"Harter Hund" im Geiste Strucks: Boris Pistorius wird Wehrminister

Der designierte Verteidigungsminister Boris Pistorius. Foto: Daniel Biskup / CC-BY-SA-3.0

Niedersachsens bisheriger Innenminister soll das Verteidigungsressort im Bund übernehmen. Für Außenstehende kommt dies überraschend. Doch es gibt Gründe, warum Bellizisten ihn für zuverlässig halten.

Spekuliert wurde zunächst über ganz andere Namen: Ein deutlich zackigeres Auftreten als Christine Lambrecht (SPD), mehr Entschlossenheit zu militärischen Lösungen und einen kurzen Draht zur Rüstungsindustrie hätte auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) bieten können.

Aber Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wollte wohl nicht den Parteienproporz im Kabinett aufgeben, als es galt, die Spitze des Verteidigungsministeriums neu zu besetzen. Vielleicht wollte er auch nicht zu aggressiv zum Jagen getragen werden, denn auch seine Parteifreundin Eva Högl, die Wehrbeauftragte des Bundestags, konnte sich nicht erfolgreich für das Amt "bewerben", indem sie kurz vor dem Lambrecht-Rücktritt verkündete, die Bundeswehr brauche eigentlich nicht 100, sondern 300 Milliarden als Sondervermögen.

Scholz, den manche Bellizisten selbst für einen "Bremser" halten, gab schließlich trotz erwartbarer Kritik die Geschlechterparität im Kabinett auf. Der Posten geht an einen SPD-Politiker, den außerhalb Niedersachsens kaum jemand auf dem Schirm hatte: Boris Pistorius.

Der bisherige Landesinnenminister gilt immerhin als "harter Hund", wie es heute bei n-tv und RTL hieß. Der heute knapp 63-jährige Jurist hat seinen Wehrdienst 1980/81 in der Steuben-Kaserne in Achim abgeleistet, war nach seinem Studium nur kurze Zeit als Anwalt tätig und wechselte dann als Referent ins niedersächsische Innenministerium.

Als Landespolitiker steht er schon längere Zeit im Ruf des Law-and-Order-Mannes. Zwar beteiligte er sich selbst schon mal an einer Kundgebung gegen den Aufmarsch von Neonazis in Bad Nenndorf, sagte aber auch einem Teil der Antifa-Gruppen den Kampf an und ließ sogar deren Verbot prüfen.

Wenn von institutionellem Rassismus die Rede war, konnte für Pistorius zunächst nicht sein, was nicht sein darf. In diesem Sinne kritisierte er 2020 auch öffentlich seine Parteivorsitzende Saskia Esken für deren Aussagen über Rassismus bei der Polizei.

Mit dem Inlandsgeheimdienst gegen Feindbegünstigung

Im März vergangenen Jahres forderte Pistorius, "dass der Verfassungsschutz sein Augenmerk derzeit besonders auf diejenigen Organisationen und Parteien im Land richtet, die womöglich eine besondere Nähe zu Putin auszeichnet".

Um diese Aussage richtig einzuordnen, ist es ratsam, sich zu erinnern, wie schnell in der emotionalisierten Debatte über den Ukraine-Krieg zeitweise der Vorwurf der Feindbegünstigung erhoben wurde, wenn Worte wie "Verhandlungslösung" fielen – und das, obwohl Deutschland nie offiziell am Krieg beteiligt war.

Eine Unschuldsvermutung im Sinne des Wörtchens "womöglich" war da schon fast das höchste der Gefühle – trotzdem sollte laut Pistorius der Inlandsgeheimdienst aktiv werden. Insofern dürfte das bellizistische Lager ihn für politisch zuverlässig halten.

Mehrfach wurde er am heutigen Dienstag mit dem 2012 verstorbenen Ex-Wehrminister Peter Struck (SPD) verglichen, besonders lobend bei RTL vom ehemaligen Bild-Vizechef Nikolaus Blome. Von Struck wiederum stammt der berühmte Satz: "Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird heute auch am Hindukusch verteidigt."

Pistorius soll bereits am Donnerstag als neuer Verteidigungsminister vereidigt werden.