Horror und Travestie: The Limehouse Golem
Seite 2: Genitalverstümmelung
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Im Roman wird eine medizinische Grausamkeit des 19.Jh. beschrieben: Die Entfernung der Klitoris als Mittel, um die verbotene Sexualität von Mädchen zu bekämpfen. In aktuellen Debatten über Genitalverstümmelung bei Muslimas wird oft vergessen, dass diese Praxis noch vor vier Generationen auch in Europa nicht unüblich war.
An der kindlichen Liz Cree wird im Film diese Verstümmelung auf besonders grausame Weise vollzogen: Von ihrer eigenen Mutter mit einem glühenden Schürhaken. Angesichts der Kosten ärztlicher Behandlung wurden damals aber wohl insbesondere Töchter wohlhabender Familien Opfer dieses barbarischen Eingriffs. Zur Zeit der Handlung, im Jahr 1880, lag das Opus Magnum des damals berühmtesten britischen Gynäkologen, Isaak Baker Brown (1811-1873), erst 16 Jahre vor: On the Curability of Certain Forms of Insanity, Epilepsy, Catalepsy, and Hysteria in Females.
Dr. Baker Brown empfahl darin die Heilung diverser Formen von Wahnsinn von Hysterie bis Epilepsie durch chirurgische Eingriffe, auch der Klitorektomie. Leider ist zu befürchten, dass dieses Werk weithin Anwendung fand: Von Dr. Thomas Wakley, im 19.Jh. ein Herausgeber der bis heute bedeutenden Zeitschrift The Lancet, wurde damals der Operationssaal von Baker Brown als Mekka für Gynäkologen gepriesen. Der Wunsch nach Klitorektomie gilt inzwischen als psychotherapeutisch zu behandelnde Störung. Die weibliche Genitalverstümmelung auf Verlangen kann aber offenbar in Großbritannien bis heute straflos praktiziert werden.
The Limehouse Golem unterhält mit schaurig-schönen Bildern und überzeugendem Schauspiel. Juan Carlos Medina wartet in seinem am Rande der Fantastik angesiedelten Horrorthriller mit diversen Wendungen auf und beleuchtet nebenbei auch dunkle Seiten der europäischen Sexualgeschichte.
"The Limehouse Golem" ist ab dem 31. August in deutschen Kinos zu sehen.