Hamburger Journalistin und slowenischer Kollege im Irak verhaftet
Ein Solidaritätskreis sorgte dafür, dass das Schicksal von Marlene Förster und ihres Kollegen Matej Kavcic überhaupt bekannt wurde
Am heutigen Tag der Pressefreiheit wurde über die Verfolgung von Journalistinnen und Journalisten in aller Welt informiert. In diesem Zusammenhang hatdie Solidaritätskampagne "Free Marlene und Matej" über die Repression gegen Medienvertreter in einer Region informiert, über die hierzulande wenig berichtet wird, obwohl auch dort aktuell ein Angriffskrieg stattfindet: dem Nordirak.
Die deutsche Journalistin Marlene Förster und der slowenische Journalist Matej Kavcic wurden dort am 20. April 2022 festgenommen. Mittlerweile sind sie im Hauptquartier des irakischen Geheimdienstes in Bagdad inhaftiert. Bisher liegen keine offiziellen Begründungen für die Haft vor. Beide hatten bisher keine Möglichkeit, mit einem Anwalt zu sprechen. Förster und Kavcic hatten in dieser Region Gespräche mit Überlebenden des Genozids und von der Flucht vor dem Genozid zurückgekehrten Jesidinnen und Jesiden geführt.
Sie führen Interviews mit Vertretern verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen und Institutionen in der Region, unter anderem mit Beteiligten der Autonomieverwaltung im Şengal (Sindschar).
Das Schweigen über den Angriff auf die Selbstverwaltung
Der Genozid an Jesiden durch den "Islamischen Staat" (IS) hat 2014 weltweit für Empörung gesorgt. Es waren aber die bewaffneten kurdischen Milizen, die damals die Angegriffenen verteidigte und vielen das Leben retteten. Dafür gab es weltweit viel Anerkennung. Dies hat aber nicht dazu geführt, dass beispielsweise die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die wesentlich an der Verteidigung der Jesiden beteiligt war, von der Terrorliste der EU gestrichen wurde.
Vielmehr gehen die Prozesse gegen tatsächliche oder vermeintliche Unterstützer der PKK auch in Deutschland weiter. Auch die kurdische Autonomieverwaltung wird im Windschatten des Ukraine-Krieges massiv vom türkischen Militär, aber auch von Milizen des irakischen Staats angegriffen.
Während der Osterfeiertage gingen in vielen deutschen Städten Kurdinnen und Kurden auf die Straße, nachdem die Türkei erneut Angriffe gestartet hatte. Es waren kaum Menschen aus der deutschen Zivilgesellschaft darunter, die angesichts des Ukraine-Krieges so wortgewaltig beschwören, dass es im 21. Jahrhundert keine Kriege mehr geben dürfe.
Dass die Jesiden, die vor wenigen Jahren den Genozid der islamistischen Mörderbanden überlebt haben, heute wieder militärischen Angriffen aus der Türkei und dem Irak ausgesetzt sind, interessiert hierzulande nur wenige. Schließlich sind ja auch kaum Journalistinnen und Journalisten Ort, die die Opfer zu Wort kommen lassen. In diesem Zusammenhang kann die Verhaftung von Förster und Kavcic auch als Warnung gesehen werden. Sollten Medienvertreter in diese Region den Bewohnern Stimme und Gesicht geben, kann dies auch mit ihnen geschehen.
Es dauerte auch mehr als zwei Wochen und ist den Unterstützerkreisen der beiden Medienschaffenden zu verdanken, dass die Verhaftung von Förster und Kavcic überhaupt einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde. Zum Tag der Pressefreiheit an diesem 3. Mai haben wurde in mehreren Städten für ihre Freilassung demonstriert.
In Potsdam hatten sich rund 30 Personen vor dem Bundestagsbüro von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) versammelt. Eine ihrer Mitarbeiterinnen nahm von den Demonstrierenden ein Dossier mit den Hintergründen entgegen. Zuvor hatte der Solidaritätskreis schon einen offenen Brief an Baerbock gerichtet, in dem es heißt:
"Matej und Marlene – zwei junge Menschen aus Slowenien und Deutschland interessieren sich genauso für das Schicksal der Êzîd:innen und wollen dazu beitragen, dass die Forderung und das Recht der ezidischen Bevölkerung auf Selbstbestimmung weltweit Gehör finden."
Aus dem offenen Brief der Initiative Free Marlene und Matej
So wäre zu hoffen, dass Marlene Förster und Matej Kavcic sofort freigelassen werden und dass ihre Festnahme den Blick auf die Kriege und ihre Opfer schärft – auch wenn sie nicht in Mitteleuropa leben.