"Ich atme"

Kaliforniens Kandidaten erklären ihren Wählern ihr manchmal erstaunliches Programm, die Wahl wurde allerdings erst einmal verschoben

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Am Montag entschied ein kalifornisches Berufungsgericht überraschend, den Termin der außerplanmäßigen Gouverneurs-Wahl zu verschieben. Den 135 Kandidaten bleibt nun voraussichtlich noch bis zum März nächsten Jahres Zeit, die Wähler davon zu überzeugen, dass und warum sie den derzeitigen kalifornischen Gouverneurs Gray Davis ablösen sollten. Doch welcher Kandidat steht wofür? Eine offizielle Broschüre des Bundesstaats erlaubt erstaunliche Einsichten.

Sollte das Urteil Bestand haben, dann wird die Wahl vom 7. Oktober auf den März nächsten Jahres verschoben. Vermutlich wird der oberste Gerichtshof Kaliforniens in den nächsten Wochen über den endgültigen Wahltermin entscheiden. Doch egal ob in drei Wochen oder sechs Monaten: Schon jetzt steht fest, dass die Wahl zu einer der kompliziertesten jemals gehaltenen demokratischen Abstimmungen werden wird. So wird der Wahlzettel mehrere Seiten umfassen.

Die Namen der Kandidaten werden darauf jedoch nicht in gewohnter Weise alphabetisch geordnet sein. Um Iris Adam nicht mehr Chancen zu geben als Jan Zellhoefer, wurde per Zufall ein spezielles Wahl-Alphabet ausgelost, das mit den Buchstaben R, W, Q und O beginnt - jedenfalls für alle Wähler, die im Wahlkreis 1 abstimmen. In allen weiteren Wahlkreisen wird die Buchstabenfolge jeweils um einen Eintrag rotiert, so dass der Wahlzettel überall anders aussehen wird.

Gorillas kämpfen gegen das Armageddon

Um wenigstens ein bisschen Ordnung ins Chaos zu bringen, hatten die kalifornischen Kandidaten jetzt Gelegenheit, den Wählern ihre Positionen in einer offiziellen Wahl-Broschüre nahe zu bringen. 104 Anwärter auf das höchste Amt im Bundesstaat machten davon Gebrauch. Schwarzenegger verzichtete, da er sich nicht auf eine freiwillige Begrenzung seines Wahlkampfetats auf 10 Millionen Dollar einlassen wollte. Doch auch ohne den Terminator ist die Broschüre voll von schillernden Gestalten.

Website von Trek Thunder Kelly

Da wäre zum Beispiel Trek Thunder Kelly. Der hauptberufliche Ansteckbutton-Verkäufer ist der Überzeugung, nur durch seine Wahl zum Gouverneur das nahende Armageddon abwenden zu können - eine Ansicht, deren überraschende Popularität Kellys Website in den vergangenen Tagen bereits mehrfach in die Knie zwang. Oder auch Kurt E. "Tachykaze" Rightmyer. Der amtierender kalifornischer Meister im Sumo-Mittelgewicht verspricht, nicht lange zu fackeln und den "800-Pfund-Gorrila" der Regierung von allen Seiten anzugreifen. Was merkwürdig ist, schließlich wäre Rightmeyer als Gouverneur ja selbst Teil der Regierung. Womöglich ahnt er aber bereits, dass er selbst sein härtester Gegner sein könnte: "Gouverneur zu sein ist keine Party", weiß Tachykaze.

Mit ein bisschen Dope wird es aber trotzdem erträglicher, meint offenbar B.E. Smith, der bereits für den Anbau von Marihuana im Knast saß. Als Gouverneur würde er freiwillig auf sein Gehalt verzichten und sich und seinen Landsleuten im Ausgleich jeden Umgang mit der berauschenden Pflanze erlauben. Nicht ganz so bescheiden ist Michael Cheli, der sein eigenes Gehalt nur um zehn Prozent reduzieren will. Schließlich weiß Cheli: "Freedom is not free." Und Bier auch nicht. Nicht mal für den Gouverneur.

Von Tim Sylvesters Website

Frank Macaluso verspricht schon jetzt, auf keinen Fall für eine Wiederwahl zur Verfügung zu stehen. Auch eine Art, mit Verantwortung umzugehen. Noch einfacher will es sich Paul Mariano machen. Der demokratische Kandidat will im Fall seiner Wahl einfach dem bisherigen Gouverneur die Verantwortung über das Tagesgeschäft übertragen. Tim Sylvester, Christopher Sproul und eine Hand voll weiterer Kandidaten haben es dagegen ganz darauf abgesehen, zu verlieren und erklären, ihre Kandidatur sei ein Protest gegen die gesamte Abwahl-Kampagne.

Luft holen auf dem Exxon Freeway

Doch wie wollen die übrigen Kandidaten eigentlich die massive Schuldenkrise des Westküstenstaats lösen? David Ronald Sams, der sich sein Geld unter anderem mit dem Verkaufen von Domains verdient, hat da schon eine prima Idee: "Firmen zahlen Geld, um Sportstadien mit ihrem Namen zu haben - warum sollte das nicht auch mit dem 405 Freeway möglich sein?" Joel Bitton dagegen verfolgt einen nicht ganz so Unternehmer-freundlichen Kurs. Kalifornien hat Schulden? Na, da verstaatlichen wir doch einfach mal die Banken. "Ich bin für eine Regierung der Arbeiter und Bauern, die den Kapitalismus in den USA abschaffen und dem weltweiten Kampf für Sozialismus beitreten wird", heißt es dazu in Bittons Wahlkampfstatement.

Von David Ronald Sams' Website

Andere glauben da eher an die kleine gute Tat als Schlüssel zum Erfolg. Wie zum Beispiel Ralph Hernandez. Der Demokrat lässt Kaliforniens Wähler wissen, dass er jüngst einen Welpen und eine Katze adoptiert hat. Richtig so! Wenn der Staat schon vor die Hunde geht, dann sollten diese wenigstens gut genährt sein. Nicht lange mit biografischen oder auch inhaltlichen Details langweilen will dagegen der republikanische Kandidat Kevin Richter. Sein Programm besteht nur aus zwei Worten: "Ich atme."

Rauchende Singles, wütende Jugend

Zahlreiche Kandidaten versprechen, den Einfluss der Lobbyisten von Gewerkschaften bis zu Casinobetreibern entgegentreten zu wollen. Das hält sie jedoch nicht davon ab, ihren eigenen Interessengruppen endlich zu mehr Gewicht zu verhelfen. So will die 25-jährige Republikanerin Brooke Adams ihrer Generation den ihrer Meinung nach überfälligen Zugang zur Macht ermöglichen. Den Alten wirft sie ein zorniges "Führe, folge oder geh aus dem Weg" entgegen. Zigarettenverkäufer Ned Roscoe tritt dagegen als Advokat der kalifornischen Raucher an.

Warren Farrel weiß zu berichten, dass allein erziehende Väter seinen Forschungsergebnissen nach einen besseren Einfluss auf ihre Kinder haben als allein erziehende Mütter. Wie das Kalifornien helfen soll, erklärt er nicht. Vielleicht hilft es ja wenigstens seinen Buchverkäufen. Farrell muss allerdings aufpassen, dass ihm Rich Gosse nicht die Show stiehlt. Der betreibt nämlich eine "Fairness for Singles Plattfom", die endlich aufräumen will mit der Diskriminierung von Alleinstehenden.

Was er damit wohl meint? Schluss mit One Night Stands, Junggesellenwohnungen und exzentischen Hobbys wohlhabender Mittvierziger? Ach nein, Gosse meint ganz andere Singles. Jene, die viel lieber verheiratet und mit jeder Menge Gören im unbezahlten Eigenheim wohnen würden. Oder wie ist es sonst zu erklären, dass Gosse als Präsident der American Singles Organisation auf seiner Homepage ausgerechnet sein Hochzeitsfoto veröffentlicht hat?

Bill Brady schließlich will seine Kenntnisse als Comedy-Autor einsetzen, um Kalifornien wieder auf die Beine zu helfen. Ganz Profi schreibt er über sich in der dritten Person und gibt dabei den wohl angenehmsten Ausblick auf die Zukunft Kaliforniens:

Im Fall seiner Wahl verspricht er, alle Probleme des Bundesstaats in 22 Minuten und 44 Sekunden zu lösen, inklusive zweier Werbeunterbrechungen und einer Umarmung am Ende. Ist dies nicht genau das, was Kalifornien nach all diesem Trubel braucht?