IS-Schläferzelle in Deutschland aufgedeckt?
Generalbundesanwaltschaft lässt drei Männer verhaften, die über die Balkanroute nach Deutschland gekommen sein sollen. Angeblich gibt es Bezüge zu den Attentätern von Paris
Die Gefährdungslage in Deutschland sei unverändert hoch, sagte der Bundesinnenminister.
De Maizière tätigte die beinahe schon klassische Aussage im Zusammenhang mit einer spektakulären Festnahmeaktion, die am Dienstagmorgen in Schleswig-Holstein durchgeführt wurde. Beteiligt waren die GSG 9, das BKA, Bundespolizei und Mitglieder der Landespolizei aus mehreren Bundesländern.
Keine "konkreten Aufträge oder Anweisungen zu einem Terroranschlag"
Festgenommen wurden drei syrische Staatsangehörige, im Alter zwischen 17 (!) und 26 Jahren. Die Haftbefehle vom 7. September 2016 stammen vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs, informiert die Generalbundesanwaltschaft. Vorgeworfen wird ihnen, dass sie der "mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung dringend verdächtig (§ 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB)" seien.
Konkrete Aufträge oder Anweisungen konnten bislang durch die durchgeführten Ermittlungen nicht festgestellt werden, ist der Pressemitteilung aus dem Haus des Generalbundesanwalts Peter Frank zu entnehmen.
Bezüge zu Paris-Attentätern von 2015
Minister de Maizière erklärte, dass die drei Festgenommenen Teil einer IS-Schläferzelle sein könnten. Nach bisherigem Ermittlungsstand gebe es "Bezüge zu Paris-Attentätern" von 2015.
Welche Bezüge er genau meint, deutete der Minister mit vorsichtigen Worten an: "Es spreche viel dafür, dass die Festgenommenen von derselben Schlepperorganisation wie die Attentäter von Paris nach Deutschland gebracht worden seien", wird de Maizière in Medienberichten zitiert.
Die Pässe - Informationen aus Damaskus?
Das andere Indiz ist, dass die Reisedokumente aus derselben Quelle wie jene der Paris-Attentäter stammen. Genau präzisiert wird das nicht. Nur dass sie vom IS stammen. Dann wäre auch denkbar, dass die syrische Regierung an den Ermittlungen beteiligt war.
Ende Mai gab es nämlich Hinweise darauf, dass die Regierung in Damaskus über lange Listen mit Nummern der Pässe verfügt, die dem IS in die Hände fielen - insgesamt 3.800 syrische Blankopässe, die zuvor vom IS erbeutet worden waren, wie die WamS damals berichtete.
In diesem Zusammenhang hieß es, dass das syrische Regime den europäischen Sicherheitsbehörden unter anderem Hinweise auf spätere Paris-Attentäter übermittelt habe.
Mindestens zwei der Attentäter (in Paris, Anm.d. Verf.) sowie weitere mutmaßliche Mitverschwörer waren über die Balkanroute mit Pässen aus der verdächtigen Tranche nach Europa gekommen.Welt am Sonntag
Der BND habe mit syrischen Geheimdienstlern kooperiert, so die Springer-Zeitung. Es sei zu mehreren Treffen gekommen.
Über die Balkanroute nach Deutschland
Laut Ermittlungen der Bundesanwaltschaft sind die drei Festgenommenen, Mahir Al-H., Mohamed A. und Ibrahim M., im November 2015 über die sogenannte Balkanroute nach Deutschland gekommen. Gemeldet waren sie in Flüchtlingsunterkünften in Schleswig-Holstein.
De Maizière warnte in diesem Zusammenhang erneut vor einem Generalverdacht gegen Flüchtlinge. Aktuell gebe es etwa 60 Ermittlungsverfahren, ergänzte er.
Kritik am Zeitpunkt des Zugriffs
Unter Kritik kam das Timing des Zugriffs. De Maizière sprach selbst davon, dass der heutigen Aktion eine intensive, monatelange Ermittlung vorausging. Enorme Kräfte seien gebunden gewesen, die Personen in einem großen Umfang persönlich zu observieren. Eine Gefahr sei aber von diesen drei Personen zu keinem Zeitpunkt ausgegangen.
Es musste nur der richtige Zeitpunkt ermittelt werden, damit auch ein Haftbefehl trägt.
De Maizière
Der Haftbefehl stammt, wie oben erwähnt, vom 7. September. Ulla Jelpke von der Linken wirft dem CDU-Innenminister vor, dass er den Zeitpunkt gewählt habe, um seiner Partei beim Wahlkampf in Berlin zu helfen.
Die Ermittlungen des Generalbundesanwalts
Laut Generalbundesanwalt haben die Ermittlungen ergeben, dass sich Mahir Al-H. spätestens Ende September 2015 in Rakka dem IS angeschlossen hatte und eine kurze Ausbildung samt Einweisung in den Umgang mit Waffen und Sprengstoff durchlief.
Im Oktober letzten Jahres soll sich Mahir Al-H. zusammen mit den beiden anderen Verdächtigen gegenüber einem für Operationen und Anschläge außerhalb des IS-Gebiets zuständigen Funktionär des "Islamischen Staates" verpflichtet haben, zusammen nach Europa zu reisen.
Dort sollten die drei Beschuldigten entweder einen bereits erhaltenen Auftrag ausführen oder auf weitere Anweisungen warten.
Generalbundesanwaltschaft
Laut Ermittlungen erhielten sie vom IS neben den Pässen höhere vierstellige Bargeldbeträge in US-Dollar sowie Mobiltelefone mit vorinstalliertem Kommunikationsprogramm.