"Ich will meine 22 Cent zurück"

Mit dem Gang vor das Gericht wollen Internetnutzer in Spanien die Gebühr auf beschreibbare CDs und DVDs kippen

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Seit dem 1. September 2003 wird im spanischen Staat eine Kopiergebühr auf beschreibbare CDs und DVDs erhoben (Spaniens Netizen erklären SGAE den Krieg). Schon zuvor hatten die Netizen eine heftige Kampagne gegen den "Canon" gestartet. Ein Teil der Gegner, angeführt von der Website Internetrecht und dessen Betreiber Javier de la Cueva, setzt auf die Justiz, um die Gebühr zu kippen. Auf den Webseiten von Internetrecht stellt der Anwalt eine Musterklage bereit, um gegen die Erhebung der Gebühr vorzugehen.

Am 11. November nun ist es soweit. Erstmals wird über die Rechtmäßigkeit der Kopiergebühr vor einem Gericht in Madrid verhandelt. Kläger ist Javier de la Cueva, der die erste der bisher insgesamt 17 Klagen eingereicht hat: "Eigentlich würde niemand ein Verfahren wegen 22 Cent anfangen", erklärt Javier de la Cueva, weil schon die Anwaltskosten weit höher seien. "Doch der beste Weg, um gegen etwas zu protestieren, ist, auf dem Rechtsweg dagegen vorzugehen". Deshalb stellte der Anwalt seine Klage allen zur Verfügung, damit viele eine Klage erheben. Sein erklärtes Ziel ist es auch, die "Jungs" zu erziehen, die sich gegen die Gebühr wenden.

Auf 75 Seiten legt er seine Position dar. Die Gebühr sei verfassungswidrig, weshalb er die Rückerstattung fordert. Er bezieht sich auch auf das "Gesetz über Geistiges Eigentum, das im Artikel 25.1 das Recht auf eine private Kopie" vorsehe, eine Abgabe an die Autorenvereinigungen dürfe es darauf nicht geben. "Ich will meine 22 Cent zurück", erklärt der Anwalt. Sollte das Gericht seiner Argumentation folgen, würde eine beschreibbare 74 Minuten CD hier bald nur noch zwischen 20 und 30 Cent kosten.

Es sei nicht hinnehmbar, dass die Gebühr beim Kauf auf alle beschreibbaren CDs und DVD erhoben werde, selbst wenn darauf weder Musik noch Filme gespeichert werde. Um die Richter zu überzeugen, nennt er Beispiele aus ihrem Umfeld. Demnach werde die Datenbank des Generalrats für Justizgewalt (CGPJ) ebenso auf CDs gespeichert wie die Aufnahmen von Verhandlungen. Die Gebühr müsse aber bezahlt werden, obwohl hier keine Autorenrechte vorliegen. Der Anwalt rechnet hoch, dass allein auf die Justiz im ersten Halbjahr 2003 etwa 450.000 Euro Gebühren entfallen wären, hätte der Canon zu dem Zeitpunkt schon bestanden.

Digitale Datenträger seien derzeit das "Register der Zivilisation", argumentiert de la Cueva. Heute würden viele Arbeiten, auch die seiner Schüler, nicht mehr auf Papier abgegeben, sondern auf CDs oder DVDs. Niemand wäre auf die Idee gekommen, einst Papier mit einer pauschalen Gebühr zu belegen.

Im Netz wird weiter dafür geworben, Klagen gegen den Canon einzureichen. Wichtig ist nicht, ob das Madrider Gericht in erster Instanz positiv entscheide. Auch die Zahl der Klagen sei nicht sehr wichtig. Bedeutsam sei, eine breite Streuung zu erreichen. "Es ist wichtig, dass möglichst viele verschiedene Richter urteilen. Es reicht aus, wenn ein Richter Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Gebühr hat, und das Verfassungsgericht zu der Frage anruft." Das hat zum Beispiel 1989 dazu geführt, dass verheiratete Paare nicht mehr gemeinsam ihre Steuer erklären müssen, sondern dies nun auch getrennt tun können.

In dieser Art des Vorgehens drückt sich auch die Ernüchterung vieler Netizen aus, die darauf gehofft haben, die neue sozialistische Regierung würde derlei Gesetze der konservativen Vorgänger schleifen. Statt dessen ließen die Sozialisten sogar am 1. Oktober das neue Strafrecht in Kraft treten, gegen das sie als Opposition noch gewettert hatten. So bekommen die Klagen gegen die Gebühr aber weiter Rückenwind, weil das umstrittene Gesetz praktisch sogar das Recht auf eine private Kopie einer CD oder DVD aushebelt (Knast für Privatkopien von CDs und DVDs?).

Nun scheint die Autorenvereinigung, welche die Netizen als Hauptangriffsziel ihrer Attacken ausgewählt haben, einzuknicken. Die "Vereinigung der Autoren Spaniens" (SGAE) hat sich erstmals auf Verhandlungen über die Gebühr eingelassen - erst einmal kurioserweise mit der "Vereinigung der Professionellen Fotografen von Valencia" (AFPV). Deren Anwälte hatten auf die Unrechtmäßigkeit der Gebühr hingewiesen. Die Fotografen benutzten die CDs, um eigene Bilder zu speichern. Sie selbst seien die Autoren und könnten mit keiner Gebühr belegt werden. Die SGAE hat die Fotografen aufgefordert, Vorschläge zur Lösung des Problems zu machen.