Hauptsache schön rechts

Seite 3: China ist schon angekommen

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Die europäische Stadt wird zur Maske. Sie wird zum Designprodukt fetischisiert. Kollhoffs Objekt ist das Abziehbild der kompakten europäischen Stadt. Es abstrahiert von historischen Stadtmodellen, indem es einen geglätteten, stilisierten und schematisierten Klassizismus aufbläht. Das geht bis zu den Rundsäulen der Kolonnaden, die mit stilistisch reduzierten dorischen Kapitellen versehen sind.

Das hört sich relativ neutral an. Ein Reduktionismus ist nicht zuletzt Kennzeichen der Moderne. Aber in der Monumentalisierung des Klassizismus liegt genau das, was die Nazis unter Heimatschutzstil verstanden, der prompt kompatibel mit megalomaner Repräsentationsarchitektur wurde. Der Heimatschutzstil rekurriert auf einen Klassizismus aus der Zeit um 1800.

Seit vorigem Jahr hat Frankfurt a.M. eine neue Altstadt. Bild: Bernhard Wiens

Um dorthin zu kommen, wandten die Nazis das Verfahren der Abstraktion von überlieferten Stilen an und landeten bei einer Typisierung, die geschichtslos und übertragbar auf andere Orte ist. Diese Architektur zerstört entgegen der Behauptung jeden Regionalismus mit dem Ziel einer Homogenisierung auch der Menschen. Bei Kollhoff ist dieses Architekturschema auch auf andere Haustypen anwendbar. In Berlin-Dahlem hat er eine monumentale Villa erstellt, die eher nach einer Trutzburg als nach Schinkel aussieht. Der Bauherr scheint keine Bedenken zu haben, die Mischung aus Protz und Kitsch vorzuzeigen. Wird das der neue Populismus?

Nach Trüby ist die Rekonstruktions-Architektur ein "Schlüsselmedium der autoritären, völkischen, geschichtsrevisionistischen Rechten". Er und sein Team vertreten dagegen einen Purismus, der sich auf die Bauhaus-Moderne berufen könnte, aber verkennt, dass in der Architekturgeschichte Stile sich nur auf ungeraden Wegen, mittels Abschweifungen und Kompromissen durchsetzen. Noch 1987 bescheinigte ein Kritiker der Turiner Via Roma, "modern und klassizistisch zugleich" zu sein. Generell wird der faschistischen Architektur Modernisierungspotential zugesprochen. Der heutige Umgang mit Bauten aus jener Zeit sollte von Fall zu Fall überlegt werden. Da sie ihrer ursprünglichen Verwendung entzogen, nutzlos geworden sind wie der Flughafen Tempelhof, böte das Ansätze zu einer verfremdenden Neu-Interpretation, die die Brüche der Geschichte und der Zivilisation deutlich macht.

Trübys Gestus der erhobenen Zeigefingers wird auch architekturpädagogisch von geringem Erfolg sein. Die Teile des Publikums, die sich, ohne auf die Feinheiten zu achten, an den Bausünden der Nachkriegsarchitektur stören und vorvergangene Sehnsuchtsorte wieder haben wollen, werden so nicht überzeugt. Aber es war höchste Zeit, dass Trüby und sein Team einer rechtslastigen Architekturideologie Grenzen aufgezeigt haben, die im Fall des Walter-Benjamin-Platzes überschritten sind. Die Gestaltung des Platzes ist auch ein Hohn auf den Namensgeber. Der Philosoph W. Benjamin nahm sich auf der Flucht vor den Nazis das Leben.

Bleibt noch die maskierte Stadt: Die neue Frankfurter Altstadt ist weder ein "schöpferischer Nachbau" der alten, noch ist sie eine detailgetreue Reproduktion 1:1. Sie wäre leichte Beute für Kopisten, die es nicht ganz so genau nehmen. Die Altstadt könnte sich demnächst in China wiederfinden. In der Nähe von Dongguan werden gerade zwölf europäische Städte oder deren Wahrzeichen nachgebaut, darunter das Heidelberger Schloss, Bologna und die Alhambra. Dem Investoren könnten jedoch die Mittel knapp werden. Es handelt sich um den Konzern Huawei, der dort einen Stützpunkt ausbaut, der seine Mitarbeiter motivieren soll. Ist auch in China die Flugscham so weit gediehen, dass auf einen Besuch des mittelalten Europas verzichtet wird?

Zahlreiche Kopien finden sich auch an anderen Orten Chinas, darunter das so idyllische wie touristische österreichische Hallstatt, das in Boluo spiegelverkehrt rekonstruiert wurde. Ein Entwickler, der ansonsten für die Hochhauskulisse drumherum zuständig ist, sagt: "Imitieren heißt erschaffen... Ideen entstehen nicht aus dem Nichts." Hätte man den Chinesen nicht den Nachbau des künftigen Berliner Flughafens andienen sollen? Wer das chinesische Bautempo kennt, weiß, dass die Kopie schneller als das Original fertig geworden wäre. Die für Berlin bestimmten Flugzeuge hätten schon mal dort landen können. Die Kopierkunst stammt nicht einmal aus China. In Las Vegas wurde Venedig nachgebaut, das wiederum in Macau nach dem amerikanischen Vorbild nachgebaut wurde, nur größer.

Die Bilder haben das Abgebildete verschluckt. Wo was wirklich gebaut wird, ist egal, denn die Wirklichkeit stiehlt sich davon. Auf diesem Terrain gedeihen nur noch identitäre Phantasien. Wohnen wird zu einem Ideal, welches das Ich ersetzt und über die widerspruchsvolle soziale Realität hinwegtäuscht.