Im Zuge des Gaza-Kriegs: Verlieren die USA ihren Einfluss im Nahen Osten?
Seite 2: Iran: Ökonomisch-militärische Beziehung zu China und Russland
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Es war immer umstritten, ob informelle Absprachen und eine leichte Lockerung der Sanktionen ausreichen würden, um die Islamische Republik und ihre Vertreter zu besänftigen. Doch spätestens seit Beginn des Gaza-Krieges nutzt die iranische Regierung die Eskalation des israelischen Krieges gegen die Hamas, um ihre strategischen und wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen – und das mit einigem Erfolg. Die iranische Führung hatte gute Gründe, einen diplomatischen Durchbruch zwischen Israel und Saudi-Arabien zu fürchten.
Vor allem einen, der es den USA ermöglicht hätte, ihre "Sicherheitsgarantien" gegenüber den Saudis auszuweiten, und dem saudischen Königshaus erlaubt hätte, ein "ziviles" Atomprogramm aufzubauen. Doch eine solche Annäherung zwischen den Saudis und der israelischen Regierung ist nun auf absehbare Zeit unmöglich, und in Teheran weiß man die Gunst der Stunde zu nutzen.
Doch nicht nur in den Beziehungen zu seinen direkten Nachbarn ist das Mullah-Regime bestrebt, der vom Westen auferlegten Isolation zu entkommen. Auch international sucht der Iran Verbündete, und richtet den Blick gen Osten.
In den vergangenen Jahren hat die Regierung in Teheran ihre diplomatischen und ökonomischen Beziehungen zu China und Russland intensiviert. Diese Allianzen basieren vorwiegend auf dem gemeinsamen Interesse, die Macht der USA im Nahen Osten einzuschränken. China ermöglicht dem Iran vor allem sanktionsfreien Handel und Technologietransfer. Russland unterstützt primär die Modernisierung der iranischen Streitkräfte.
Im Jahr 2021 unterzeichneten China und die Islamische Republik ein auf 25 Jahre angelegtes Abkommen, das den Chinesen Zugang zu fast allen Bereichen der iranischen Wirtschaft ermöglicht. Geplant sind chinesische Investitionen in die iranische Infrastruktur und Telekommunikation.
Ferner hat Beijing (Peking) angedeutet, Teheran bei Entwicklungen im Energiesektor zu unterstützen. China deutete auch an, dem Iran bei der Weiterentwicklung seines umstrittenen Atomprogramms helfen zu wollen, wenn auch vorerst nur zu nicht militärischer Zwecken.
Für das klerikale Regime in Teheran zeigen diese Geschäfte schon jetzt klare wirtschaftliche und sicherheitspolitische Vorteile. Der Iran verkauft jeden Monat Millionen Barrel Öl an China. Das iranische BIP, das sich zwischen 2017 und 2020 halbiert hatte, wächst wieder.
Die Islamische Republik ist Mitglied der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und im August ist der Iran der Brics-Gruppe beigetreten. Gegenwärtig sieht es fast so aus, als hätte China den Sanktionen der einst so mächtigen USA den Schrecken genommen.
Auch Russland ist zu einem wichtigen Verbündeten des Iran geworden. Schon im syrischen Bürgerkrieg standen Iran und Russland auf der Seite des schiitischen Assad-Regimes. Später isolierte der Einmarsch in die Ukraine Russland von vielen seiner traditionellen Partner. Die iranische Führung nutzte die Gunst der Stunde und stellte sich öffentlich hinter den Kreml.
Seitdem hat der Iran große Mengen an Drohnen an Russland verkauft. Im Gegenzug erhielt der Iran Luftabwehrsysteme, Hubschrauber und auch moderne Kampfflugzeuge von Moskau. Und auch wirtschaftlich revanchierte sich Russland für die Unterstützung aus Teheran: In den ersten zehn Monaten dieses Jahres stiegen die russischen Exporte in den Iran um 27 Prozent. Zudem hat Moskau zugesagt, 40 Milliarden Dollar in iranische Gasprojekte zu investieren.
Chinas wachsender globaler Einfluss und Russlands Bruch mit dem Westen machen beide Länder zu idealen Verbündeten. Mit solchen Partnern ist der Iran weit weniger abhängig von den Launen ständig wechselnder US-Regierungen. Ja, das neue geopolitische Kräfteverhältnis könnte sogar den Aufstieg Irans zur Atommacht ermöglichen.
Bisher glaubte man in Washington, dass keine Atommacht Interesse hätte an einem weiteren nuklearen Kontrahenten. Doch im Gegensatz zu den USA hat Russland jahrzehntelang mit fremden Atommächten an seinen Grenzen gelebt und ist daher vielleicht gar nicht so sehr gegen einen nuklear bewaffneten Iran, wie man es im US-Außenministerium gerne geglaubt hätte.
Putin könnte sogar ein Interesse daran entwickeln, die US-Regierung zu demütigen und Washingtons Position im Nahen Osten zu schwächen. Auch in Beijing könnte man zu dem Schluss kommen, dass eine Atombombe im Besitz des Irans den Rückzug der USA aus dem Nahen Osten noch beschleunigen könnte, was wiederum den chinesischen Interessen in der Region zugutekäme.
Jedoch ist der Iran vorerst immer noch eine regional agierende Macht ohne Atomwaffen, und könnte international schnell unter die Räder geraten, sollten China oder Russland doch wieder einmal wieder Grund haben, sich mit den USA gut zu stellen.
Denn Kriege, ob in Gaza oder in der Ukraine, und die einhergehende Fluktuation machtpolitischer Zustände dauern nicht ewig an. Im besten Falle sorgen die neuen Machtverhältnisse dafür, dass man in Zukunft etwas vorsichtiger miteinander umgeht.
Das bedeutet für die USA vielleicht von einer eigenmächtigen Neuordnung des Nahen Osten unter Ausschluss des Iran abzusehen. Gleichzeitig bleibt zu hoffen, dass den Machthabern in Teheran ihre neu gewonnene Handlungsfreiheit nicht zu Kopf steigt. Denn eine Ausweitung des aktuellen Konflikts würde auch dem Iran nur kurzfristig nützen, langfristig keinem der umliegenden Staaten, und den Menschen vor Ort niemals.