IS: Erst Sinai, dann Gaza?
Nach den koordinierten Angriffen auf mehrere Checkpoints durch IS-Verbündete denken ägyptische Militärkreise an Hilfe aus Israel
Sheikh Zuweid liegt im Norden der Halbinsel Sinai und ist gerade mal 16 Kilometer vom Gazastreifen entfernt. So sind die gestern erfolgten gut koordinierten, gleichzeitigen Angriffe auf mehrere Checkpoints in der Umgebung von Sheikh Zuweid und Rafah Auslöser einer größeren Nervosität in ägyptischen Sicherheitskreisen. Die Angreifer haben engste Verbindungen zum IS. Manche bezeichnen die Milizengruppe Ansar Bayt al-Maqdis bereits als "IS auf dem Sinai".
"Wir kontrollieren die Situation auf dem Sinai zu 100 Prozent", beruhigte die Armee. Die ägyptische Öffentlichkeit dürfte Bescheid wissen. Die Schwierigkeiten im Norden der Halbinsel datieren seit Jahren (Sinai: Das nächste Talibanistan?). Neu hinzu kommt, dass nun der IS seine Interessen an Gaza deutlich erklärt hat (IS droht der Hamas).
Dass Scheikh Zuweid als Versteck von Terroristen gilt, ist auch dem Militärkommando in Kairo längst bekannt. Dennoch überraschten die Attacken der Milizen den Geheimdienst und Armeeführer.
Den Geheimdienst, weil er offensichtlich große Lücken bei der Situationseinschätzung auf dem Sinai aufweist und die Armee, weil sie nicht entsprechend auf die Angriffe vorbereitet war und bei stundenlangen Kämpfen mit den Milizen auf einen taktisch überraschenden, erstaunlich gut bewaffneten Gegner traf.
Erklären kann sich dies General Hisham El-Halaby gegenüber der ägyptischen Zeitung al-Ahram nur mit der Hilfe ausländischer Geheimdienste, welche die Milizengruppe Ansar Bayt al-Maqdis unterstützen, die möglicherweise den Angriff sogar geplant hätten. Auch dass die Milizen im Besitz von Flugabwehrraketen und eines besonders effektiven Sprengstoffs seien, erklärt man sich in ägyptischen Sicherheitskreisen mit der Unterstützung aus anderen Ländern.
Offensichtlich ist für ägyptische Medien der Zusammenhang zwischen dem Kampf der Regierung gegen die Muslimbrüder und dem Anheben der Anschlagswelle auf der Halbinsel. Demnach haben es die Anschläge auch darauf angelegt, der Regierung in Kairo zu zeigen, wie wenig sie von einem Erfolg im Kampf gegen Terroristen sprechen kann.
Befürchtet wird nun, dass es den Dschihadisten der Ansar Bayt al-Maqdis, die dem IS-Führer Gefolgschaft erklärt haben, gelingen könnte, auf der Halbinsel strategisch wichtige Orte unter Kontrolle zu bringen und auf längere Frist eine Verbindung zum Gazastreifen zu schaffen.
Ähnlich sei der IS auch in Syrien und im Irak verfahren, warnt ein Bericht der israelischen Zeitung Ha’aretz. Sie berichtet von einer höherrangigen ägyptischen Quelle, wonach as-Sisi im Ernstfall, wenn der IS zu nahe an den Gazastreifen herankomme, "die israelische Armee zur Hilfe rufen" würde.
Heute hat die ägyptische Armee Kämpfer der Beit al-Maqlis aus der Luft angegriffen. Es wird von vielen getöteten Milizenkämpfern berichtet, wie schon gestern. Nachlässiger ist man von offizieller Seite dagegen, wenn es um zivile Opfer geht.
Das Verhältnis der Regierung zu den Beduinenstämmen steht nicht zum Besten. Unterstützen die Beduinen die IS-Vertretung auf dem Sinai, wird es für die Bevölkerung, die zwischen den Fronten steht, noch schwieriger.