"Ich bin Bauhaus", sagt die Lampe
- "Ich bin Bauhaus", sagt die Lampe
- Die demokratischen Verhältnisse, sie sind nicht so
- Die Ikone Bauhaus ist brüchig
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Philipp Oswalt zur künstlerischen und politischen Positionierung des Bauhauses in schwierigen Zeiten
Das Bauhaus-Jubiläum bot Anlass, mit Philipp Oswalt über die "Ikone Bauhaus" und den Bauhausstil zu sprechen, den Oswalt zwiespältig sieht. Der Architekt und Publizist wurde durch das Projekt "Schrumpfende Städte" bekannt. Er hat eine Professur in Kassel inne und war von 2009-2014 Direktor der - heutigen - Stiftung Bauhaus in Dessau. Dort musste er gehen, weil die sachsen-anhaltinische Kulturpolitik offensichtlich mit originellen Köpfen Schwierigkeiten hat.
Ist das Bauhaus verantwortlich für die Bausünden und den Städtebau der Nachkriegszeit oder sogar der Nachkriegsmoderne?
Philipp Oswalt: Das Bauhaus ist zur Marke geworden als Spitze des Eisbergs der klassischen Moderne. Aus dieser Moderne heraus entstand Ende der Zwanziger Jahre das Konzept der funktionellen Stadt. Die städtischen Funktionen wurden getrennt, die Stadtstrukturen an den Autoverkehr angepasst. Gropius vertrat eine rigide Zeilenbauweise. Der funktionalistische Städtebau setzte sich nach 1945 in radikalisierter Form durch. Speers Pläne zum Wiederaufbau wirkten hier fort. Hinzu kamen die Interessen der Bauwirtschaft.
Das Bauhaus stand von Anfang an unter Druck von außen. Die Anwürfe kamen von allen Seiten: undeutsch und bolschewistisch, aber auch bürgerlich-formalistisch, und zuletzt unamerikanisch. Sollte man nicht anerkennen, dass das Bauhaus den winzigen Spielraum genutzt hat, um mittels der Künste der Gesellschaft zu einem neuen Aufbruch zu verhelfen?
Philipp Oswalt: Sicher war der Druck von außen und von rechts - nicht nur von Rechtsradikalen, sondern auch von Bürgerlich-Konservativen - wesentlich dafür, wie sich das Bauhaus entwickelt und sich als Marke in den Köpfen eingeschrieben hat. Dies führte zur Solidarisierung mit dem Bauhaus auch von Leuten, die Kritik an der Gropius'schen Position hatten. Dieser Konflikt trug zur Bekanntheit des Bauhauses bei. Es stand bald als Pars pro toto für die gesamte Moderne.
Gab es damals einen Trend, die Politik in die Kunst zu tragen, und hat Gropius nicht diesem Dilemma begegnen wollen, indem er umgekehrt das Bauhaus künstlerisch sehr breit aufstellte und kreative Impulse der Studierenden aufgriff, um die Politik in eine Kunstform zu sublimieren und von dort aus auf die Konflikte der Gesellschaft einzuwirken?
Philipp Oswalt: Diese Sehnsucht, die moderne Welt mit Hilfe des Künstlers zu heilen, hatte sich schon vor dem Bauhaus artikuliert, schrieb sich dann aber in die Bauhaus-Idee ein. In einem technischen Zeitalter, wie es sich in Deutschland nach der Reichsgründung recht schnell entfaltete und zu starken Umbrüchen und Fragmentierungen führte, entstand die Hoffnung, mit Hilfe der Kunst wieder zu einer neuen Einheit der Lebenswelten zu kommen. Aus Richard Wagners Idee des Gesamtkunstwerks wurde im Bauhaus-Manifest von Gropius die Utopie des großen gemeinschaftlichen Baus.
Zugleich darf man nicht vergessen, dass das Bauhausprogramm auf den Ideen des "Arbeitsrats für Kunst" basierte, der in der Revolution von 1918 entstanden war und dem neben Gropius auch die ersten Bauhaus-Meister Feininger und Marcks angehörten. Dort hatte man bereits gemeinsam ein Programm für eine neue Architektur und eine neue Ausbildung formuliert.
Die Räte-Idee war, wenn auch schwärmerisch-utopisch überhöht, für das frühe Bauhaus prägend, aber Gropius versuchte, das Politische mit den Mitteln der Kunst zu sublimieren und hat sich stets als unpolitisch ausgegeben. Anders als heute wurde das Bauhaus damals nicht von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen, sondern nur von den linksliberalen bis kommunistischen Teilen der Gesellschaft. In dieser Hinsicht konnte es sich gar nicht neutral positionieren, sondern war im politischen Lagerkampf der Weimarer Republik klar verortet.
Eine Aufnahmebereitschaft für Bauhaus-Produkte bestand im liberalen Großbürgertum, dem mehr an Lifestyle als an Funktionalität gelegen war. Gropius bediente das, während Hannes Meyer als der zweite Direktor (1928-1930) in Kooperation mit Gewerkschaften und Genossenschaften baute. Er legte auf eine preiswerte industrielle Massenproduktion wert. Der soziale Wohnungsbau der klassischen Moderne war ein sozialdemokratisches Reformprojekt, wenn wir etwa an Berlin, Frankfurt, Wien und Rotterdam denken. Mit dem dritten Direktor, Mies van der Rohe, wird alles wieder sehr großbürgerlich.
Das Bauhaus hat in seinem Totalitätsanspruch postuliert, das "Maß aller Dinge" herausgearbeitet zu haben. Ist das für heutige Architekten eine doppelte Last: sowohl für die, die dem Bauhaus folgen als auch für die, die sich davon befreien möchten? Sind das die fatalen Alternativen?
Philipp Oswalt: Ich würde es differenzierter beschreiben. Alles, was das Bauhaus repräsentiert, ist im wesentlichen bei den europäischen Avantgarde-Bewegungen wie 'De Stijl' und den sowjetrussischen Konstruktivisten aufgesammelt und weiterentwickelt. Mit der Zurückführung auf geometrische Grundformen und Grundfarben soll eine Grammatik der Gestaltung eingeführt werden, aus der heraus die Objekte, ob Gebrauchsgüter, Typografie oder Architekturen, aber auch Kunst und Tanz entwickelt werden.
Meyer kritisiert das von Anfang an, noch vor seiner Berufung, als Schaffung eines Bauhaus-Stils, dem es gar nicht um eine Gebrauchs- oder Produktionsorientierung geht, sondern um ein bestimmtes ästhetisches Programm. Die Wagenfeld-Lampe ist ein Extrembeispiel dafür. Sie ist ein Objekt ohne klare Funktion und sehr teuer in der Herstellung, aber sehr erfolgreich als Markenikone. Sie repräsentiert: "Ich bin Bauhaus" oder "Ich bin modern", und ist eigentlich ein leuchtendes Bildzeichen.