Hat Rebellenführer Besitz von Buk-Flugabwehr bestätigt?
Die Meldung fand große Aufmerksamkeit, fraglich ist, ob sie zutrifft
Reuters hat ein Interview mit dem Separatistenführer Alexander Chodakowski, Kommandeur des Vostik-Bataillons, geführt. Das in Ausschnitten wiedergegebene Interview findet große Aufmerksamkeit, denn nach Reuters hat der Kommandeur angeblich zugegeben, dass die Separatisten ein Buk-Flugabwehrsystem in Besitz hatten. Daraus wird in den Medien, die das Interview in der Regel unkommentiert wiedergeben, wiederum suggeriert, dass damit dann auch die Passagiermaschine abgeschossen wurde. So beispielsweise der Spiegel oder die Zeit oder die Faz: "Die Separatisten in der Ostukraine verfügten über BUK-Raketen, mit denen offenbar der Malyasian Airlines-Flug MH17 abgeschossen wurde. Das räumt jetzt ein einflussreicher Rebellenkommandeur ein."
Die Wendung "Buk-Raketen, mit denen offenbar der Malyasian Airlines-Flug MH17 abgeschossen wurde" ist jedenfalls noch eine Zugabe des Spiegel und steht so nicht in der Primärquelle. Die Frage allerdings ist, ob Reuters tatsächlich die Primärquelle ist, denn es gibt ein Interview mit Chodakowski, das als Video und mit Transkription veröffentlicht wurde, in dem das alles deutlich weniger eindeutig klingt.
Aber zurück zu der Version von Reuters, nach der Chodakowski gesagt hat, dass das Buk-System aus der "Volksrepublik" Lugansk gekommen sei und dass es nach der Tragödie zurückgeschickt worden sei, um dessen Existenz zu verschleiern. Ob es nach Russland zurückgeschickt worden ist, sagte er nicht. Nach Reuters berichtete der Kommandeur, die Ukraine habe gewusst, dass ein Buk-System nach Snezhnoye gebracht wurde, von wo aus nach Angaben der ukrainischen und US-amerikanischen Geheimdienste die Rakete abgeschossen wurde. Kiew habe dies gewusst und es nicht verhindert, sondern sogar den Einsatz des Flugabwehrsystems provoziert, weil es einen Luftangriff kurz vor dem Überflug des Passagierflugzeugs begonnen habe.
Würde man der Reuters-Version Glauben schenken, würde dies nicht nur Kiew belasten, sondern auch dafür sprechen, dass ein ukrainisches Kampfflugzeug in der Nähe der Passagiermaschine gewesen war, wie das das russische Verteidigungsministerium behauptet hat. Aber das geht in der Erregungswelle, in der sich derzeit viele westliche Medien befinden, unter. Man schreibt einen Thriller, in dem der Täter bekannt ist und man lediglich nach Beweisen sucht, um ihn zu überführen.
Dass Separatisten im Besitz eines Buk-Systems waren, ist gut möglich. Tatsächlich hatten die Separatisten behauptet, sie hätten ein solches System erbeutet. Sie haben auch zahlreiche andere Waffen erbeutet. Zudem sind Offiziere und Soldaten zu den Aufständischen übergelaufen. Chodakowski ist ein gutes Beispiel. Er war früher Chef der Anti-Terror-Einheit "Alpha" des Innenministeriums in Donezk. Dass die Separatisten ein Buk-System von den ukrainischen Streitkräften erbeutet haben, wurde aber von der ukrainischen Regierung am 18. Juli, einen Tag nach dem Abschuss, abgestritten, was dann wieder zur Folge hatte, dass die Behauptung an Bedeutung gewann, die Separatisten hätten es aus Moskau erhalten und nach dem möglicherweise versehentlichen Abschuss. Ob die Aussage des ukrainischen Generalstaatsanwalts Yarema richtig war, wurde von niemandem überprüft.
Der Kommandeur hatte am 23. Juli ein Interview gegeben, das hier veröffentlicht wurde. Möglicherweise ist es gefälscht, man muss auf russischer Seite auch mit allem rechnen. Jedenfalls gibt hier der Kommandeur seine Hoffnung zum Ausdruck, dass eine unabhängige internationale Kommission die verantwortlichen Täter herausfinden soll. Er sagt, die Ukraine habe nach angeblichen Aufzeichnungen von Gesprächen von Separatistenführern am Tag zuvor behauptet, die Separatisten würden ein Buk-System nach Snezhnoye bringen. Wenn die ukrainische Seite darauf bestehe, dass diese abgehörten Gespräche authentisch seien, hätte sie gewusst, dass dieses in das Kriegsgebiet gelangt und eingesetzt werden kann. Dann aber hätte die ukrainische Regierung verhindern müssen, dass zivile Passagierflugzeuge über diese Zone fliegen. Das klingt schon ganz anders als bei Reuters.
Weil sein Interview Aufsehen erregt, wurde der Kommandeur auch von der russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti gefragt. Dieser soll er berichtet haben, dass er die Version von Reuters bestreitet. Er habe nicht gesagt, dass die Separatisten ein Buk-Raketensystem gehabt haben, sondern nur über verschiedene Möglichkeiten gesprochen. Das bestätigt auch ein Zitat aus dem Reuters-Interview:
The fact is, this is a theatre of military activity occupied by our, let’s say, partners in the rebel movement, with which our cooperation is somewhat conditional. What resources our partners have, we cannot be entirely certain. Was there (a BUK)? Wasn't there? If there was proof that there was, then there can be no question.
Überhaupt ist der Kommandeur, der das Chaos und die Rivalität der Milizen einräumt, vage. Er will jedenfalls nicht hineingezogen werden, will aber auch nicht andere Milizen beschuldigen. Man könne das Vorhandensein eines Buk-Systems leicht erkennen. Wenn eines in der Ostukraine gewesen war, dann müsse man die Beweise vorlegen, erklärte er.
Wem soll man nun Glauben schenken? Gut möglich, dass der Kommandeur seine Äußerungen zurückzieht, um einen Konflikt mit anderen Separatisten zu vermeiden. Möglich aber ist auch, dass man sich in den westlichen Medien bemüht, möglichst Beweise für die vermutete Verantwortung der Separatisten zu finden.
Die Untersuchung der Flugschreiber soll übrigens ergeben haben, dass keine Manipulationen der Daten vorgenommen wurden. Das war als Verdacht geäußert worden, weil die Separatisten diese erst einige Tage nach dem Absturz übergeben haben - nicht der ukrainischen Regierung, der sie misstrauen, sondern dem internationalen Untersuchungsteam: "Der Stimmenrecorder im Cockpit wurde beschädigt, aber der Teil, der die Daten enthält, war intakt. Es gibt weder Beweise noch Hinweise dafür, dass das Gerät manipuliert wurde.