Höchststrafe mit Teilfreispruch
OLG Frankfurt verurteilt Stephan Ernst wegen Mordes an Walter Lübcke zu lebenslanger Haft, hält aber Täterschaft bei Mordversuch an Ahmed I. für unklar. Bewährungsstrafe für Markus H.
Für das Strafmaß von Stephan Ernst macht sein Teilfreispruch erst einmal keinen Unterschied - das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat ihn an diesem Donnerstag wegen Mordes an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) zu lebenslanger Haft verurteilt, sah aber seine Täterschaft beim Mordversuch an Ahmed I. nicht als erwiesen an. Der Anfang 2016 schwer verletzte Nebenkläger und sein Anwalt hatten dafür zwar kein bestimmtes Strafmaß gefordert, waren jedoch überzeugt, dass es Ernst war, der bereits dreieinhalb Jahre vor dem Mord an Walter Lübcke dem Asylsuchenden aus dem Irak mit einem Messer in den Rücken gestochen hatte. Von diesem Vorwurf ist Stephan Ernst freigesprochen - das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die Messerattacke auf Ahmed I. hatte am 6. Januar 2016 stattgefunden - fast dreieinhalb Jahre, bevor Walter Lübcke am 2. Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses erschossen wurde.
So macht dieser Teilfreispruch nicht nur für Ahmed I. einen wesentlichen Unterschied, sondern auch für die Sicherheitsbehörden - wäre hier nämlich auch ein Schuldspruch erfolgt, müssten sie eingestehen, in diesem Fall nicht sauber ermittelt zu haben, als die Spuren noch frisch waren. Und dass Lübcke sonst noch leben könnte. Es wäre gerichtlich festgestellt, dass sie den späteren Mörder von Walter Lübcke nicht aus dem Verkehr gezogen haben, weil sie den Mordversuch an einem Flüchtling nicht wichtig genug nahmen, um mit Hochdruck nach dem Täter zu suchen. Dieser Kelch ist nun erst einmal an ihnen vorbei gegangen.
Während des Prozesses und in seinem Plädoyer hatte der Nebenklageanwalt von Ahmed I., Alexander Hoffmann, schwere Vorwürfe gegen die Behörden erhoben. Bereits der Ablehnung eines Beweisantrags von Hoffmann hatte der 5. Strafsenat des OLG erkennen lassen, dass er ein im Keller von Ernst gefundenes Messer mit DNA-Spuren nicht für die Tatwaffe hält, weil eine Verkaufsquittung für ein Messer darauf hindeute, dass dieses erst nach der Tat gekauft worden sei. Weitere Untersuchungen dazu hatte der Senat aber abgelehnt. Hoffmann dagegen hält das gefundene Messer mit Blutanhaftungen, die in mehreren signifikanten Merkmalen mit der DNA von Ahmed I. übereinstimmten, für einen sehr starken Beweis.
Ein Gutachter hatte vor Gericht erklärt, er könne die Spur zwar nicht zu 100 Prozent Ahmed I. zuordnen, sei aber überzeugt, dass sie von dem Nebenkläger oder einem nahen Verwandten stamme.
Der für den Mitangeklagten Markus H. ergangene Teilfreispruch wirkt sich in der allernächsten Zukunft stärker aus: Vorgeworfen wurde ihm Beihilfe zum Mord an Walter Lübcke - dessen Angehörige und ihr Nebenklageanwalt Holger Matt sahen H. sogar als Mittäter gemäß der letzten Version, die Ernst vor Gericht von der Tat erzählt hatte. Dies hätte H. ebenfalls eine lebenslange Freiheitsstrafe einbringen können - verurteilt wurde er an diesem Donnerstag aber nur zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz.
Beide Angeklagten hatten seit vielen Jahre der rechten Szene angehört. Ernst hatte sich nach eigener Aussage in die Wut auf Lübcke hineingesteigert, nachdem dieser in seiner Gegenwart bei einer Bürgerversammlung die Aufnahme von Geflüchteten verteidigt hatte. Das Gericht stellte im Fall Ernst auch die besondere Schwere der Schuld fest, was eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren deutlich erschwert.