Immer mehr Spam - und vielleicht auch Stress

Mit der Zahl der über das Internet verschickten Emails nehmen auch die Spam-Mails ständig zu

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Über 9 Billionen Mails sollen 2003 verschickt werden, darunter auch ungewünschte Werbe-Emails (Spam), die meist in englischer Sprache billiges Viagra oder günstige Kredite und Porno-Material anbieten, zu Duzenden das private Email-Postfach und selbst die Email-Adresse im Büro überfluten, obwohl man sich sicher ist, keinem dieser Absender jemals seine Email-Adresse gegeben zu haben.

Durchschnittlich 2.200 Spam-Emails, so hat eine Studie des Marktforschungsinstituts Jupiter Research im Herbst ermittelt, erhält derzeit jeder amerikanische Internet-Surfer pro Jahr. Im Jahre 2007 soll sich diese beträchtliche Anzahl noch einmal um 60 Prozent auf dann 3.600 pro Jahr erhöhen. "Es wird immer einfacher, Spam zu verschicken", erklärt Jared Blank von Jupiter Research. "Sie kaufen einfach eine CD-ROM mit Millionen von Email-Adressen und schon geht's los". Nationale Spam-Verbote werden einfach durch Routing-Tricks auf ungesicherte Server umgangen.

Spammer sind clever

Den Weg auf die CD hat der Surfer seiner Email-Adresse selbst geebnet, indem er zum Beispiel fragwürdige Internet-Seiten besucht und seine Email-Adresse dort freizügig einträgt oder Internet-Dienste seine Adresse unerlaubter Weise an Spammer weiterverkaufen.

Ist die eigene Adresse erst einmal im Umlauf, dann ist Spammern Tür und Tor geöffnet. Auch Spam-Filter helfen da nur bedingt. "Spammer sind clevere Menschen, die sich mit den Filter-Herstellern ständig im Wettstreit befinden", weiß Blank. Filter, die lediglich Emails von bestimmten Absendern blocken, sind da wenig hilfreich, da zu wenig aktuell, "denn die Spammer wechseln ihre Domains und Adressen regelmäßig". Solche auf "Blacklists" basierende Filter blocken nach Experten-Meinung denn auch höchstens jede zehnte Spam-Email.

Inhaltbasierte Filter durchsuchen eingehende Emails auf bestimmte typische Spam-Schlüsselwörter und wie oft diese im Text vorkommen, was allerdings oftmals auch dazu führt, dass Emails aussortiert werden, die eigentlich durchkommen sollten. Um auch durch solche Filter ins Postfach des zu Bewerbenden zu gelangen, schreiben Spammer die bekannten Schlüsselwörter einfach absichtlich falsch oder formulieren kürzere Emails, so dass die Schlüsselwörter nicht oft genug vorkommen, um die Email abzublocken.

Damit die durch den Filter hindurchgekommenen Emails auch vom Inhaber des Postfaches gelesen und nicht gleich gelöscht werden, helfen psychologische Tricks: Werbung mit der eigenen Email-Adresse als Absender oder Mitteilungen in der Betreff-Zeile, die so formuliert sind, als käme die Email von einem Freund, sind die häufigsten Varianten, mit der Spammer den Empfänger auf ihr Produkt aufmerksam machen wollen.

Am Arbeitsplatz beklagen sich noch kaum Menschen über die Mail-Flut

Inzwischen versuchen auch die Provider ihre Kunden vor Spam zu schützen und bieten Filter an. AOL zum Beispiel hat Spam zum Voksfeind Nummer 1 erklärt und mit Version 8 seiner Zugangssoftware den Button "Report Spam" eingeführt, mit dem AOL-Nutzer die Möglichkeit haben, den Absender unerwünschter Emails an AOL zu melden und so den AOL-Spam-Filter ständig auf dem neuesten Stand zu halten, so dass andere Mitglieder vor den gleichen Emails geschützt werden. Mittlerweile sei dadurch der durch Spam verursachte Mail-Verkehr bei AOL um bis zu 20 Prozent zurückgegangen.

Auch der amerikanische Branchenverband der Direktvermarkter Direct Marketing Association (DMA) unterstützt inzwischen den Kampf gegen unerwünscht zugesandte Werbe-Emails, da er durch das negative Image von Spam und durch mehrere anhängige Klagen von Verbraucherschutzorganisationen inzwischen das Internet als wichtigen Vertriebskanal bedroht sieht.

Doch der weit verbreitete Mythos, dass jeder sich vor Emails gar nicht retten kann, scheint zumindest im Büro nicht der Realität zu entsprechen. So belegte eine kürzlich veröffentlichte Studie des Pew Internet and American Life Project, dass 60 Prozent der Amerikaner, die an ihrem Arbeitsplatz elektronische Post nutzen, am Tag gerade mal zehn Emails und weniger erhalten. Nur 6 Prozent erhalten mehr als 50 Emails pro Tag. Unter diesen Powermailern beklagen sich nur 11 Prozent, dass sie von Emails zugeschüttet werden, die meisten hätten jedoch inzwischen ihre Tricks, wie sie der Email-Flut Herr werden und haben beispielsweise Software im Einsatz, die die eingehende Post automatisch organisiert und in Ordner vorsortiert.

Die Studie räumt auch auf mit dem Mythos, dass Angestellte Stunden damit verbringen, ihr Email-Postfach durchzuarbeiten: Dreiviertel der 2.447 befragten Internet-Nutzer wendeten maximal bis eine Stunde pro Tag für den Email-Verkehr auf, 25 Prozent davon verbrachten gar nur weniger als 15 Minuten mit dieser Aufgabe.

Ständige Erreichbarkeit unterbricht die Arbeit

Ob die Zahl der täglich eingehenden Emails überhaupt relevant ist, bis sie als störend wahrgenommen werden, ist ohnehin noch nicht belegt. Glaubt man aber den Psychologen, dann hat sich die moderne Kommunikation zu einer neuen potenziellen Stressquelle entwickelt, die zumindest im Büro neben den bereits ohnehin vorhandenen Stressfaktoren wie hohes Arbeitspensum, Termindruck, unzureichende Erholungsmöglichkeiten, geringe Entscheidungskompetenz usw. zusätzlich belasten.

So bringen Internet und Email eine wesentliche Beschleunigung und Vergrößerung des Datenflusses, was vom Anwender ein noch größeres Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration erfordere. Hinzu kommt die bessere Erreichbarkeit: eingehende Emails, Faxe oder Anrufe unterbrechen Arbeitsvorgänge und somit die Konzentration. Nach einer internationalen Studie des Institute for the Future werden Beschäftigte im Durchschnitt alle zehn Minuten durch Telefon, Fax oder Email in ihrer Arbeit unterbrochen So entstehe zwischen dem Spagat ständiger Erreichbarkeit auf der einen und der Notwendigkeit konzentrierten kontinuierlichen Arbeitens auf der anderen Seite eine "konflikthafte Anforderung, die auf Dauer belastet" meint das Psychologische Forum Offenbach.

Zwar sparen die neuen Techniken durch schnellere Datenverarbeitung und Automatisierung viel Zeit ein, da sich aber viele Beschäftigte mit der Verarbeitung der Datenflut überfordert fühlen, gehe dadurch mehr Zeit verloren als durch die Technik gewonnen werde.