Home Front Israel: Warten auf den Krieg

Wie sich Israel auf einen möglichen Angriff aus dem Irak vorbereitet

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Plötzlich, so der Ha'aretz-Kommentar am Samstag, würden Stimmen laut, die es für möglich halten, dass der Krieg gegen den Irak nicht stattfinden werde. Dies sei jedoch nicht die verbreitete Ansicht in Israel. Die Einschätzung der Situation dort sei vielmehr, dass Washington sogar über das genaue Datum entschieden habe, wann der Irakkrieg beginnen solle: im Februar oder im März. Folgt man einer kürzlich durchgeführten Umfrage, gibt sich die Bevölkerung gefasst angesichts befürchteter Attacken aus dem Irak: 75 % der Bevölkerung vertrauen der Behauptung des Verteidigungsministeriums, dass man besser denn je auf einen irakischen Raketenangriff vorbereitet sei.

"Protective Kit"

Die Vorbereitungen orientieren sich hauptsächlich an einem Szenario, nach dem der Irak Israel mit Raketen attackieren würde, die mit chemischen oder biologischen Kampfstoffen bestückt wären. Alle israelischen Staatsbürger bekamen deshalb eine Schutzausrüstung: Gasmaske, Atropin-Injektion und ein erklärendes Beiheft. Zeitungen veröffentlichten Instruktionen, wie man Schutzräume vorbereitet und was man in die versiegelten Räume (sealed rooms) mitnehmen sollte. Anfang Januar wies das Homefront-Kommando der israelischen Armee die Haushalte an, 12 Liter Wasser pro Person in Flaschen für den Fall bereit zu halten, dass die öffentlichen Wasservorräte kontaminiert würden. Man sei dazu in der Lage, versicherte der zuständige Minister Effi Eitam, in drei Tagen die normale Wasserversorgung wieder herzustellen.

Dennoch gibt es Probleme. Trotz vieler Kurse an den Schulen und Anweisungen in den Medien ist ein Großteil der Bevölkerung Berichten zufolge "ernsthaft" darüber verunsichert, wie man sich im Ernstfall verhalten sollte, ob man etwa einen versiegelten Raum (sealed room), einen Bombenschutzraum (bomb shelter) oder eine Kombination von beiden, so genannte "shelter-sealed"- Räume, die seit 1992 in alle Appartmentgebäude eingebaut werden, aufsuchen solle.

Vor allem aber die Versorgung mit Gasmasken sorgte während der Tage um den Jahreswechsel für skandalträchtige Schlagzeilen. "1,7 Millionen haben falsche Gasmasken" betitelte Ha'retz einen Bericht, demzufolge höchstens ein Drittel aller verteilten Gasmasken wirklich effektiv seien. Der Zeitung waren Informationen von einem Meeting zwischen ranghohen Militär- und Industrievertretern zugespielt worden, wonach die Qualität der Gasmasken trotz gegenteiliger Behauptungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht besser sei als im letzten Golfkrieg 1991. Obwohl der staatliche Rechnungsprüfer die Qualität der Gasmasken schon damals heftig kritisierte, sei bis zum heutigen Tage nichts geschehen, auch wenn es mittlerweile 10 Mal bessere Masken gebe als die geläufigen schwarzen Masken, nämlich die so genannten "Kapuzenmasken" (hooded masks), insbesondere die "Saphir"-Maske. Es würde jedoch geschätzte 10 Jahre dauern, sollte man sich jetzt endlich zur Produktion der weitaus besseren Saphirmaske entschließen, bis jeder Israeli damit ausgerüstet sei.

Die Saphirmaske hat den Vorteil, dass ihre Funktion - anders als bei der herkömmlichen schwarze Maske - unabhängig von der Gesichtsform des Trägers ist, von dessen Atemtechnik, bzw. etwaiger Atemprobleme, Geschlecht oder Alter. Das Tragen der schwarzen Maske ist für viele problematisch - gerade wenn sie über einen längeren Zeitraum getragen werden muss, weil die Maske eng am Gesicht sitzen soll, was ein gerütteltes Maß an Gewöhnung und Übung verlangt. Außerdem stellt sie harte Anforderungen an die Psyche, die nicht jedermann erfüllen kann oder will. Die Atmung ist schwierig, weil sie einen Widerstand überwinden muss und es ist heiß unter der Maske. Besonders Personen mit klaustrophobischen Tendenzen und Atemschwierigkeiten sowie Behinderte und alle Teenager zwischen 15 und 17 Jahren wären durch schlechtsitzende Masken bei einem chemischen oder biologischen Angriff gefährdet.

Angst vor "Irakikazis"

Trotz der eben beschriebenen Vorbereitungen auf einen Raketenangriff seitens des Irak, stufen hohe israelische Militärs überraschenderweise die Wahrscheinlichkeit eines solchen Angriffs als "extrem niedrig" ein. Diese Einschätzung stützt sich vor allem darauf, dass Saddam Hussein - im Gegensatz zum letzten Golfkrieg - Israel in seinen letzten Ansprachen nur selten direkt bedroht oder überhaupt erwähnt habe.

Darüber hinaus müsste der Irak seine Raketen vom Westen aus abschießen, dem Teil des Landes also, wo die Amerikaner Truppen einsetzen würden, um derartige Versuche zu verhindern.

Sorge bereiten der israelischen Öffentlichkeit allerdings Raketen, die angeblich in den letzten Wochen vom Irak nach Syrien gebracht worden sind und sich dort in den Händen der Hisbollah befinden sollen.

Auch der Aufruf des Hamas-Führers Rantisi, der am Donnerstag vor mehreren Tausend Demonstranten im Gazastreifen an den Irak appelliert hatte, dort mit Unterstützung der Hamas eine Armee von Selbstmordattentätern aufzubauen, stimmt bedenklich, zumal Rantisi im selben Atemzug auch mehr Selbstmordattentate gegen Israel forderte. Die Zeitschrift Jerusalem Report hatte schon im letzten Monat in ihrer Internetausgabe auf geheimdienstliche Quellen hingewiesen, die vor Selbstmordpiloten aus dem Irak warnen.

Doch die Armee gibt sich selbstbewusst. Relativ niedrig fliegende "Selbstmordflugzeuge" seien noch leichter abzufangen als Scud-Raketen, teilte ein Militärsprecher mit. Ein Test mit vier Arrow-Raketen, die Scud-Rakten abfangen sollen, am 5.Januar dieses Jahres erzielte jedenfalls die gewünschte Trefferquote.