Herausforderung Flüchtlinge und Populismus
Wahlkampf in Schweden
Wie hältst Du es mit den Flüchtlingen und wie mit den Schwedendemokraten? Diesen September steigen in dem skandinavischen Land die Wahlen im Reichstag und die Antworten auf die vorigen Fragen scheinen die entscheidenden zu sein.
Sowohl die regierenden Sozialdemokraten (S) als auch die große liberal-konservative Oppositionspartei "Die Moderaten" (M) haben sich entschlossen, teils die Antimigrationsrhetorik der rechten Schwedendemokraten zu übernehmen, aber gleichzeitig die besagte Partei mit dem Kürzel SD als unwählbar zu verfemen.
Ulf Kristersson, seit Oktober neuer Parteichef der größten Oppositionspartei "Die Moderaten" unterbrach den Dialog mit den Rechtspopulisten, die seine Vorgängerin Anna Kinberg Batra begonnen hatte: "Ich werde nicht mit den Schwedendemokraten verhandeln oder Kompromisse eingehen."
Asylbewerbern soll künftig eine Frist für den Aufenthalt in Schweden gesetzt werden, sie müssen sich bei den Kosten stärker beteiligen, sollten die Moderaten im Herbst an die Macht kommen. Das "Integrationsproblem ist eine tickende Bombe", meinte der 56-Jährige gegenüber der bürgerlichen Zeitung "Svenska Dagbladet". "In Schweden arbeitet man und lernt Schwedisch", gab das langjährige Parteimitglied der "Sydsveskan" zu Protokoll.
Klartextstimmung auch bei den Sozialdemokraten. Finanzministerin Magdalena Andersson versprach eine "strammere Migrationspolitik", empfahl Asylsuchenden, sich doch bitte ein anderes Land zu suchen, und verglich gleichzeitig die SD mit einem "Dritten Reich Light".
Abstand von den Rechten, aber Übernahme von deren Forderungen
Nach den Wahlen 2014 gab es ein sogenanntes Dezemberabkommen aller Parteien im Reichstag, welches eine Kooperation mit den Rechtspopulisten untersagte, doch dieses bröckelte zunehmend nach der Flüchtlingskrise. Nun suchen die anderen Parteien, auch die kleineren Bürgerlichen neben den Moderaten, wieder die Distanz. In der Tonalität passt man sich an Dänemark an, wo außer einer Linkspartei alle politischen Gruppen auf eine zumindest verbal harte Linie gegen Migranten aus dem Nahen Osten fahren.
Die Schwedendemokraten schwanken derzeit in den Umfragewerten zwischen 15 bis 23 Prozent. Ihre Anhänger sehen den Parteivorsitzenden Jimmy Akesson in der Rolle des Königsmachers. Seit seinem Parteivorsitz im Jahr 2005 konnte die einst offen nationalistische Partei erfolgreich ein bürgerliches Ansehen aufbauen. Doch in letzter Zeit häuften sich die Skandale. So gab es noch vor der #Metoo-Welle Aufsehen wegen sexueller Übergriffe von einem Parteifunktionär auf Frauen, Antisemitismus und extrem aggressiver Äußerungen über Migranten.
Hanna Wigh, die von den Belästigungen betroffen war, hat nun mit zwei weiteren Parlamentariern Anfang des Jahres eine neue Fraktion im schwedischen Reichstag gegründet. Einer davon, Pavel Gamlov, wurde wegen Russlandkontakten und einer aus Putin-Keisen finanzierten Moskaureise aus der SD ausgeschlossen. Der in Moskau geborene Gamlov kontert mit einem geplanten Abrechnungsbuch, in dem er die Partei als "sektiererisch und destruktiv" darstellen will.
Die Schwedendemokraten hoffen dennoch auf eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien, vor allem mit den Moderaten. Und halten sich darum neuerdings mit zu eindeutigen Forderungen nach Ausweisungen Asylsuchender zurück. Dabei betonen sie immer wieder, dass sie das einwanderungskritische Original seien, das man doch wählen solle.
Der schwedische "Sarrazin"
Gleichzeitig muss das Land mit den Spannungen durch Einwanderer, Asylsuchende und Islamismus im Land leben. Im Dezember gab es Ausschreitungen in den großen Städten nach der Bekanntgabe Donald Trumps, die USA werde Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkennen, immer wieder liest man von Messerangriffen in den Hotspots der großen Städte sowie von Zwischenfällen mit Handgranaten.
Premierminister Stefan Lövfen nahm erstmals offiziell den Antisemitismus von Migranten aus dem Nahen Osten als Problem wahr. Lange als Land bekannt, in dem das Politisch-Korrekte die offene Debatte blockiert, lockert sich das bezüglich der Asylsuchenden in der Öffentlichkeit zunehmend.
Der schwedische "Sarrazin", der aus dem Iran stammende Ökonom Tino Sanadaji erreichte mit seinem zahlenlastigen Buch "Massenherausforderung" über die Probleme der Einwanderung die schwedische Öffentlichkeit und die "Mainstream-Medien", ohne dass es dabei zu ähnlichen Attacken kam wie gegen den ehemaligen Banker und Finanzsenator Berlins.
Offen wird auch im Ausland über Schwedens Situation diskutiert. Bekannt ist Trumps These vom "failed state". Auf islamkritischen Webseiten werden die Probleme des Landes mit seinen Einwanderern und "No-go-Zonen" als ein plakatives, mahnendes Beispiel aufgeführt.
Diese Berichte haben solche Ausmaße angenommen, dass sich selbst der Verteidigungsminister Peter Hulqvist dazu äußert. Er sieht die Diskussionen als eine Gefahr für Schweden, das Zerrbild könne die Gesellschaft "untergraben".
Zur Entzerrung könnte ein Wahlkampf dienen, in der die Parteien versuchen, im nüchternen Ton Lösungsvorschläge zu den Problemen mit der Migration vorzuschlagen. Ein eher unrealistischer Wunsch.