Hiroshima: "Der Asphalt wird brennen. Chaos wird herrschen."

Grave of the Fireflies. Bild: Toho / StudioCanal

Das Trauma: Japan nach dem Abwurf von "Little Boy". Die Atombombe und die Katastrophe im Film: Wie mit einem Ultra-Horror-Zivilisationsbruch umgehen? Anders als mit politischen Phrasen.

Einen noch wichtigeren Platz als im US-Kino nimmt die Atombombe im japanischen Kino ein – aus naheliegenden Gründen. Wie andere Kulturträger wirkt das Kino als zentrales Medium der Verarbeitung des Unfassbaren der Erfahrung von Hiroshima und Nagasaki sowie ihrer Folgen. Zugleich waren in Japan frühe Reaktionen auf diese Erfahrung kaum möglich, weil das Land bis 1952 unter massiver Militärzensur litt.

Mehr als in den USA, in der die militärische Logik und das Verhältnis zwischen einzelnen Menschen und staatlichen Institutionen im Zentrum stehen, versuchen sich japanische Filme von Anfang an an tiefgründigem Nachdenken über das Leiden und die Folgen von Hiroshima.

Die Kinder Hiroshimas: "Hibakusha cinema"

Bereits unmittelbar nach Ende der US-Militärzensur, die das Behandeln des Kriegs, des japanischen Militärs und der zivilen Opfer in Japan verbot, entstanden zwei wichtige Filme zum Thema: Kaneto Shindos Children of Hiroshima (1952) ist ein eindringliches Drama, das sich mit den langfristigen Auswirkungen der Atombombe beschäftigt.

Im Zentrum steht eine Lehrerin, der vier Jahre nach dem Krieg in ihren Ferien nach Hiroshima zurückkehrt. Sie begegnet einem elternlosen Jungen, der sie begleitet und im Gegensatz zu ihr Unschuld und Zukunft verkörpert.

Children of Hiroshima. Bild: Hokusei

Zurückhaltend und undramatisch zeigt der Film die überwältigende Zerstörung der Stadt, aber noch mehr die physischen und die emotionalen Folgen für die Überlebenden, die "Hibakusha".

Es sind stille und im ersten Anschein banale Szenen, die hier die stärkste Wirkung haben: Als sie ein silber-strahlendes Flugzeug am Himmel sieht, hält die Hauptfigur Takako kurz erstarrt inne, während der Junge begeistert zum Himmel blickt.

Das ist eine herzzerreißende Reminiszenz an die "Enola Gay", die die Bewohner Hiroshimas am Morgen des 6. August 1945 ähnlich staunend am wolkenlosen Himmel betrachteten: Es war äußert ungewöhnlich, dass amerikanische Flugzeuge nicht in großen Bomberverbänden, sondern einzeln auftauchten.

Der bemerkenswerte Hiroshima (1953) von Hideo Sekigawa ist ein Dokumentarfilm der stärker auf realistische Schilderung der Ereignisse und ihrer Folgen setzt.

Hiroshima stellt das Leiden der Opfer und die langfristigen gesundheitlichen Folgen der radioaktiven Verstrahlung ins Zentrum und zeigt etwas, das im Westen bis heute nicht wirklich verstanden wurde: Die Bombe erscheint in Japan nicht als Kriegsfolge und Konsequenz eigener Handlungen oder moralischer Schuld. Im Gegensatz zu Krieg und Tod ist sie etwas, über das niemand irgendeine Kontrolle hatte, etwas gegen das man nichts tun konnte. Wie ein Akt Gottes.

Hiroshima. Bild: Rain Trail Pictures

Wer sind die Verrückten?

Am ehesten sträubt sich gegen diese Haltung der Schicksalergebenheit der Regisseur Akira Kurosawa: Nach einer eher vorsichtigen Annäherung in Report of a Living Beeing (1953) erzählt er in Ein Leben in Furcht von einem Einzelnen.

Der von Toshiro Mifune gespielte ältere Patriarch soll von seiner Familie für unzurechnungsfähig erklärt werden, weil sie fürchtet, durch seine "wahnhaften Ängste" in den Ruin getrieben zu werden. Er will seine Gießereifabrik gegen eine Farm in Brasilien eintauschen. Hinter der Maske des mürrischen, wütenden Alten ist Mifunes Figur von Angst getrieben.

Report of a Living Beeing. Bild: Toho

Das Thema ist klar umrissen: "Sind wir, die wir in einer verrückten Welt unbeirrt bleiben können, die Verrückten?", fragt eine Figur. Spöttisch beschreibt der junge Schwiegersohn die nukleare Zerstörung und kann als Vertreter der Jugend die Erfahrung bereits nicht nachvollziehen:

"Vater, wenn du so viel Angst hast, warum ziehst du nicht auf einen anderen Planeten?"

Zweimal noch kehrte Kurosawa direkt zu diesem Lebensthema zurück: So etwa In Träume und Rhapsodie im August.

An Kurosawas Zugang knüpft auch Jahrzehnte später der preisgekrönte Black Rain (1989) von Shohei Imamura an.

Der Film erzählt die Geschichte einer Familie, die den Atombombenabwurf auf Hiroshima überlebt hat, aber mit den gesundheitlichen und sozialen Folgen der Strahlung konfrontiert ist.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.