Im 1990er-Jahre Duden gibt es zwar das Wort "Starkbier", nicht jedoch den Begriff "Starkregen"

Seite 2: Die Klimapolitik-Heuchelei von CDU/CSU

"Nur weil jetzt so ein Tag ist, ändert man nicht die Politik." Mit diesen Worten brachte Armin Laschet am 15. Juli 2021, dem Tag 1 der Hochwasser-Katastrophe - seine Grundhaltung auf den Punkt. Der Mann präsentiert sich mit gefälligem Gerede über "mehr Klimaschutz".

Faktisch wird die seit Jahrzehnten betriebene Politik, mit der die Klimaerhitzung beschleunigt wird, beibehalten. Dabei zeigte die NRW-Landesregierung 2019 und 2020 im Konflikt um den Hambacher Wald, dass sie fest an der Seite der Kohlelobby steht; Laschet setzte sich für die Rodung zugunsten des Braunkohletagebaus ein. Noch Anfang Juli 2021 bremste die NRW-Landesregierung mit einem Gesetz den Ausbau der Windkraft in NRW aus - eine Maßnahme, die die Politik auf Bundesebene flankiert.

Markus Söder werkelt in Bayern nach denselben Grundsätzen. Im Mai kündigte der bayerische Umweltminister Torsten Glaubers vom CSU-Koalitionspartner Freie Wähler die Abschaffung der "10-H-Regel" bei Windkraftanlagen an.9 Entsprechend verringerte Abstandsregeln von Windkraftanlagen zu Wohngebäuden hätten die Stagnation beim Ausbau von Windkraft in Bayern beenden können.

Doch Söder ließ die Entscheidung seines Koalitionspartners umgehend kassieren. Der Energie- und Klimaschutz-Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Martin Stümpfig, bezeichnete darauf die Haltung Söders in Klimaschutzfragen als "absolut heuchlerisch". Auf diese Weise könne Bayern seine Klimaschutzziele nie erreichen.

Die Union stellt seit 16 Jahren die Kanzlerin; Merkel und CDU/CSU haben eine traurige Klimapolitik vorzuweisen. Die Klimaziele für 2020 wurden nur wegen der Deindustrialisierung in Ostdeutschland und der Corona-Pandemie erreicht; bereits 2021 dürfte es einen Rückschlag geben.

Ein Kohleausstieg im Jahr 2038, wie von der deutschen Regierung beschlossen, ist völlig kontraproduktiv. Die erneuerbaren Energien werden aktuell nur noch deutlich reduziert ausgebaut; vor allem der Windkraftausbau stagniert. In Bereich Windkraftindustrie wurden allein seit 2017 mehr als 40.000 Arbeitsplätze vernichtet.

Die Grünen könnten vom Hochwasser deutlich profitieren - und dann die in sie gesetzten Hoffnungen enttäuschen

Es könnte durchaus sein, dass - ähnlich wie 2011 nach der Fukushima-AKW-Katastrophe - das Hochwasser die Grünen, nach den peinlichen Fehltritten ihrer Kanzlerkandidatin und dem Absturz der Grünen-Partei in der Wählergunst um fast 10 Prozentpunkte - wieder stärkt. Zweimal in der Geschichte der Bundesrepublik veränderten hohe Pegelstände auch die politische Landschaft.

Während der Sturmflut, die im Februar 1962 große Teile Hamburgs unter Wasser setzte, agierte der damals amtierende Innensenator Helmut Schmidt (SPD) zupackend und auf eine Art und Weise, dass ihn sein neues Macherimage zwölf Jahre später ins Kanzleramt trug.

Sein Nachnachfolger, Parteifreund Gerhard Schröder, entschied 2002 den sogenannten Gummistiefel-Wahlkampf für sich. Schröder packte vor Ort mit an; während sein Kontrahent, Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber, im Urlaub auf einer Nordseeinsel weilte.

2021 gibt Laschet den Schröder - und leistet sich allerdings einige heftige Pannen, so sein mit Kameras festgehaltenes kumpelhaftes Feixen während eines Steinmeier-Statements. Annalena Baerbock verhält sich bislang eher klug und zurückhaltend und lehnt bei ihren Besuchen vor Ort jede mediale Präsenz ab.

Also gut möglich, dass die Stimmung ein weiteres Mal hin zu den Grünen kippt. Doch für den Klimaschutz wird eine Regierung mit starker Grünen-Präsenz kaum etwas bringen. Das lässt sich allein auf Grundlage der vorliegenden Erfahrungen mit grünen Regierungsbeteiligungen feststellen. Drei Beispiele:

Verkehrspolitik in Baden-Württemberg und Hessen. In Baden-Württemberg wuchs in den zehn Jahren mit einem grünen Ministerpräsidenten die Pkw-Dichte überproportional im Vergleich zum Rest der Republik. Die Straßenbaulobby und Autokonzerne wie Daimler und Porsche, die in den ersten Jahren mit einem grünen Verkehrsminister Winfried Hermann noch ausgesprochen kritisch waren, loben inzwischen unisono die grüne Verkehrspolitik, einschließlich des deutlich vorangetriebenen Straßenbaus.

Im neuen grün-schwarzen Koalitionsvertrag vom Mai 2021 wird nicht nur das Festhalten an Stuttgart 21 dokumentiert. Dort werden ein zweites Stuttgart 21 in Form eines unterirdischen Kopfbahnhofs, der ergänzend zum unterirdischen S21-Tiefbahnhof zu bauen sei, und ein weiterer zehn Kilometer langer Tunnelbau festgehalten.

Angesichts der jüngsten Hochwasser-Ereignisse sind Verkehrsplanungen, bei denen die Landeshauptstadt Stuttgart, die sich in einer besonderen Kessellage befindet, mit rund 100 Kilometern neuen Tunnelbauten unterfahren wird, schlichtweg kriminell: Man riskiert auf diese Weise im Fall von Hochwasser den Tod von Hunderten Menschen.

In Hessen stellen die Grünen zwar nur den Minderheitspartner in der schwarz-grünen Regierung - doch sie stellen mit Tarek al-Wazir auch hier den (Wirtschafts- und) Verkehrsminister. Im Dannenröder Forst ging dann die hessische Polizei mit äußerster Härte gegen Klimaaktivisten vor. Der einzige Zweck der militanten Praxis: den Wald zu roden … für den Bau einer Autobahn.

Flugverkehr in Hessen. Mit dem Rhein-Main Airport befindet sich in Hessen der größte Flughafen der Republik. Dass Flugverkehr das Klima am stärksten unter allen motorisierten Verkehrsarten schädigt, ist allgemein bekannt. Die "Verwaltung" eines derart großen Flughafens durch einen grünen Verkehrsminister ist bereits problematisch genug. Und wie charakterisiert man dann den weiteren Ausbau?

Im April 2019 war es so weit. Es gab die Grundsteinlegung für ein neues, ein drittes Terminal. Als Oppositionspolitiker hatte Tarek al-Wazir versprochen, Terminal 3 zu verhindern. Um es dann als Minister doch durchzuwinken. Und als im Corona-Jahr 2020 der Flugverkehr in Rhein-Main - wie auch an allen anderen Flughäfen - kollabierte, erklärte Tarek Al-Wazir:

Wir federn die Folgen der Corona-Pandemie ab und setzen gemeinsam mit Fraport auf mehr Nachhaltigkeit.

Tarek Al-Wazir

Man hoffe, bald wieder das Niveau von 2019 erreichen zu können. Warum sagt man nicht: Es gilt aus Klimaschutzgründen zu prüfen, den Flugverkehr auf dem niedrigen Niveau von 2020 zu halten - um auf einen großen Teil des Flugverkehrs zu verzichten und einen anderen Teil auf den Schienenverkehr, insbesondere auf Nachtzüge, zu verlagern.

Konkret: Im Jahr 2019 wurden auf allen deutschen Flughäfen 251 Millionen Fluggäste gezählt. 2020 waren es 135 Millionen. Doch 135 Millionen Fluggäste - das entspricht dem Niveau von … 2002. Hatten wir vor 18 Jahren ein Jahr der Immobilität? Gab es damals Stark-Tränen-Flüsse wegen verwehrter Flugreisen?10

Elektroautos und steigender Strombedarf

Die Regierungsparteien und die Grünen gehen davon aus, dass eine möglichst große Zahl von Elektroautos möglichst bald erreicht werden soll - und dass dies einen Beitrag zum Klimaschutz darstellt. Wörtlich heißt es auf der Website der Grünen:

Wir wollen klimafreundliche Autos […] Deutschland ist ein Land der Innovationen und Exporte. Darum wollen wir Vorreiter bei klimafreundlichen Fahrzeugen werden, denn ihnen gehört die Zukunft.

Grüne

Bislang lautet dabei die anspruchsvolle Zielmarke: 10 Millionen Batterieautos bis 2030. Die Tatsache, dass allein die Herstellung von 10 Millionen E-Pkw mit 50 Millionen Tonnen Treibhausgasen verbunden ist - was, auf den Herstellungsprozess bezogen, drei bis viermal mehr ist als im Fall der Herstellung von Verbrenner-Pkw - wird nirgendwo thematisiert.

Dass ein Pkw-Park mit 10 Millionen Batterie-Autos im Jahr 2030 selbst dann, wenn der Gesamtbestand nicht größer als derjenige des Jahres 2021 ist, nicht wesentlich weniger Treibhausgase emittiert als der aktuelle Pkw-Bestand - auch dies ist kein Thema in einer grünen Verkehrspolitik.11

Dass ein derart wachsender Bestand an E-Pkw einen massive zusätzliche Stromnachfrage mit sich bringt - wie dies vor einer Woche auch vom deutschen Wirtschaftsminister eingestanden wurde - auch dies wird nicht seriös diskutiert. Wobei damit ja auch alle Ziele hinsichtlich des Anteils erneuerbarer Energien im Jahr 2030 in Frage gestellt werden.

Insbesondere schweigen die Grünen zu der Tatsache, dass der Pkw-Bestand Jahr für Jahr weiter anwächst; selbst im Corona-Jahr waren es am 31. Dezember 2020 mehr als 500.000 Pkw mehr als am 11. Januar 2020.

Bis 2030 gibt es damit mindestens fünf Millionen Pkw mehr - 53 Millionen anstelle von 48 Millionen. Wobei jeder Pkw - gleich welchen Antrieb er hat, dieselbe versiegelte Fläche benötigt. Das absehbare weitere Wachstum der Pkw-Flotte wird also für den weiteren Bau von Straßen verantwortlich sein.

Das Einzige, was immer neue Hochwassergefahren mindern und eine zunehmend beschleunigte Klimaerhitzung abbremsen könnte, ist eine Politik der "gesteuerten Sparsamkeit", wie dies jüngst die Politologin Birgit Mahnkopf formulierte:12 ein drastischer Abbau von motorisiertem Verkehrs allgemein, vor allem massiv weniger Autoverkehr und noch deutlich weniger Flugverkehr.

Eine Reduktion des Energieverbrauchs (anstelle des nun gefeierten Ausbaus des Stromverbrauchs). Weniger Internet - das gewaltige Mengen Energie verschlingt - als dessen fortgesetzter Ausbau.

Dabei wird, so Mahnkopf, "der erste Schritt darin bestehen, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, dass wir der Krise ins Auge schauen müssen […] Die Kraft für eine radikale Umwälzung der Verhältnisse können wir heute nicht aus dem tröstlichen Versprechen einer wunderbaren […] Zukunft beziehen. Nein, wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es gilt, das Schlimmste zu verhindern, und das muss als Antriebskraft genügen".