Hat da niemand "Besatzung" gesagt?

Seite 2: Israelische Gewehrkugeln sind wie Wüste und Humus natürliche Gegebenheit der Region

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Die bloße Erwähnung von Stein- und Flaschenwürfen genügt vielen Medien zur Rechtfertigung der Todesschüsse. Würde man diese Maßstäbe überall anlegen, hätte sich Hamburg während der G20-Proteste auf Artilleriefeuer der Bundeswehr einstellen müssen. Eine ebenso beliebte Floskel zur Rechtfertigung des Massakers ginge wohl selbst Beatrix von Storch zu weit: "Angriff auf den Grenzzaun".

Davon abgesehen, dass auf Zaunbeschädigung nirgends auf der Welt die Todesstrafe steht: Der sogenannte "Grenzzaun" steht weit innerhalb des Gazastreifens und wird gesäumt von einem breiten Streifen militarisierten Niemandslandes und einem weiteren Zaun, dem kein einziger Palästinenser zu nahe kam.

Die mit Abstand beliebteste Erklärung für die Tötung von über 60 Menschen ist allerdings zugleich die kürzeste: Hamas. Diese hat es anscheinend geschafft, Menschen so zu manipulieren, dass sie völlig grundlos ins israelische Gewehrfeuer rennen. Und die Gewehrkugeln? Wie Wüste und Humus offenbar eine natürliche Gegebenheit der Region.

Zumindest letztere Implikation hat dann doch etwas mit der Realität zu tun. Denn auch wenn die Begriffe in kaum einem Bericht vorkommen: "Besatzung", "Belagerung" und "humanitäre Katastrophe" sind nicht nur palästinensische Diskussionsthemen ("Talking Points").

Sie sind völkerrechtliche definierte Realitäten und für Millionen Palästinenser Alltag. Deswegen protestieren Palästinenser seit Wochen, Monaten, Jahrzehnten. Eine Formulierungshilfe, die behauptet, dass sie das Recht dazu haben, ist übrigens so alt wie die Besatzung selbst.

Schon 1967 landeten Talking Points israelischer Behörden auf den Praktikantentischen jener Zeit. Nur hießen "Blockaden" damals nicht "Einfuhrkontrollen", sondern "Kriegshandlungen". Mit Blick auf die Blockade des Suez-Kanal durch Ägypten schrieb die israelische Armee damals:

Wenn eine ausländische Macht danach trachtet, den Hafen in Odessa oder in Kopenhagen, in Marseille oder in New York gewaltsam zu schließen, was würde passieren? Würde es eine Diskussion darüber geben, wer den ersten Schuss abgab? Würde jemand danach fragen, wie die Aggression anfing?

IDF