Heilfroh, wenn's nicht scheiße ist
Zwei Dekaden nach "Monarchie und Alltag" sind die Fehlfarben zurück. Hurra!
Pünktlich zur medialen Aufarbeitung der deutschen Punk- und New Wave-Ära veröffentlichen die Düsseldorfer Fehlfarben ein neues Album: "Knietief Im Dispo". Mit "Monarchie und Alltag" schufen sie vor 22 Jahren ein unübertroffenes Meisterwerk, für viele gar das bis heute beste deutschsprachige Album. "Knietief Im Dispo" ist nun nach der vor zehn Jahren gefloppten "Die Platte des himmlischen Friedens" der zweite Nachschlag und gar nicht so schlimm, nein, sogar gut. Die Fehlfarben - die Schallmauer der 40-Jährigkeit längst durchflogen - klingen anders, Janie Jones aka Peter Hein singt ein bisschen muffiger (Das kommt vom vielen Altbier.), und doch ist der Geist der gleiche. Es geht noch um die selben Themen, nur heißt's nicht mehr "Deutschland, Deutschland, alles ist vorbei" sondern "Türme gefällt, Börse entkernt. Eine schönere Welt, alles so weit entfernt." Wer genau hinhört, erkennt Selbstironie und einen feinen Humor. Das tut gut. Unverkrampft wirkt auch weittestgehendst die Musik, die mit dezenten elektronischen Spielereien auf modern gebürstet ist, ohne sich irgendwelchen Zeitgeisten anzubiedern. Leider haben die Lieder nicht mehr die Wucht von früher, Stücke wie "Reiselust" sind sogar richtig kacke, solche wie "Club der schönen Mutter" hingegen toll, weil griffig und zwingend. Die Fehlfarben sind älter geworden, ein bisschen blasser auch, aber das werden wir wohl später alle mal. Und so ist "Knietief im Dispo" ein ehrliches Album und überhaupt nicht peinlich. Danke dafür. Wir sprachen in Hamburg mit Sänger Peter Hein, Gitarrist Thomas Schwebel und Bassist Michael Kemner über die Rückkehr der Fehlfarben.
Mit "Knietief im Dispo" habt ihr die Fehlfarben in die Neuzeit transportiert.
Hein: Ja. Hast du sehr gut erkannt. Danke. Tschüs. (lacht)
Glaubt ihr denn, dass junge Leute mit dem neuen Album was anfangen können?
Hein: Ich sach ja immer: Das machen wir alles für Leute wie uns; was weiß ich, was junge denken.
Kemner: Wir sind zwar alle über 40 aber im Kopf noch frisch. Das ist entscheidend. Und damit kann man Leute erreichen, die jünger sind. Da treffen sich dann die Gedanken.
Vor zehn Jahren kamt ihr mit "Die Platte des himmlischen Friedens" schon mal zurück. Der ging in die Hose.
Schwebel: Ja, damals waren die Reaktionen leider sehr verhalten.
Kemner: Deswegen hatten wir diesmal das Gefühl, wir können eh nichts mehr verlieren.
War Jürgen Teipels mordserfolgreicher Punk-New Wave-Roman "Verschwende Deine Jugend" der Auslöser für das neue Album?
Hein: Nein! Definitiv nicht.
Schwebel: Wir haben uns 2000 getroffen, als wir die Goldene Schallplatte für "Monarchie und Alltag" bekommen haben, und beschlossen, ein neues Album zu machen. Das war dann schon zur Hälfte fertig, als dieses Buch rauskam. Es hat auch damals noch keiner damit gerechnet, dass es so erfolgreich wird.
Hat der Rummel um das Buch irgendwas an der Herangehensweise an das Album geändert?
Schwebel: Nein. Es gibt ein Stück, das darauf Bezug nimmt und damit ist das Thema auch erledigt.
Hein: Aber das Ganze gibt 'nen Schub, und das schadet ja jetzt nicht wirklich. Vor allem: Es ist ja kein peinliches Umfeld, wie damals, als die Neue Deutsche Welle wieder aufkam.
Ist denn die ganze damalige Situation eurer Meinung nach gut im Buch getroffen?
Schwebel: Im Großen und Ganzen schon. So um die 80 Prozent.
Hein: Es ist zu gewaltlastig und zum Ende hin zu pessimistisch.
Schwebel: Ich hab mich nie mit einem vom KFC geprügelt. Punkt.
Eure Motivation vor 20 Jahren und die von heute - was hat sich geändert?
Schwebel: Die ist eigentlich noch die gleiche. Ich möchte einfach Musik machen. Und das geht halt am besten in dieser Band. Heutzutage rege ich mich nur nicht mehr so viel auf wie früher.
Hein: Wegen der modernen Technik geht auch alles viel schneller, das ist gut. Früher hat das ganze Proben und Aufnehmen und Wiederholen viel länger gedauert. Heute musst du alles nur noch einmal statt fünf mal können.
Was war der musikalische Anspruch an die Platte?
Schwebel: Dass man die Band erkennt, und dass man trotzdem merkt, dass die Aufnahmen von 2002 sind. Wir wollten nicht nostalgisch klingen. Das wäre der Horror gewesen.
Textlich ist alles sehr im Alltäglichen verankert.
Hein: Das war ja auch schon früher so. Textlich sollte es im Jetzt passieren und sich gleichzeitig nicht von dem unterscheiden, was ich schon immer gemacht habe. Ich habe immer versucht, Alltag und Standpunkte, Alles-ist-Scheiße und Kann-aber-auch-lustig-sein zusammenzubringen.
Genau, da ist Humor in deinen Texten. Den muss man aber erst mal finden.
Hein: Das schaffen auch nicht so viele. Die meisten nehmen es immer noch zu ernst. Wir haben schon ein paar Mal darauf hinweisen müssen, dass man bedenken muss, dass wir aus dem Rheinland sind und dass es auch andere Plätze zum Lachen gibt als den Keller. (Gelächter)
Wenn ihr euch die deutsche Musikszene von heute anschaut, hat sich da in den letzten 20 Jahren was zum Guten verändert?
Schwebel: Es hat sich schon verbessert. Es gibt heute mehr gute Platten als früher. Blumfeld ist `ne gute Band, Jan Delay hat 'ne super Platte gemacht. Die Leute sind wacher geworden.
Kemner: Auf der anderen Seite gibt es aber auch viel zu viel Schrott.
Schwebel: (zu Kemner) Aber wenn du dir mal die Hitparade von vor 20 Jahren anschaust, war es damals mindestens so gruselig, wenn nicht gruseliger. Damals waren's halt nicht die No Angels sondern Heintje.
Kemner: Aber heute gibt's zehn Heintjes.
Schwebel: Aber es gibt auch gute deutsche Platten. In den 70ern gab es jahrelang nichts. Punkt. Heute gibt's ja jedes Jahr mindest drei, vier gute deutsche Platten, ob die nun von den Sternen, Tocotronic, also dem ganzen Hamburger Schule Kram oder eben von Jan Delay sind.
Gerade die Hamburger Schule-Protagonisten verehren "Monarchie und Alltag" wie nix. Macht euch das stolz? Und seid ihr euch bewusst, was ihr für einen Einfluss hattet?
Schwebel: Beides: Ja. Die haben es einem ja auch oft genug gesagt. Ich habe Jochen Distelmeyer (Blumfeld-Sänger - d.Red.) 1988 oder so kennen gelernt, da wohnte er mit Frank Spilker (Sterne-Sänger - d.Red.) in so 'nem alten Haus in Moorfleet am Deich. Da war mir das superpeinlich, wenn die uns so gelobt haben. Aber wenn man dann wieder ging sagte man: "Yeah!"
Früher wart ihr beim Major EMI unter Vertrag, jetzt bei dem kleinen Elektronik-Label K7/Wonder. Endlich seit ihr bei einem Indie-Label gelandet!
Hein: (lacht) Ja, das ist die größte Ironie an dem Ganzen. Wahrscheinlich wirft man uns jetzt vor, dass wir Arbeitsplätze bei der EMI gefährden.
Wollten euch die Großen nicht?
Schwebel: Nö. Da hast du 'n Demo abgegeben, und wenn du angerufen hast und wissen wolltest, wie man's findet, war der zuständige Typ schon wieder entlassen.
Peter, du hast letztens, als wir über deine andere Band Family 5 geredet haben, gesagt, dass du deine Lieder nie wirklich gut findest und schon froh bist, wenn du dich nicht für sie schämen musst. Gilt das auch für die Fehlfarben?
Hein: Ja, ja, das ist das Gleiche. Ich bin immer heilfroh, wenn's nicht scheiße ist.
Schwebel: Geht mir genauso. Ich kann das nicht nachvollziehen, dass beispielsweise "Monarchie und Alltag" so 'n Heiligtum ist. Ich finde so viele andere Platten besser. Von Leuten wie Jochen Distelmeyer und anderen bin ich Fan und denke immer: "Puh, mit denen konkurriert man?"
Wie ist denn die Beziehung der Fehlfarben untereinander?
Schwebel: Wenn wir uns sehen, verstehen wir uns.
Kemner: Seriös.
Hein: (grinst)
Habt ihr euch in den zehn Jahren Pause denn mal privat gesehen?
Hein: Nö. Wir haben uns ab und zu E-Mails geschickt, da ging's aber immer nur um Verträge und so `n Scheiß. Und das habe ich irgendwann alles blind unterschrieben, denn es ging eh immer nur um "Es geht voran", und das Lied haben wir sowieso abgeschrieben.
Euer einziger Hit. Findet ihr den noch immer so grottig wie damals?
Hein: Auf eine Art wird's immer schlimmer.
Schwebel: Es wird einfach immer langweiliger. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer das noch hören will. Was spielt man, wenn das Fußballspiel vorbei ist? "We Are The Champions". Und was spielt man auf `ner Demo? "Es geht voran". Das sind so Stücke, die braucht man nicht.
Hein: Wir haben das mal als Latin-Version gespielt, das war lustig.
Schwebel: (lacht) Das Stück ist so beliebig, das kannst du spielen wie du willst. Vielleicht machen wir's ja diesmal als Polka.
Peter, hast du jemals bereut, vor 21 Jahren bei den Fehlfarben ausgestiegen zu sein - kurz, bevor der große Erfolg kam?
Hein: Nö, überhaupt nicht. Ich bereue solche Sachen nicht.