vom Winterschlaf gleich in Ohnmacht gefallen sei. Das Bauchgrummeln könnte sich nach Lage der Dinge im Laufe der Woche noch zu den berühmten Bauchschmerzen ausweiten, die die Grünen immer plagen, wenn sie, um ihre Position zu halten, unliebsame Entscheidungen mittragen müssen.
Denn das Hickhack um das Protestcamp ist noch lange nicht beendet. Nun schalteten sich auch die entnervten verhinderten Protest-Camper ein. Das Bündnis "Welcome to Hamburg" kündigte Konsequenzen an, sollte ihnen kein akzeptabler Platz angeboten werde: "Sollte bis Dienstag, 04.07., um 10:00 Uhr das Camp mit Schlafplätzen nicht möglich sein, weil die Polizei weiterhin an ihrer Angriffs- und Eskalationsstrategie festhält oder die Politik der Stadt Hamburg es zu verhindern versucht, werden massenhaft und Spektren übergreifend Parks, Plätze, Flächen und Knotenpunkte der Stadt besetzt."