Hungernde Tiere

Infolge der Abtrennung Russlands von Swift geraten auch Hilfsorganisationen ins Schleudern. Die Hundehilfe Russland greift verzweifelt zu unüblichen Maßnahmen

Die Hundehilfe Russland mit 300 Mitgliedern leistet seit über 10 Jahren Hilfe zur Selbsthilfe im russischen Tierschutz. Sie unterstützt die Gründung dortiger örtlicher Tierschutzorganisationen und fördert deren Tierhilfeeinrichtungen finanziell, bis sie sich durch russische Mitglieder selbst tragen. Etwa 500 Hunde pro Jahr werden an Halter in Deutschland vermittelt, um ihnen ein neues Zuhause zu geben.

Bis vor kurzem wurden vier Tierheime in verschiedenen Städten Russlands unterstützt, eines betreibt der Verein selbst. Alleine 2.500 Hunde werden dort versorgt, daneben Katzen und andere Kleintiere. Nun sind durch die Swift-Abkopplung Russlands alle Zahlungswege unterbrochen. Telepolis sprach mit der Vorsitzenden der Organisation, Natalia Gracheva, einer in Deutschland lebenden Russin, ob und wie es mit dem deutsch-russischen Tierschutz weitergeht.

Zahlungswege nach Russland sind abgeschnitten

Auf Ihrer Homepage steht, Sie haben den Tierheimen in Russland, die Sie unterstützen, einen Großteil Ihres Vereinsvermögens überwiesen, bevor die Zahlungsmöglichkeit unterbrochen wurde. Wie kam es dazu?

Natalia Gracheva: Unser Vorstand hat sich getroffen und diesen Beschluss gefasst, gerade noch rechtzeitig. Für Futter, Kastrationen, Medikamente. Andere haben das nicht rechtzeitig geschafft und wir haben jetzt viele Anfragen anderer Organisationen in Russland, die unsere Partner bitten, ihnen zu helfen. Solchen wurde auch schon ein paarmal geholfen, damit keine Tiere hungern müssen. All das ist aber sehr schwer, da viel Tierfutter im Ausland lizensiert war und nicht mehr verfügbar ist.

Was wird den Tieren dann gefüttert?

Natalia Gracheva: Am Anfang, als wir noch wenig Spendeneinnahmen hatten, haben wir Fleisch mit Buchweizen vermischt gekauft. Ähnlich wird es wohl wieder laufen. Wir können die Tiere ja nicht auf die Straße setzen und dort sterben lassen.

Haben Sie noch neue Möglichkeiten gefunden, Ihren Partnern Geld zukommen zu lassen? Wie lange halten diese ohne Ihre Zuwendungen noch durch?

Natalia Gracheva: Etwa zweieinhalb Monate. Es gibt keine Möglichkeiten mehr, Geld auf Konten zu schicken. Wir überlegen jetzt, ob jemand von uns dann notfalls Bargeld nach Russland bringt, quasi im Geldkoffer mit dem Flugzeug.

Evakuierungsfahrten in letzter Minute

Wie erleben Sie die aktuellen Feindseligkeiten und den Krieg zwischen Russland und der Ukraine?

Natalia Gracheva: Ich verstehe das überhaupt nicht. Ich habe meine Heimat noch zur Sowjetzeit verlassen, als so etwas noch völlig fremd war. Wir vom Verein finden diesen Krieg absolut furchtbar. Ich verstehe auch nicht generellen Hass gegen Russen - die Russen hier sind nicht Putin.

Sie haben in letzter Minute noch Evakuierungsfahrten mit russischen Hunden gemacht, die deutsche Besitzer gefunden hatten. Hat das alles geklappt?

Natalia Gracheva: Wir haben noch drei Transporte gemacht. Wir haben jetzt große Angst, dass die Grenzen geschlossen werden. In Moskau ist sehr häufig die Rede davon. Wir hatten eben Pflegestellen und sagten uns: Wir müssen die Möglichkeit noch nutzen. Das war nicht einfach bei der Abwicklung, der Papierkram ist enorm. Wir beschäftigen in Moskau eine Person nur damit. Aber es hat an der Grenze reibungslos geklappt.

Kriegsbedingte Hundehilfe in der Ukraine

Sie unterstützen jetzt auch Straßentiere in der Ukraine. Wie ist es dazu gekommen?

Natalia Gracheva: Ich besitze eine Fabrik in der Ukraine. Meine Partner dort kenne ich seit fast 40 Jahren, wir haben in der Sowjetzeit zusammen in Russland studiert. Ich kam dadurch natürlich in Kontakt zu Tierschützern dort, in der Fabrik gab es irgendwann auch Hunde.

Diese wollte ich, als der Krieg kam, natürlich evakuieren. Ich nahm dann noch sechs ukrainische Frauen mit ihren Tieren bei mir hier auf. Mit diesen haben wir dann Paletten mit Medikamenten und Futter in die Ukraine geschickt. Wir wollen das weiter tun.

Haben Sie dort ebenfalls Partner vor Ort?

Natalia Gracheva: Ja, zwei Vereine. Dort sind viele ehrenamtlich tätig. Es sind junge Leute, die in Kiew Straßenhunde füttern. Deren Zahl hat durch den Krieg jetzt zugenommen. Viele Leute mussten in überfüllte Züge gequetscht nach Lwiw im Westen fahren und konnte ihre Tiere auf der Flucht oft nicht mitnehmen. Unsere Helfer haben zurückgelassene Hunde und Katzen an Bahnhöfen eingesammelt. Wir benötigen jetzt dringend Geld, um diese Arbeit und auch die in Russland fortzusetzen.

Wer die Hundehilfe Russland unterstützen will, findet Möglichkeiten auf der Homepage - auch gezielt für bestimmte Projekte des Vereins