Hamburg: Wenn Sturmfluten drohen und Klimabewegte stören

Stören aus Überzeugung: Aktive des "Aufstands der letzten Generation" in Hamburg. Foto: Essen Retten - Leben Retten

Hafenstädte sind durch steigende Meeresspiegel besonders verwundbar. Trotzdem haben auch hier viele kaum Verständnis für Straßenblockaden als Mittel zur Durchsetzung wirksamer Gegenmaßnahmen

"The sea is rising, so are we" lautet eine Parole der Klimaschutzbewegung. Dazu passt gewissermaßen, dass sich die Gruppe "Aufstand der letzten Generation" an diesem Montag kurz nach einer Sturmflut Hamburg als Hotspot ihrer Blockadeaktionen ausgesucht hat, um wichtige Zufahrtswege zum Hafen zu versperren.

Ab 7.30 Uhr versammelten sich die Aktiven auf der Köhlbrandbrücke, an der westlichen Ab- und Zufahrt zu dieser und auf der Kattwykbrücke. Knapp zwei Stunden teilte die zur Räumung angerückte Polizei mit, dass sich einzelne Personen auf der Fahrbahn festgeklebt hätten und die Bereiche immer noch gesperrt seien. Im Anschluss musste auf der Fahrbahn ausgegossenes Speiseöl beseitigt werden, bevor sie wieder freigegeben werden konnte.

Betroffene zeigen teils Verständnis für die Motive, aber kaum für die Methode

Genervt reagierten wie üblich viele der Betroffenen, aber in manchen Gesprächen klang laut Carla Hinrichs zumindest Verständnis für die Beweggründe der Aktiven an, wie die Pressesprecherin der Gruppe gegenüber Telepolis berichtete. Einem Lkw-Fahrer, der die Aktionsform kritisiert habe, sei zugleich bewusst gewesen, was der menschengemachte Klimawandel gerade für Hamburg bedeute. Nur die Blockaden habe er nicht gutheißen können.

Hinrichs betont dagegen das enger werdende Zeitfenster: In drei bis vier Jahren sei aus klimawissenschaftlicher Sicht das Schlimmste nicht mehr zu verhindern. Die Gruppe hatte deshalb am 16. Februar der Bundesregierung ein "Ultimatum" gestellt, das diese natürlich ignoriert hatte. Bis Sonntagabend hätte sich Bundeskanzler Olaf Scholz aus ihrer Sicht zu den Empfehlungen des Bürgerrats Klima äußern und als ersten Schritt ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung zusagen sollen.

"Versagt die Politik darin, ihre Bevölkerung zu schützen, sehen wir uns gezwungen, mit zivilem Widerstand für das Überleben aller einzustehen. Wir werden in diesem Fall anfällige Infrastruktur wie Häfen und Flughäfen als Ausdruck unseres unverändert fossilen Alltags in diesem Land stören", hatte die Gruppe angekündigt.

Bisherige Sturmfluten und teure Anpassungsmaßnahmen

Die Verwundbarkeit von Hafenstädten durch den war Hamburgs Bevölkerung gerade erst wieder vor Augen geführt worden: Durch das Orkantief Zeynep erlebte die Hansestadt Ende vergangener Woche eine Sturmflut mit bis zu 3,75 Metern über dem mittleren Hochwasser, was rund 5,9 Metern über Normalhöhennull entspricht.

Der Fischmarkt, die Große Elbstraße und Teile der Hafencity wurden überflutet. Ein Rekord war das nicht; bei der Sturmflut im Jahr 2013 waren 6,1 Meter erreicht worden. Seit durch die Sturmflut von 1962 mehr als 300 Menschen gestorben waren, wappnet sich der Stadtstaat gezielter gegen solche Ereignisse. Momentan gibt Hamburg jedes Jahr 20 bis 30 Millionen Euro für den Hochwasserschutz aus.

Zugunsten von Deicherhöhungen mussten im vorletzten Jahr bereits 300 Jahre alte Häuser abgerissen werden. Mittel- bis langfristig wird das aber nicht reichen, wenn der Klimawandel ungebremst weitergeht. Die Uni Hamburg prüft bereits, ob ein gigantisches Sperrwerk an der Elbmündung die Stadt vor dem Untergang bewahren kann, wenn der Meeresspiegel um einen bis fünf Meter steigt.

Klar ist: Hier muss in den nächsten Jahren und Jahrzehnten viel Geld in die Hand genommen werden, um sich den schon jetzt nicht mehr verhinderbaren Folgen des menschengemachten Klimawandels anzupassen – und noch viel mehr, wenn er ungebremst weitergeht.

Gewaltfreiheit bleibt oberstes Gebot

Noch funktioniert in großen Teilen Deutschland aber das Framing vom "teuren" Klimaschutz; und wer den "fossilen Alltag" stört, um mehr davon einzufordern, muss mit genervten und teils aggressiven Reaktionen rechnen. Laut Hinrichs ist aber für die Beteiligten der Blockadeaktionen Gewaltfreiheit oberstes Gebot – auch wenn sie beschimpft oder geschlagen werden.

Am Nachmittag schwamm nach Angaben der Gruppe auch ein Aktivist im Hamburger Hafenbecken, um den Schiffsverkehr zu behindern. "Den Aufforderungen der Polizei, das Hafenbecken zu verlassen, kam er nicht nach und würde schließlich unfreiwillig aus dem Wasser gezogen", hieß es um 15.15 Uhr.

Parallel zu den Aktionen in Hamburg wurden heute die Bundesstraßen 31 bei Freiburg und 27 bei Stuttgart vorübergehend blockiert. Die Polizei stellte auch an diesem Montag wieder Dutzende Strafanzeigen – die Aktiven haben davon seit Ende Januar zum Teil schon mehrere "gesammelt".

"Jede Störung gegen die Katastrophen, die uns in Zukunft bevorstehen, ist nichts im Vergleich zu den Störungen, die wir durch Fluten, Orkane, Dürren und Waldbrände erleben werden", sagt die Psychologie-Dozentin Jana Mestmäcker, die sich an den Aktionen beteiligt.

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