"Ho-La-Ro - Nicht Ho!"
Ein Gema-Aufsichtsrat scheitert mit Ansprüchen auf die "Jodelphonetik" eines Bierzeltschlagers
Egon Frauenberger ist Musikverleger, Produzent und Mitglied im Aufsichtsrat der Gema. 2001 ergänzte er bei seiner Verwertungsgesellschaft die Ehefrau des eigentlichen Autors Karl Ganzer als Miturheberin des "Kufsteinliedes". Im Windschatten dieser Änderung ließ er sich auch gleich noch als Bearbeiter eintragen, wodurch ihm Tantiemen aus den regelmäßig auf Volks- und Vereinsfesten gespielten Schlagers zuflossen.
Den in Österreich lebenden Erben des Urhebers versuchte er (deren Angaben zufolge) die Änderung mit dem Argument schmackhaft zu machen, dass sie so von einem längeren Urheberrechtsschutz profitieren würden, weil die Ehefrau nach dem Urheber verstarb und die 70-jährige Frist bis zum Gemeinfreiwerden des Stücks deshalb erst später zu laufen begonnen hätte.
Allerdings ließen sich die Erben davon nicht überzeugen und verlangten eine Rückgängigmachung der ohne ihre Einwilligung vorgenommenen Abwandlung. Die jedoch verweigerte ihnen die Gema, bei der der deutsche Multifunktionär Frauenberger unter anderem im Aufnahmeausschuss der Textdichter und im Beschwerdeausschuss sitzt. Erst reagierte die Musikverwertungsgesellschaft gar nicht auf Schreiben, dann verwies sie auf eine angebliche Zuständigkeit der österreichischen AKM, die wiederum auf die Gema verwies.
Schließlich wurde es den Erben zu bunt und sie verklagten Frauenberger auf Erteilung seiner Zustimmung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Darauf hin entbrannte ein Rechtsstreit, in dessen Verlauf sich der (nach eigener Sichtweise) "Autor und Produzent der meisten Jodellieder der Welt" damit rechtfertigte, dass die exakte "Jodelphonetik", die für den Erfolg des Bierzeltschlagers angeblich entscheidend war, von ihm stammen würde.
Allerdings kam vor Gericht ans Licht, dass der Musikproduzent 1980 (als der Tiroler Amateurmusiker Hans Baumgartner Rechte an dem Stück geltend machte) unterschrieben hatte, dass sein damaliger Vertragspartner Karl Ganzer der alleinige Urheber des Kufsteinliedes sei. Von den Richtern darauf angesprochen, ob er denn damals die Unwahrheit behauptet habe und eventuell Prozessbetrug beging, reagierte Frauenberger erst mit Schwerhörigkeit und blieb schließlich auch nach einer lauteren Wiederholung der Frage eine verständliche Antwort schuldig.
Zudem wurde in dem Prozess deutlich, dass die "Jodelphonetik" des bereits vorher bekannten "Oktavjodlers" entgegen der (mit der Strenge eines Jodeldiplomlehrers vertretenen) Behauptungen des Produzenten in verschiedenen Aufnahmen durchaus verschieden artikuliert wurde. "Ho-La-Ro - Nicht Ho!" musste ihn der vorsitzende Richter Peter Guntz deshalb korrigieren - und rief damit eine zu Anfang der Sitzung gemachte Bemerkung in Erinnerung, dass er sich trotz einer Sozialisation mit Loriot nicht hätte vorstellen können, einmal mit solchen Details beschäftigt zu sein.
Letztendlich kam das Landgericht München zu dem Schluss, dass durch den älteren Eintrag eine "stark gefestigte" Vermutung für Karl Ganzer als alleinigen Urheber spricht. In ihrer mündlichen Begründung des noch nicht rechtskräftigen Urteils betonten die Richter auch, dass Urheberrechtseintragungen schon allein deshalb nicht beliebig geändert werden könnten, weil sich sonst die Fristen zum Schaden der Allgemeinheit verlängern ließen.
Sehr große Schöpfungsanreize scheint dieser posthume Urheberrechtsschutz keiner der streitenden Parteien zu setzen (die beide betonten, es ginge ihnen nicht um das Finanzielle, sondern bloß um die sachliche Richtigkeit). Tatsächlich sind das Kufsteinlied und seine nun vor Gericht rekonstruierte Geschichte eher Indizien dafür, dass es gewisser schutzfreier Bereiche bedarf, damit etwas Neues entstehen kann. Dem Freizeitmusiker Karl Ganzer, der keine Noten schreiben konnte, standen diese unter anderem in Form des argentinischen Tangos und der gemeinfreien Jodelfolklore zur Verfügung. Aus Beidem bastelte er über viele Auftritte hinweg einen Bierzeltschlager, der später einen Dreivierteltakt verpasst bekam und schließlich durch nachhaltigen Oktoberfesteinsatz zu einem Gema-Goldesel wurde.