IAA Mobility und Klimaproteste – wie in München Welten aufeinander prallten
"Ich liebe Autos" hieß es am VW-Messestand. "Mit Vollgas in die Klimahölle" stand auf einem Transparent, mit dem sich Aktivistinnen bei Mercedes abseilten. Was sonst noch geschah.
Nach sechs Tagen IAA Mobility kommt München wieder zur Ruhe. Am Wochenende prallten in der bayerischen Landeshauptstadt noch einmal Welten aufeinander. "Ich liebe Autos, alles, was fährt", jauchzte der Moderator des VW-Messestands auf dem "Open Space" am Münchner Odeonsplatz. Slogans wie "Make Love, not Car" waren auf Schildern bei der großen Gegendemonstration am Sonntag zu lesen.
Nicht durchgehend gelang es der Polizei, die Automesse und Autohäuser gegen Protestaktionen abzuschirmen. Schließlich hatten die IAA-Veranstalter bewusst entschieden, neben den Messehallen öffentliche Plätze in der Innenstadt zu beanspruchen.
Vom Mercedes-Showroom in den Residenzhöfen seilten sich am Samstag Aktivistinnen mit einem Transparent ab: "Mit Vollgas in die Klimahölle" war darauf zu lesen. Die Residenzhöfe wurden daraufhin kurzfristig wegen angeblicher Überfüllung geschlossen. Vor der Mercedes-Benz-Niederlassung setzte die Polizei Schlagstöcke ein, um eine unangemeldete Versammlung zu verhindern.
"Ihr scheißt auf das Klima und macht nur Profit"
Das "Greenwashing" der Messe will die Klimabewegung nicht gelten lassen: Neue Antriebsarten für einen ausufernden motorisierten Individualverkehr sind nicht das, was sie sich unter einer echten Verkehrs- oder Mobilitätswende vorstellt, zumal die Energiewende, die Umstellung auf 100 Prozent klimaneutralen Strom aus erneuerbaren Quellen, zur Zeit noch eine Herausforderung für sich ist. Da gibt es nach Meinung der Klimabewegten andere Prioritäten, als den Bedarf für 48 Millionen E-Autos in Deutschland zu decken.
"Ihr gebt euch grün, sozial und innovativ – ihr scheißt auf das Klima und macht nur Profit" – dieser Gesang ertönte am Sonntag immer wieder auf der Demonstration gegen die IAA. Die Aktionsbündnisse "No Future for IAA", "Smash IAA", "Sand im Getriebe" und andere politische Organisationen hatten gemeinsam zum Protest aufgerufen. Mehr als 3.000 Menschen waren dem Aufruf gefolgt. Vom Mobilitätswende-Camp im Luitpoldpark ging es in die Innenstadt.
Die IAA stehe symptomatisch für eine Gesellschaft, die um den menschengemachten Klimawandel weiß und einfach weiter mache, erklärte Lou Schmitz, die Sprecherin von "No Future for IAA" in einer Auftaktrede. Am Vortag hatte das Bündnis eine symbolische Hausbesetzung durchgeführt, um auf Leerstand hinzuweisen, während öffentliche Flächen in der Stadt der Messe zur Verfügung gestellt wurden.
Auf dem vordersten Transparent der Demonstration wurde rhetorisch gefragt: "Für wenn wird hier eigentlich Politik gemacht?". Auf zahlreichen Schildern wurden der Kapitalismus, die Autolobby oder die Politik der Grünen angesprochen.
Das "Smash-IAA"-Bündnis, das sich als "klassenkämpferisch und antikapitalistisch" versteht, zeigte in seinem Block Schilder mit Gesichtern von Anteilseigner:innen von VW, Opel oder Continental, die anschließend abgerissen wurden, um die Forderung "Enteignen!" präsentieren.
Mit dem Schriftzug "Daimler und Co. Hand in Hand mit dem türkischen Terrorstaat" wurden die Rüstungsexporte des Konzerns kritisiert, die auch schon Thema einer Demonstration am Samstag zu einer Mercedes-Filiale in München waren.
Der Protestzug am Sonntag wurde immer wieder für kurze Zeit angehalten da laut Polizei die Seitentransparente verbotenerweise verknotet worden waren oder Pyrotechnik abgebrannt wurde – zu größeren Störungen kam es aber nicht.
Auch ÖPNV-Beschäftigte unterstützten den Protest
Auf der Abschlusskundgebung sprach ein Angestellter des Münchner Nahverkehrs, um über die von der Politik vernachlässigte Mobilitätswende zu sprechen. Aktuell würden in München regelmäßig Busse aufgrund von Personalmangel ausfallen, weil der ÖPNV im Vergleich zur Autoindustrie staatlich zu wenig finanziell unterstützt werde.
Deshalb hätten sich auch mehrere Beschäftigte an der Demonstration beteiligt, um vereint mit der Klimabewegung für die Verkehrswende zu kämpfen.
Aktivist:innen aus Chile machten auf die Folgen der Autoproduktion in anderen Ländern aufmerksam, zum Beispiel zerstöre der Lithium-Abbau die Atacama-Wüste in Südamerika. Am Ende der Demonstration am Karolinenplatz wollte die Polizei einen Teil der Demonstrierenden an der Abreise hindern. Rund 100 Personen führten daher eine Spontandemonstration durch, um zur nächsten U-Bahnstation zu gelangen.
Die Demonstration wurde dann kurzerhand auf dem U-Bahngleis und in den Waggons bis zurück zum Protestcamp verlängert. Dort ging ein aus der Sicht des Orga-Teams erfolgreiches Protestwochenende seinen Abschluss. Allerdings sitzen weiterhin mehrere Personen, die an den Protesten teilnehmen wollten, in Präventivhaft – voraussichtlich bis zum 30. September.
Erste "Klimakleber" aus der Präventivhaft entlassen
Am Sonntagabend konnten allerdings 14 Aktive der Gruppe Letzte Generation die Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim verlassen und wurden draußen von Gleichgesinnten freudig begrüßt. Mindestens 29 waren insgesamt während der Protesttage inhaftiert. Eigentlich sollten sie keinen Kontakt zu "normalen" Gefangenen haben, es ergab sich aber dennoch.
Für andere Insassen der JVA sei es wohl ein "Event" gewesen, als sich herumgesprochen habe, dass "die Klimakleber" kämen, erzählte ein gerade entlassener Aktivist gegenüber Telepolis. Es habe aber keine feindseligen Reaktionen gegeben. Eher waren sie mit neutraler bis freundlicher Neugier konfrontiert. Beim Hofgang konnten sie sich mit Untersuchungsgefangenen hinter Gitterfenstern unterhalten. Er habe dann auch schnell erklärt, warum er "zivilen Widerstand" für nötig halte.
Zwei der am Sonntag Entlassenen hatten sich darauf eingestellt, bis Monatsende in der JVA zu sitzen, in ihrem Fall konnte die Gruppe aber erfolgreich juristisch dagegen vorgehen. Dazu hatte sich die Letzte Generation kurzfristig entschlossen. Im Protestcamp hatte es Diskussionen darüber gegeben, warum Betroffene die Präventivhaft hinnähmen. Gute Chancen, sich dagegen zu wehren, bestehen mit Rechtsbeistand wohl zumindest, wenn die Inhaftierten persönlich keine weiteren Aktionen des zivilen Ungehorsams angekündigt haben.