Im Zuge des Gaza-Kriegs: Verlieren die USA ihren Einfluss im Nahen Osten?

US-Präsident Biden beim Sicherheits- und Entwicklungsgipfel von Jeddahin Saudi-Arabien im Juli 2022 mit den Staats- und Regierungschefs des Gulf Cooperation Council (GCC), Ägyptens, Iraks und Jordaniens. Bild: Weißes Haus / Public Domain

Biden versuchte, zwischen Israel und Saudi-Arabien eine Allianz zu schmieden. Das liegt nun auf Eis. Warum China und Russland verstärkt die Nahost-Bühne betreten.

Der Krieg in Gaza bedeutet das vorläufige Ende der Nahost-Strategie von US-Präsident Joe Biden. Noch vor einiger Zeit plante man in Washington, die eigene militärische Präsenz in der Region schrittweise zu reduzieren. Um weder dem regionalen Erzfeind Iran noch dem globalen Rivalen China das Feld zu überlassen, sollte das entstehende Machtvakuum durch eine neue Allianz zwischen Israel und den Saudis gefüllt werden.

Die Partnerschaft zwischen den beiden US-Partnern hätte ein militärisches und wirtschaftliches Gegengewicht zum Iran darstellen können. Eine Allianz mit Israel würde auch dazu beigetragen, Riad langfristig dem chinesischen Einflussbereich zu entziehen.

Zudem glaubte man im US-Außenministerium, den Iran mit leichten Sanktionslockerungen und Bestechungsgeldern vorläufig ruhig stellen und von der Fortsetzung seines "Nuklearprogramms" abbringen zu können. Ob der ehrgeizige Plan unter anderen Umständen aufgegangen wäre, lässt sich heute nicht mehr sagen. Seit dem Beginn des Gaza-Krieges ist klar, dass Bidens Vision eines stabilen Nahen Ostens unter saudisch-israelischen Führung und der Berücksichtigung US-amerikanischer Interessen vorerst gescheitert ist.

Im Gegensatz zu den USA profitiert der Iran derzeit von der veränderten politischen Lage im Nahen Osten. Die vom Iran geführte "Achse des Widerstands", zu der neben Hamas und Hisbollah auch das Assad-Regime, schiitische Milizen im Irak und in Syrien sowie die Huthis im Jemen gehören, zeigt, wie weit der Einfluss der Islamischen Republik reicht. Mithilfe dieser Klientel könnte der Iran den aktuellen Konflikt scheinbar nach Belieben ausweiten oder deeskalieren, und bestätigt somit seine Vormachtstellung in "Israels gefährlicher Nachbarschaft".

Durch die Unterstützung der Hamas hat der Iran sein Image als Verteidiger der Palästinenser erneuert und somit seine Beziehungen zu weiten Teilen der arabischen Welt verbessert. Selbst das saudische Königshaus, der bevorzugte Verbündete der USA, scheint an einer näheren Verbindung mit Teheran derzeit nicht abgeneigt.

Die geplante diplomatische Annäherung mit Israel hingegen ist in Riad gerade Tabu-Thema. Im November reiste der iranische Präsident Ebrahim Raisi auf Einladung des Kronprinzen nach Riad, um gemeinsam am arabisch-islamischen Sondergipfel teilzunehmen.

Fast scheint es, als habe man in Teheran die Idee einer arabisch-israelischen Allianz aufgegriffen und den Spieß umgedreht. So viel also zum Plan Washingtons, iranischen Einfluss durch Bündnis der US-Partner langfristig im Zaum zu halten. Mittlerweile befürchtet man in Washington gar, die immerwährende Mission der USA, den Aufstieg Irans zur Atommacht zu verhindern, könnte scheitern.

Seit seinem Amtsantritt versucht Präsident Biden nun schon, ein neues Atomabkommen mit der iranischen Regierung auszuhandeln – bisher ohne Erfolg. Immerhin haben beide Seiten die Anschläge vom Oktober 2023 zum Anlass genommen, ihre diplomatischen Bemühungen zu intensivieren, um die derzeit sehr angespannte Lage in der Region zu entschärfen. Die Chancen der Biden-Administration, Obamas Nuklearabkommen zu retten, stehen allerdings trotzdem denkbar schlecht.

Zwar besteht die Möglichkeit, dass die relative Entspannung in den Beziehungen zwischen den USA und ihrem Lieblingsfeinden in Teheran bis zu den Präsidentschaftswahlen in den USA anhält – doch selbst dann könnte sich dieser Zustand als trügerisch erweisen. Denn sollte Donald Trump im November 2024 wieder ins Weiße Haus einziehen, gibt es wenig, was ihn von einer erneuten Eskalation im Konflikt mit dem Iran abhalten würde.

Selbst bei einer Wiederwahl Bidens müssten sich eine von den Demokraten gebildete Regierung bis Oktober 2025 mit dem Iran auf ein neues Atomabkommen einigen, da sonst die ausgesetzten UN-Sanktionen gegen den Iran automatisch wieder in Kraft treten und damit weitere Verhandlungen bedeutungslos würden. Kurz gesagt: Der Versuch, das Atomabkommen von 2015 mit seinen detaillierten Maßnahmen zur Begrenzung und Überwachung des iranischen Nuklearprogramms wiederzubeleben, kann als gescheitert betrachtet werden.

Das haben auch die Bürokraten in Washington längst erkannt. Und so griff man dort zu einem alternativen Plan, der auf "inoffizieller Diplomatie", – also einer Politik der Bestechungsgelder und informellen Absprachen –, beruht.

Man hoffte, Teheran durch kleinere wirtschaftliche Belohnungen dazu bewegen zu können, die Entwicklung eines eigenen Nuklearprogramms zu verlangsamen und auf Provokationen in der Region zu verzichten. Bis in die jüngste Vergangenheit schien diese Taktik tatsächlich aufzugehen.

Im September erfolgte die Freilassung von fünf zu Unrecht inhaftierten US-Bürger:innen aus iranischen Gefängnissen. Im Gegenzug erhielt Teheran Zugang zu sechs Milliarden Dollar Öleinnahmen, die zuvor unter dem US-Sanktionsregime eingefroren worden waren. Zudem zeigte Washington gegenüber der Islamischen Republik guten Willen und ignorierte die Ölförderung in Rekordhöhe aus dem Iran, die ansonsten mit Sanktionen belegt worden wäre.