Höcke gegen Voigt: Warum der CDU-Mann das TV-Duell nicht gewinnen konnte
Mario Voigt konnte den AfD-Rechtsaußen Björn Höcke nicht inhaltlich schachmatt setzen. Das war erwartbar. Worin sein Dilemma bestand. Ein Kommentar.
Kann ein CDU-Mann gegen einen AfD-Hardliner gewinnen, indem er betont, dass selbstverständlich auch er die "irreguläre Migration" für ein riesengroßes Problem hält, dem mit einer "Nulltoleranz-Strategie" begegnet werden muss?
Das jedenfalls schien der Thüringer CDU-Fraktionschef Mario Voigt im "TV-Duell" mit Björn Höcke am Donnerstagabend mit Blick auf die Landtagswahl zu glauben. Er schmierte dem Fraktionschef der AfD sogar aufs Butterbrot, dass der bisher einzige AfD-Landrat in Sonneberg noch nicht einmal Bezahlkarten und Arbeitsverpflichtung für Asylsuchende eingeführt habe.
Das Phänomen Höcke: Hass oder kalte Demagogie?
Als blase die AfD "nur die Backen auf" und meine es gar nicht ernst, während seine Partei die Geflüchteten konsequent drangsaliere, sie wirklich vergraulen und denen, die unbedingt bleiben wollen und nicht abgeschoben werden können, zumindest das Leben schwer machen will. Dazu passte nicht ganz, dass Voigt an anderer Stelle Höcke Hass vorwarf und sich selbst als Christdemokrat darstellte, der "jeden Menschen wertschätzt".
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Höcke dagegen beteuerte, Hass sei ihm fremd – er sei schließlich jahrelang Lehrer und sogar Vertrauenslehrer gewesen und empfinde keinen Hass. Vielleicht war das nicht einmal gelogen – gut möglich, dass er dafür im Grunde zu kalt ist.
Abgesehen von der "White Supremacy", die er für selbstverständlich und gerecht hält, ist es vielleicht einfach sein Geschäftsmodell, psychologisch geschickt mit Emotionen wie Hass zu spielen, Hass zu schüren oder vorhandene Wut zu kanalisieren. Hassen soll der Pöbel, den er lenken will.
Besser für Höcke: AfD-Sozialpolitik ausgespart
Diesbezüglich werden rechte Demagogen oft unterschätzt. Wer erwartet, dass sie vor Fernsehkameras wie auf Knopfdruck Schaum vor dem Mund bekommen, kann in einer solchen Situation nur verlieren.
Höcke war an diesem Abend bei Welt TV jedenfalls schlau genug, AfD-Positionen, die zu Lasten ärmerer Deutscher gehen, weitgehend auszusparen – und Voigt konnte ihn diesbezüglich aus Gründen nicht entlarven.
Zur Gegenfinanzierung von Steuerentlastungen schlug Höcke massive Einsparungen bei der Entwicklungshilfe vor, was ja erst einmal niemanden betrifft, der in Deutschland wahlberechtigt ist. Voigt sprach dagegen von Einsparungen beim Bürgergeld – was nicht nur, aber teilweise Wahlberechtigte in Deutschland betrifft.
Dass auch die AfD hier Rotstift und Daumenschrauben bereithält, wollte Höcke bei dieser Gelegenheit lieber nicht in den Vordergrund zu stellen. Schließlich wird seine Partei auch gern von Menschen mit Abstiegsängsten und erwerbslosen Männern aus strukturschwachen Regionen gewählt, die besonders unter ihrer Politik leiden würden, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung herausfand.
Wahlkampf mit Angriffen auf Bürgergeld: Eine gute Idee?
Voigt scheute sich dagegen nicht, Einsparungen beim Bürgergeld anzukündigen und erzählte etwas von "Leistung, die sich lohnen muss". Schließlich hatte auch sein Parteivorsitzender Friedrich Merz erst kürzlich betont: "Wir können uns 40 Milliarden Euro für das sogenannte Bürgergeld, in einer Zeit wie dieser nicht mehr leisten."
Die Möglichkeit, der AfD soziale Grausamkeiten vorzuwerfen, hätte ein Linker gehabt. Aber in der Partei Die Linke, die zurzeit noch den Ministerpräsidenten in Thüringen stellt, hätte niemand von Rang und Namen am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald mit Höcke geredet.
Höckes Eiertanz um NS-Traditionslinien und Anleihen bei Trump
Auch der Fakt, dass Höcke wegen geschichtsrevisionistischer Äußerungen in der Gedenkstätte Buchenwald Hausverbot hat, kam in dem TV-Duell zur Sprache. Voigt gab sogar an, sich gerade deshalb darauf eingelassen zu haben, weil jemand, der in dieser Gedenkstätte Hausverbot hat, nicht Ministerpräsident werden dürfe.
Höcke gab daraufhin den Missverstandenen und beteuerte, er habe das Berliner Holocaust-Mahnmal selbstverständlich nur deshalb als "Denkmal der Schande" bezeichnet, weil der Holocaust eine Schande und ein Zivilisationsbruch gewesen sei. Seine Forderung nach einer erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad habe sich darauf bezogen, dass man sich nicht über diese Schande definieren dürfe, sondern, "das Positive" in den Vordergrund stellen müsse.
Beim auch als SA-Parole bekannten "Alles für Deutschland" will Höcke in einer Wahlkampfrede nur an Donald Trumps "America First" gedacht und dies frei interpretierend ins Deutsche übertragen haben.
Bei Direktwahl läge Ramelow vor Voigt und Höcke
Bei der offiziellen Gedenkfeier in Buchenwald am Sonntag wird Voigt ebenso anwesend sein wie Bodo Ramelow, zurzeit noch Deutschlands einziger Ministerpräsident mit dem Parteibuch der Linken, dem laut Umfragen die Wiederwahl sicher wäre, wenn in Thüringen der Landesvater direkt gewählt werden könnte.
Als Person liegt Ramelow mit großem Abstand vor Voigt und Höcke. Die Partei Die Linke ist allerdings in dem Bundesland aktuell nur drittstärkste Kraft. Die AfD liegt vorn und kann mit rund einem Drittel der Stimmen rechnen – aber mit ihr will bislang niemand koalieren.
So kann Voigt als Zweitplatzierter mit dem Amt des Ministerpräsidenten und einer schwierigen "Brautschau" nach der Wahl am 1. September rechnen. Höcke betonte zum Schluss des "Duells", seine Hand sei weiterhin ausgestreckt – er kann sich also eine "bürgerliche" Koalition mit der CDU durchaus vorstellen.
Bürgerlichkeit kann auch völkisch sein, nur nicht proletarisch
Voigt fiel dazu aber nichts Besseres ein als "Herr Höcke, Sie sind nicht bürgerlich, Sie sind völkisch." Beides ist nur dann zwingend ein Widerspruch, wenn es um den Unterschied zwischen Großbürgertum und einfachem Volk geht. Auf das Völkische im ethnisch-rassistischen Sinn und die "Volksgemeinschaft" haben 1933 durchaus relevante Teile des Groß- und Kleinbürgertums gesetzt – sonst hätten sich die Nazis nicht zwölf Jahre an der Macht halten können.
"Ich bin demokratisch, Sie sind autoritär", schob Voigt dann noch nach. Außerhalb der CDU war wohl kaum jemand ernsthaft der Meinung, dass er den Schlagabtausch gewonnen habe.
Auch Kommentatoren, die der AfD eindeutig ablehnend gegenüber stehen, sahen Höcke danach als klaren Sieger. Viele sprachen – wie etwa Pitt von Bebenburg in der Frankfurter Rundschau – von einer "Bühne für den Faschisten".
Das Dilemma der CDU: Zwischen Abgrenzung und AfD-Politik light
Jens-Christian Wagner, Historiker und Direktor der Stiftung KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, hatte schon vorab dem Duell dem MDR Thüringen gesagt: "Dass mit diesem TV-Duell einem Rechtsextremen ein Podium geboten wird, ist ein Erfolg für die AfD."
Voigt war nicht in der Lage, das zu widerlegen und Höcke argumentativ alt aussehen zu lassen. Das Dilemma, sich von der AfD abgrenzen und zugleich denselben Standort-Deutschland-Egoismus auf Kosten Schwächerer bedienen zu wollen, konnte der CDU-Mann nicht auflösen.
Am meisten unterschieden sich die Positionen beider Diskutanten in der Außen- und Europapolitik und dadurch, dass Höcke ein positiveres Russland-Bild zeichnet und sich ganz als Friedenspolitiker gibt.
Aber wer wünscht sich ernsthaft, dass einer wie Höcke sich auch noch stark genug fühlt, um nach historischem Vorbild in Russland einzumarschieren? Auf ihn trifft wohl eher zu, was Churchill generell über die Deutschen sagte: Man hat sie entweder an der Gurgel oder zu Füßen.