Hartz IV für Anfänger

Seite 2: Die angemessenen Kosten der Unterkunft im ALG II

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Und im Fall der allermeisten Kommunen fällt auf, dass das Wohngeld, das eigentlich hohe Mieten bezahlbar machen soll, der Höhe nach hinter dem ALG II zurück bleibt; Ausnahme: Jene Glückseligen, die an einem Ort mit hohen Mieten eine Wohnung mit sehr geringer Miete bewohnen, denn je höher die Mietstufe, desto höhere Mieten werden auch berücksichtigt: So werden an einem Ort mit geringer Mietstufe bei einem Alleinstehenden mit 500 Euro Warmmiete vielleicht 320 Euro in die Berechnung einbezogen. Bei einer hohen Mietstufe würden die gesamten 500 Euro berücksichtigt.

Noch viel komplizierter als dies ist jedoch die Art, wie Leistungsträger die angemessenen Kosten der Unterkunft im ALG II ermitteln: Gerechnet wird mit Statistiken, die mal mehr, mal weniger aussagekräftig sind; allein gemein ist, dass die Modelle vielzählig und extrem intransparent sind.

Sind die Wohnungen überhaupt verfügbar?

So werden vielerorts die Mieten angeschaut, die Leistungsbezieher bereits bezahlen, ohne dass dabei berücksichtigt wird, dass solche Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt überhaupt nicht verfügbar sind. "Zu teuer" bedeutet also im Hartz IV-Universum also meist nicht, dass die Leute in Luxuswohnungen leben, sondern dass einfach oft von Mieten ausgegangen wird, die auf dem Markt längst nicht mehr verfügbar sind.

Wer ALG II beantragt, hat zunächst einmal Anspruch darauf, dass die Miete in voller Höhe übernommen wird. Ziemlich schnell wird man aber eine sogenannte Kostensenkungsaufforderung erhalten, in der mitgeteilt wird, dass man in sechs Monaten nur noch die "angemessenen Kosten der Unterkunft" übernehmen wird; man möge doch eine andere Wohnung suchen. In München beispielsweise wird für eine vierköpfige Familie als angemessene Bruttokaltmiete, also inklusive der kalten Betriebskosten, 1.172 Euro angesetzt, hinzu kommen die Heizkosten.

Man braucht schon extremes Glück, um innerhalb dieser Zeit eine Wohnung zu diesem Preis zu finden, schafft man es nicht, hat man die Möglichkeit unter Nachweis der erfolglosen Suche den Versuch zu unternehmen, die weitere Übernahme der vollen Mietkosten zu erreichen ; die Erfolgsaussichten: unbestimmt.

Sehr viele Menschen vor allem in den Großstädten bezahlen deshalb einen Teil der Miete aus dem Regelsatz, also jenen derzeit 424 Euro, die eigentlich dazu da sind, um den Lebensunterhalt sicher zu stellen, und das wird sich, so sich die SPD mit ihrem Vorschlag durchsetzt, auch nur um eineinhalb Jahre verzögern.

Und natürlich: Bei alledem wird sich mancher gefragt haben, wie es denn mit der Eigenverantwortung aussieht, warum denn beispielsweise im Beispiel der Münchner Familie nicht einfach die Erwachsenen wenigstens 450 Euro-Jobs machen.

Die Rechnerei, die dann folgt, ist etwas für Liebhaber: Zunächst einmal muss das Einkommen der arbeitslosen Person auf das ALG I angerechnet werden. Hier gilt ein Freibetrag von 165 Euro; 285 Euro werden also vom ALG I abgezogen: Es werden also 1891,20 Euro an ALG I ausgezahlt.

Zusammen mit beiden Nebenjobs und Kindergeld hat die Familie also jetzt 3175,20 Euro zur Verfügung, und damit 357,20 Euro zusätzlich - dafür haben dann zwei Leute wahrscheinlich zusammen um die 80 Stunden im Monat gearbeitet, wobei man natürlich, mit Blick auf die zu zahlenden Rechnungen sagen würde: Wichtig ist, was am Ende unter dem Strich steht.