Im Schweinsgalopp ins Impfchaos
Die Schweinegrippeimpfung - Milliarden für die Pharmakonzerne, Risiken und Nebenwirkungen für das Volk
Seit gestern liefert das Dresdner Werk des Pharmamultis GlaxoSmithKline (GSK) den Impfstoff Pandemrix an die Landesbehörden aus. Grob eine Milliarde Euro wird die Schweinegrippeimpfung die deutschen Krankenkassen und die öffentlichen Haushalte kosten. In einem Anflug von fiebrigem Alarmismus unterschrieben die Bundesländer, das Bundesgesundheitsministerium und GSK bereits Ende 2007 einen Bereitstellungsvertrag, der ursprünglich für die Bekämpfung einer Vogelgrippepandemie gedacht war. Die Vogelgrippe blieb jedoch aus, dafür überzieht nun die wesentlich milder und ungefährlicher verlaufende Schweinegrippe das Land.
Der Vertrag mit GSK behält jedoch seine Gültigkeit und die Bundesländer müssen nun 50 Millionen Dosen eines Impfstoffs abnehmen, der eigentlich für die potentiell gefährliche Vogelgrippe gedacht war. Der Impfstoff Pandemrix ist vergleichsweise teuer, enthält Zusatzstoffe, die kaum getestet wurden und potentiell gefährlich sind, und ist für den Patienten schlechter verträglich als konventionelle Impfstoffe. Trotz aller Risiken steht ein Gewinner bereits fest - GSK verdient am größten Feldversuch der modernen Medizingeschichte geschätzte 4,2 Mrd. US$, während sämtliche Folgekosten dank einer umfassenden Haftungsfreistellung vom Staat getragen werden müssen.
Wie gefährlich ist die Schweinegrippe?
Als die Schweinegrippe im April dieses Jahres in Mexiko und den USA ausbrach, befürchteten die Virologen anfangs aufgrund der relativ hohen Todeszahlen eine weltweite Pandemie mit schrecklichen Auswirkungen. Doch als die Schweinegrippe wenige Monate später in Europa ankam, war bereits klar, dass es sich bei ihr um eine Erkrankung handelt, die weniger Opfer fordert als die normale Grippe. Warum die Zahl der Todesopfer in Mexiko rund 100mal so groß ist wie in Deutschland, ist wissenschaftlich noch nicht geklärt. In Europa verläuft die Schweinegrippe jedoch meist mild und ungefährlich.
Eine Besonderheit unterscheidet das Virus vom Typ H1N1 jedoch von den übrigen Grippeviren. Während die Todesfälle der saisonalen Grippe vor allem bei alten und kranken Menschen auftreten, nimmt die Schweinegrippe auch bei jungen und teilweise sogar zuvor kerngesunden Menschen einen schweren Verlauf, der in einigen Fällen sogar zum Tod führt. Nach Angaben der WHO haben sich weltweit bis jetzt fast 400.000 Menschen mit H1N1 infiziert, die Zahl der Todesopfer beträgt 4.735. In Deutschland haben sich rund 20.000 Menschen angesteckt und es gab nur zwei Todesfälle - verglichen mit der saisonalen Grippe, der jährlich tausende Opfer zugeschrieben werden, ist dies extrem wenig. Selbst wenn sich jeder zehnte Bundesbürger infizieren würde, läge die Zahl der Opfer "nur" bei rund 8.100, und somit sogar weit unter dem langjährigen Grippedurchschnitt.
Warum der Staat ausgerechnet bei der milde verlaufenden Schweinegrippe zur bislang größten und teuersten Impfkampagne der deutschen Geschichte aufruft, ist kaum zu erklären. Bereits zum Zeitpunkt der Impfstoffbestellung war es absehbar, dass H1N1 kein Killervirus ist.
Interessenkonflikte und Lobbyisten
Wenige Tage, nachdem in Mexiko die Schweinegrippe entdeckt wurde, bezeichnete der britische Regierungsberater Sir Roy Anderson die Krankheit bereits als Pandemie und betonte, dass es mit Tamiflu und Relenza zwei effektive antivirale Mittel zur Bekämpfung der Krankheit gäbe. Beide Mittel wirken zwar bei schweren Fällen der Schweinegrippe gar nicht und verkürzen die Erkrankungszeit bei milden Verläufen durchschnittlich um gerade mal einen einzigen Tag, aber darum ging es Sir Roy auch nicht - Relenza wird von GSK hergestellt und Sir Roy Anderson bezieht als Lobbyist dieses Konzerns jährlich rund 136.000 Euro.
Von Anfang an war die Kommunikation über die Schweinegrippe fest in der Hand der Pharmakonzerne und von deren "Freunden" in Regierungen und Ämtern. Vor allem GSK hat in der EU anscheinend sehr viele Freunde. Als es darum ging, einen Impfstoff gegen H1N1 zu entwickeln, war der britische Pharmamulti von Anfang an in der Pole Position.
Pandemrix - ein Impfstoff mit vielen Unbekannten
Der Schweinegrippeimpfstoff, der seit gestern in Großpaletten mit jeweils 120.000 Impfdosen das Dresdner Serumwerk von GSK verlässt, trägt den Namen Pandemrix. Doch was sich so anhört, als sei es ein Zaubertrank des Druiden Miraculix für die tapferen gallischen Recken Asterix und Obelix, hat es in sich. Pandemrix ist kein erprobter Spaltimpfstoff, der im Wesentlichen aus 15 Mikrogramm Antigenen besteht. Neben einer auf 3,7 Mikrogramm reduzierten Antigenmenge wurden dem Impfstoff noch das von GSK patentierte Adjuvans AS03 - ein Wirkverstärker, der neben Polysorbat auch die ungesättigte organische Verbindung Squalen enthält - und der Konservierungsstoff Thiomersal zugesetzt. Sowohl bei Squalen als auch beim quecksilberhaltige Thiomersal konnten in Tierversuchen erhebliche Nebenwirkungen festgestellt werden - allerdings bei Verabreichungsdosen, die weitaus höher sind als in Pandemrix. Diese nicht unproblematischen Zusatzstoffe weisen auch auf den eigentlichen Einsatzzweck von Pandemrix hin.
Bei Pandemrix handelt sich um ein Impfserum aus dem Baukasten, das eigentlich für die kurzfristige Produktion bei einer akuten und gefährlichen Pandemie gedacht ist. Das Adjuvans ist hierbei eine Art Wirkverstärker, der es dem Hersteller erlaubt, eine geringere Dosis des aufwändig herzustellenden Antigens zu verwenden. Diese Wirkstoffkombination hat jedoch in puncto Verträglichkeit und potentiell schweren Nebenwirkungen ihre Nachteile. Verglichen mit einem Impfstoff ohne Wirkverstärker hat Pandemrix deutlich mehr unerwünschte Nebenwirkungen. Ob die Wirkverstärker auch seltene, aber schwere Nebenwirkungen auslösen können, konnte bislang in den wenigen klinischen Studien noch nicht festgestellt werden. Die nun anlaufenden Impfkampagnen sind somit eher ein Betatest am Patienten.
Wirkverstärker haben jedoch auch ihre Vorteile. Im Pandemiefall kann der Hersteller so kurzfristig höhere Chargenzahlen vom Band laufen lassen. Pandemrix hat seine Musterzulassung dementsprechend auch als Impfstoff für die potentiell gefährliche Vogelgrippe bekommen. Wenn eine Pandemie hohe Opferzahlen mit sich bringt und die Zeit knapp ist, überwiegt der potentielle Nutzen den potentiellen Schaden bei weitem. Die Schweinegrippe ist allerdings keine solche Pandemie.
Staat und Kassen übervorteilt
Die europäische Zulassungsbehörde EMEA ist bei der EU der Wirtschaftsdirektion unterstellt - und nicht der Direktion für Gesundheit oder Verbraucherschutz - und wird zu fast zwei Dritteln von der Pharmaindustrie finanziert. Die ständige Impfkommission des Robert Koch-Institutes ist wiederum hauptsächlich mit Vertretern besetzt, die entweder lukrative Nebentätigkeiten für Pharmakonzerne oder mehr oder weniger intensive Kontakte zu ihnen haben - immer wieder taucht dort auch der Name GSK auf. Während in den USA nur Impfstoffe mit erprobten Wirksubstanzen zugelassen werden, hat die EU den Pharmamultis GSK und Novartis auch erstmalig Impfstoffe mit bislang kaum getesteten Wirkverstärkern genehmigt. Diese Entscheidung hat kostspielige Folgen für die Krankenkassen und die öffentlichen Haushalte und wirkt auf die betroffenen Pharmakonzerne wie ein warmer Subventionsregen.
Nach Angaben des unabhängigen Branchendienstes arznei-telegramm bezahlen die Bundesländer für jede Impfdosis 9 Euro plus Mehrwertsteuer. Bei 50 Mio. Dosen sind dies stolze 450 Mio. Euro, getragen zum Teil auch von den chronisch klammen Krankenkassen. Interessant ist hierbei vor allem die Kostenkalkulation des Herstellers GSK. Für das in Dresden hergestellte Antigen berechnet GSK einen Euro, für das aus Belgien stammende Adjuvans jedoch stolze sechs Euro. Wie GSK überhaupt auf diesen enormen Preis für seinen Wirkverstärker kommt, ist nicht bekannt. Da die Herstellungskosten eher gering sind, dürfte ein Großteil der sechs Euro für die eigenen Patentgebühren anfallen. Ein konventionell hergestellter Impfstoff, der zwar fast die dreieinhalbfache Menge an Antigenen beinhalten würde, aber keine Adjuvantien, wäre somit für Staat und Krankenkassen deutlich günstiger und würde beim Patienten deutlich weniger Nebenwirkungen hervorrufen.
Konjunkturpaket für die Pharmabranche
GlaxoSmithKline hat alles auf die Pandemiekarte gesetzt und gewonnen. Schon während der Vogelgrippe kassierten GSK und der Schweizer Pharmamulti Hoffmann-La Roche fürstlich an der Panik. Weltweit orderten Regierungen für mehrere Milliarden Euro die Wundermittel Tamiflu und Relenza - alleine die deutschen Länder bunkern heute noch Tamiflu im Wert von 200 Mio. Euro.
Doch für GSK hätte die Panik vor der Pandemie auch wesentlich unprofitabler sein können, schließlich investierten die Briten nicht nur Steuergelder in die Erforschung ihres Impfserums Pandemrix. Diese Investitionen, die eigentlich auf eine weltweite Impfkampagne gegen die Vogelgrippe abzielten, standen schon vor der Abschreibung, als plötzlich in Mexiko die ersten Schweine umfielen. Branchenexperten gehen nun davon aus, dass alleine GSK an der eher harmlosen Schweinegrippe 4,2 Mrd. US$ verdient - und GSK ist nicht der einzige Profiteur.
Bundeswehr und Regierung bevorzugt?
Am Wochenende machte die Meldung die Runde, dass für die Bundeswehr und die Bundesbehörden, inklusive der Regierung selbst, nicht etwa Pandemrix, sondern das Konkurrenzprodukt Celvapan geordert wurde. Celvapan ist ein Impfstoff des amerikanischen Pharmakonzerns Baxter, der vor allem an Irland, Großbritannien und Neuseeland verkauft wird.
Hergestellt wird Celvapan allerdings nicht in den USA, sondern in Österreich und Tschechien. Im Unterschied zu Pandemrix kommt Celvapan ohne Adjuvantien aus. Es ist daher auch anzunehmen, dass der Impfstoff für die Bundeswehr und die Regierung seltener Nebenwirkungen haben dürfte. Wissen kann man dies jedoch nicht - Celvapan ist nämlich mitnichten der "bessere" Impfstoff, wie am Wochenende gerne in den Medien behauptet wurde, sondern ebenfalls ein neuer Impfstoff, der sogar noch weniger getestet wurde als Pandemrix und daher ebenfalls ein ganzes Spektrum an unbekannten schweren Nebenwirkungen auslösen könnte. Die Zulassung des Serums basiert auf gerade einmal zwei Studien mit insgesamt 845 Teilnehmern. Die vermeintliche Überlegenheit von Celvapan ist daher ein Trugschluss - bei diesem Impfstoff kommen nämlich sogenannte Ganzvirus-Impfstoffe zum Einsatz, die aufgrund ihrer hohen Rate an unerwünschten Nebenwirkungen bereits vor Jahrzehnten durch die moderneren Spaltimpfstoffe ersetzt wurden, die in geringer Dosis auch in Pandemrix enthalten sind. Celvapan ist somit weder besser noch schlechter als Pandemrix, sondern hat lediglich ein anderes Spektrum von potentiell schweren Nebenwirkungen, die nun auch bei Regierung und Bundeswehr im Feldversuch getestet werden.
Feldversuche auch an Schwangeren und Kleinkindern
Als besonders gefährdet für schwere Krankheitsverläufe gelten Frauen im Allgemeinen, und schwangere Frauen im Besonderen. Der nun vorgestellte Impfplan des Robert Koch-Instituts ordnet schwangere Frauen konsequenterweise auch in die Hochrisikogruppe ein, die zuerst geimpft werden soll. Aus ethischen Gründen sind jedoch bislang weder Pandemrix noch dessen Inhaltsstoffe klinisch an Schwangeren oder Kleinkindern getestet worden, und auch das Konkurrenzprodukt von Baxter gilt hier als untauglich, da "Ganzkörper-Impfstoffe" vor allem bei Schwangeren potentiell gefährlich sind und es für Celvapan gar keine Daten über Nebenwirkungen während der Schwangerschaft gibt. Dabei gäbe es Alternativen - alle in den USA zugelassenen Impfstoffe der Firmen CSL, MedImmune, Novartis und Sanofi-Pasteur enthalten keine Wirkverstärker, basieren auf Spaltimpfstoffen und werden in altbewährten und ausgereiften Verfahren hergestellt. Wenn ein Land wie Deutschland kaum getestete Arzneimittel bei Schwangeren und Kleinkindern einsetzt, so ist die Abwägung zwischen potentiellem Nutzen und potentieller Gefahr komplett außer Kraft gesetzt. Kein Arbeitsplatz in der Pharmaindustrie kann so viel wert sein, dass man für seinen Erhalt Schwangere und Kleinkinder ohne Not in Gefahr bringt.