Hat Trumps Wahlkampfmanager Manafort Assange besucht?
Über die vermeintliche Enthüllungsstory, die der Guardian verbreitet hat
Es hätte der Nachrichtenknüller zum Ende des Jahres werden sollen. Zumindest schien alles dafür angerichtet, als die britische Tageszeitung "The Guardian" sowohl in ihren Print-Publikationen als auch Online am 27. November 2018 mit einer großen Enthüllungsstory über den Wikileaks-Gründer Julian Assange aufwartete.
Bekanntlich sitzt Assange seit mehreren Jahren in der ecuadorianischen Botschaft in London fest. In dieser Botschaft soll Assange in den Jahren 2013, 2015 und 2016 Donald Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort empfangen haben. Das ist die zentrale Unterstellung des von Luke Harding, Dan Collyns und Fernando Villavicencio veröffentlichten Artikels. Villavicencio taucht inzwischen nicht mehr als Autor auf, wie die Geschichte überhaupt inzwischen vielfach mutiert wurde.
Diese Mutationen haben mit den wachsenden Zweifeln am Wahrheitsgehalt der Geschichte zu tun. Würde die von Harding und seinen Co-Autoren behauptete These stimmen, sie hätte weitreichende politische und juristische Folgen. Denn der Beweis für ein direktes Treffen zwischen Manafort und Assange könnte ein fehlendes Glied für eine Beweiskette bilden um die Behauptung, Wikileaks habe als Teil einer von Russland gesteuerten Kampagne Donald Trump an die Macht gebracht zu unterfüttern.
Das Veröffentlichungsdatum des Artikels kam in dieser Hinsicht zu einem spannenden Datum. Denn nur wenige Tage zuvor kam zufällig heraus, dass die amerikanische Justiz insgeheim Anklage gegen Assange wegen Geheimnisverrat erhoben hat (USA planten geheime Anklage gegen Julian Assange). Assange hat immer ausgesagt, dass er politische Verfolgung in den USA befürchtet, weswegen er Asyl in einem Land sucht, welches ihn nicht dorthin ausliefern wird. Die vom Guardian erhobenen Vorwürfe könnten Munition für eine Auslieferung in die USA liefern.
Aber ist an den Vorwürfen etwas dran? Daran bestehen Zweifel. Der Guardian beruft sich in seiner Geschichte auf anonyme Quellen aus dem ecuadorianischen Sicherheitsapparat. Für die angeblichen Besuche Manaforts in der ecuadorianischen Botschaft werden bis heute keine Beweise angeführt. Stattdessen wurden Inhalt und Überschrift des Artikels noch am Tag der Veröffentlichung redaktionell bearbeitet und verwässert. Aus der Überschrift "Manafort Held Secret Talks With Assange", einer Faktbehauptung, wurde: "Manafort Held Secret Talks With Assange, Sources Say" - die Wiedergabe einer Behauptung durch anonyme Quellen. Am 4. Dezember schrieb Paul Farhi in der Washington Post, dass bislang kein anderes Medium Beweise für die vom Guardian aufgestellten Behauptungen gefunden habe. Die Glaubwürdigkeit der Geschichte sei somit fraglich.
Die ecuadorianische Botschaft gilt als eines der am besten überwachten Gebäude Großbritanniens wenn nicht sogar der Welt. Sie ist von Videokameras der britischen Polizei umstellt, wie überhaupt in fast jeder Straße der Stadt zahlreiche Sicherheitskameras aufgestellt sind. Auch in der Botschaft selbst werden Sicherheit und Überwachung groß geschrieben. Assange kann keinen Schritt unternehmen, ohne dass dies von einer Kamera oder einem Mikrophon aufgezeichnet wird.
Am 3. Dezember 2018 gab Fidel Narváez, der ehemalige Konsul und erste Sekretär der ecuadorianischen Botschaft von 2010 bis Juli 2018 dem britischen Onlineportal "The Canary" ein Interview. Darin bestritt Narváez die im Guardian aufgestellten Behauptungen vehement. Unter anderem sagte er:
Es ist Besuchern nicht möglich, dass Gebäude zu betreten, ohne sich sehr strikten Sicherheitsprotokollen zu unterwerfen und eine klare Aufzeichnung zu hinterlassen: Man braucht die schriftliche Zustimmung des Botschafters, muss sich beim Sicherheitspersonal registrieren und eine Ausweiskopie hinterlegen. Die Botschaft ist die am meisten überwachte der Welt: Es gibt nicht nur Kameras auf Nachbargebäuden, die jeden Besucher aufzeichnen. Auch im Gebäude wird jede Bewegung durch CCTV-Kameras aufgezeichnet. Der Sicherheitsdienst der Botschaft hat Assange und seine Besucher schon immer ausspioniert. Es ist einfach nicht möglich, dass Manafort die Botschaft besucht hat.
Fidel Narváez
Sowohl Narváez als auch WikiLeaks haben inzwischen eine Klage gegen den Guardian angedroht.
Verschiedene Journalisten haben inzwischen den Guardian kontaktiert, um Belege für die Enthüllungsstory zu bekommen. Darunter der ehemalige Guardian-Kolumnist und heutige Chefredakteur der Onlinepublikation "The Intercept", Glenn Greenwald. In einer E-Mail an Guardian-Chefredakteurin Kath Viner fragte Greenwald nach eventuell existierenden Videobeweisen und dem Fakt, dass der Besuch Manaforts in den Logbüchern der Botschaft nicht aufscheint. Außerdem fragte Greenwald, ob Viner nach wie vor zu der Geschichte stehen würde.
Die Antwort steht immer noch aus. Seit Veröffentlichung der Geschichte sind inzwischen fast zwei Monate ins Land gezogen. Der Guardian zieht den Artikel zwar nicht zurück, unternimmt aber auch keine Anstrengungen, um dessen Wahrheitsgehalt zu beweisen. Seine Wirkung hat die Geschichte indes bereits gehabt. Vor allem in den USA haben zahlreiche Nachrichtenorganisationen, darunter große Fernsehsender wie CNN, über den angeblichen Besuch Manaforts bei Assange berichtet. Die Kontroverse über die Geschichte ist demgegenüber eher ein Minderheitenprogramm. Gerade deshalb sollte man die Entwicklungen im Fall Assange über die kommenden Wochen und Monate genau beobachten.
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