Idlib: Al-Nusra/HTS ist das gefährlichere Monster
- Idlib: Al-Nusra/HTS ist das gefährlichere Monster
- HTS-Miliz in Idlib: Richter über Leben und Tod
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Das IS-Kalifat verschwindet, für die Herrschaft der Dschihadisten in Idlib gibt es noch keine Lösung. Lawrow mahnt die Türkei vergebens
Der russische Außenminister Sergej Lawrow erinnerte gestern die Türkei an die Verpflichtungen, die sie vergangenen September mit Russland eingegangen ist. Im syrischen Idlib gebe es noch immer "Brutstätten terroristischer Präsenz", mahnt Lawrow laut Tass: "Zu allererst betrifft dies die Hayat Tahrir al-Sham-Miliz (HTS), die provokante Überfälle gegen Zivilisten wie auch gegen das russische und syrische Militär unternimmt."
Der Wortlaut ist, soweit ihn die russische Nachrichtenagentur ins Englische übersetzt, nicht besonders scharf. Der Außenminister spricht davon, dass Russland die türkischen Partner dazu "ermuntere", seine Verpflichtungen aus dem gemeinsamen Abkommen zu erfüllen. Lawrow weiß, dass die Vorgabe, die Situation in Idlib zu "stabilisieren", nicht einfach ist.
Besonders schwierig gestaltet sich die Erfüllung des Passus aus dem Abkommen, der vorsieht, dass sämtliche Terroristen, worunter HTS, aka die al-Nusra-Front, ganz ausdrücklich gehört, aus der vereinbarten Deeskalationszone in Idlib abziehen sollen. Bislang sieht es überhaupt nicht danach aus.
Ganz im Gegenteil: Anfang des Jahres hat Hayat Tahrir al-Sham-Miliz seine Dominanz in Idlib ausgebaut und in den letzten Wochen gefestigt und niemand hat offensichtlich eine praktikable Lösung parat, wie der HTS-Herrschaft beizukommen ist. Daher rührt auch die relative Geduld der russischen Verhandlungspartner und deren syrischer Verbündeter. Es sind verschiedene Interessen im Spiel.
Verhandlungen zwischen USA und Türkei
Lawrows Interesse an der Ermahnung steht höchstwahrscheinlich im Zusammenhang mit Verhandlungen zwischen der Türkei und den USA. Derzeit ist eine US-Delegation in Ankara. Zu den Gesprächen gehört, wie der US-Think-Tank Washington Institute betont, das Thema türkisch kontrollierte "Pufferzone" in Nordsyrien. Eine solche "safe Zone" entlang der türkisch-syrischen Grenze, um die YPG auf Abstand zu halten bzw. zu bekämpfen, ist ein seit langer Zeit gehegter Wunsch von Erdogan. Der Erfüllung stand immer etwas im Weg.
Nun versucht Erdogan die Gelegenheit, die ihm der angekündigte Abzug der USA neu in die Hände spielt, geschickt zu nutzen. Die "Kooperation", die die US-Vertreter in Ankara mit türkischen Vertretern aushandeln, sollte nach Ansicht der Türkei darauf hinauslaufen, dass türkisches Militär und Verbündete die "Lücke" in der nordsyrischen Provinz Hasaka füllen, welche der Abzug des US-Militärs lassen würde.
Diese Hoffnungen finden sich in den strategischen Überlegungen des Think Tanks wieder. Man muss dazu im Hinterkopf haben, dass dergleichen Institutionen von den Konflikten leben und daher häufig Vorschläge offerieren, die eher nicht zur Deeskalation beitragen.
Das Paper des US-Think Tanks geht so weit, die neoosmanisch inspirierte safe zone als "gemeiname vertrauensbildende Maßnahme" zu schildern. Diese würde statt US-Truppenabzug sogar eine Verstärkung der amerikanischen Militärpräsenz verlangen (was momentan in der US-Führung auch überlegt wird). Die sei nötig, um den IS weiter zu bekämpfen (und wäre auch nötig, um die kurdischen US-Verbündeten vor türkischen Soldaten oder islamistischen Milizen zu schützen). Wichtiges Motiv dieser Vision des Washington Institute: der eigentliche Gegner Russland.
Man müsse verhindern, dass die Türkei russische S-400-Flugwabwehrsystem kaufen. Das ist, wie Hürriyet Daily News von den Verhandlungen zwischen den US-Vertretern und der türkischen Führung berichtet, ein zentraler Punkt.
Das Versprechen einer safe zone wäre ein geeignetes Gegenangebot, um dieses Geschäft zu verhindern, gerade jetzt, kurz vor den Kommunalwahlen, plädiert das Washington Institute. Die US-Regierung würde damit aber ihre kurdischen Partner in große Schwierigkeiten bringen. Dass die Türkei und ihre Verbündeten, einmal in östlichen Nordsyrien einmarschiert, Kurden der YPG verschonen würden, ist nicht wahrscheinlich.